Neues Gesetz zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr (BwBBG) – wird jetzt alles gut?

Als Reaktion auf den Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat der Gesetzgeber die Schaffung eines Sondervermögens von 100 Mrd. Euro beschlossen, um die Streitkräfte besser auszurüsten und den Investitionsstau („Friedensdividende“) zu beheben. Um eine effiziente Bewirtschaftung dieses Sondervermögens zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber zudem das „Gesetz zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr“ – kurz: BwBBG – erlassen. Das Gesetz ist am 12.07.2022 in Kraft getreten und gilt zunächst bis 31.12.2027. Hält es auch, was sein Name verspricht?

Zweck des BwBBG (Gesetzestext: gesetze-im-internet.de/) ist das zeitnahe Erreichen eines breiten, modernen und innovationsorientierten Fähigkeitsspektrums der Bundeswehr und damit die Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Erreicht werden soll dieses Ziel mit einer Beschleunigung von Vergabeverfahren und der vereinfachten Berücksichtigung von Sicherheitsinteressen (§ 1).

Das BwBBG gilt nur für das BMVg, seine Behörden oder bundeseigene Gesellschaften sowie im Baubereich für Landeseinrichtungen, die Bauaufgaben für das BMVg erledigen. Zudem ist es nur anwendbar auf EU-weite Aufträge über die Lieferung von Militärausrüstung zur unmittelbaren Stärkung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze und auf Bau- und Instandhaltungsaufträge im Zusammenhang mit diesen (§ 2).

Eines der Hauptziele des Gesetzes ist die Beschleunigung von Vergabeverfahren. Erreicht werden soll die Beschleunigung durch folgende Maßnahmen:

  • Statt einer Losbildung soll eine Gesamtvergabe auch dann erlaubt sein, wenn wirtschaftliche, technische und nun auch zeitliche Gründe dies „rechtfertigen“ (bisher: erfordern“).
  • Wird in einem Vergabenachprüfungsverfahren ein Vergaberechtsverstoß festgestellt, sollen die Vergabekammern und -senate dennoch davon absehen können, den Vertrag für unwirksam zu erklären, wenn dies mit Blick auf die Gesetzeszwecke des § 1 ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint. Dafür soll die Möglichkeit bestehen, gegen den Auftraggeber alternative Sanktionen zu verhängen. Genannt wird insbesondere die Verhängung einer Geldsanktion von bis zu 15 % des Auftragswerts. Das Gesetz präzisiert dies nicht weiter, es dürfte aber klar sein, dass diese Geldsanktion nicht an den betroffenen Bieter zu zahlen ist.
  • Künftig sind mündliche Verhandlungen per Videokonferenz erlaubt. Zwecks Beschleunigung kann eine mündliche Verhandlung auch ganz entfallen und nach Lage der Akten entschieden werden.
  • Im Rahmen von Eilanträgen über die Vorabgestattung des Zuschlags und von Anträgen über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung müssen Vergabekammern und -senate die Interessen von Auftraggeber und Bieter gegeneinander abwägen. Hier sollen die Interessen des Auftraggebers künftig immer dann überwiegen, wenn der Auftrag „im unmittelbaren Zusammenhang mit der unmittelbaren Stärkung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr steht“.
  • Gelangt das Nachprüfungsverfahren vor einen Vergabesenat, soll dieser binnen sechs Monaten eine endgültige Entscheidung treffen.
  • Der Auftraggeber soll künftig vorrangig marktverfügbare Leistungen und Produkte beschaffen („off the shelf“). Ausnahmen sind besonders zu begründen.

Mit dem BwBBG soll zudem die gemeinsame europäische Beschaffung gestärkt werden. Vergibt das BMVg Aufträge im Rahmen eines Kooperationsprogramms zusammen mit anderen EU-/EWR-Partnern, stehen hierfür künftig folgende Instrumente zur Verfügung:

  • Der Bieterkreis darf auf Unternehmen aus EU und EWR beschränkt werden.
  • Das Gebot der Losvergabe gilt nicht.
  • Macht ein EU-Partner wesentliche Sicherheitsinteressen (Art. 346 AEUV) geltend, kann sich das BMVg auf sie wie auf eigene berufen.
  • Droht ein EU-Partner, das gemeinsame Verfahren aufgrund von Verzögerungen durch ein Nachprüfungsverfahren abzubrechen, gehen die Interessen des Auftraggebers im Rahmen der Abwägung bei Eilanträgen in der Regel vor (s.o.).
  • Wenn eine bestimmte Ausrüstung schon in einem anderen Partnerland eingesetzt wird und sich deshalb nur diese für eine gemeinsame Beschaffung eignet, kann sich der Auftraggeber auf ein Alleinstellungsmerkmal berufen und darf in der Folge mit einem einzigen Bieter verhandeln (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 c) VSVgV).

Diese Regelungen gelten selbst dann, wenn der Partner ein Drittstaat ist, sofern er GPA-Vertragspartei ist und der Auftrag hierunter fällt.

Schließlich ermöglicht das BwBBG die verstärkte Berücksichtigung von Sicherheitsinteressen im Vergabeverfahren. Zum einen stellt das Gesetz klar, dass auch Aufträge, die das militärische Nachrichtenwesen betreffen, vom Vergaberecht befreit sind. Zum anderen dürfen künftig sowohl Bieter als auch Nachunternehmer aus Nicht-EU-/EWR-Ländern ausgeschlossen werden, wenn der jeweilige Herkunftsstaat nicht die notwendige Gewähr für die Wahrung der nationalen Sicherheitsinteressen bietet. Das gilt wiederum nicht gegenüber Bietern und Nachunternehmern aus GPA-Mitgliedstaaten, wenn der jeweilige Auftrag hierunter fällt.

Fazit

Das Gesetz enthält einen bunten Strauß an Maßnahmen zur beschleunigten Ausstattung der Bundeswehr. Allerdings darf bezweifelt werden, ob es die wahren Ursachen für den Zustand der Streitkräfte angeht. Zum einen wurde erst 2020 der Rechtsschutz in Vergabeverfahren empfindlich eingeschränkt (s. Vergabeblog.de vom 14/02/2020, Nr. 43328). Eine nennenswerte Beschleunigung von Nachprüfungsverfahren hat das nicht bewirkt. Hiervon abgesehen stellt auch der Gesetzgeber fest, dass „im Rüstungsbereich die Anzahl der Nachprüfungsverfahren im Verhältnis zu der Anzahl der im Oberschwellenbereich durchgeführten Vergaben verhältnismäßig gering ist“ (BT-Drs. 20/2353 vom 21.06.2022, S. 13). Fragwürdig ist zum anderen der Versuch, Verfahren vor dem Vergabesenat dadurch zu beschleunigen, dass das Gesetz eine Verfahrenshöchstdauer von sechs Monaten anordnet. Dass es den Vergabekammern und -senaten an Ausstattung fehlen könnte, wird offenbar nicht erwogen.

Schließlich sendet das Gesetz die missverständliche Botschaft aus, dass nur lang genug an der Vergaberechtsschraube gedreht werden müsse, um das militärische Beschaffungswesen effizienter und schneller zu machen. So hätte man sich durchaus fragen können, ob in einem Leopard 2-Panzer wirklich die Arbeitsstättenverordnung gelten muss und wie sinnvoll es ist, die Sportstättenverordnung auch auf den Fitnessraum einer Fregatte anzuwenden. Die wahren Optimierungspotenziale der nationalen Beschaffungsstrukturen (Entbürokratisierung, CPM, 25 Mio. Euro-Vorlagen…) geht auch das BwBBG nicht an.