Rückblick 9. Deutscher Vergabetag
Der 9. Deutsche Vergabetag, die Leitveranstaltung für Vergaberecht und öffentliches Auftragswesen, konnte 2022 wieder ohne pandemiebedingte Einschränkungen stattfinden. Und die Zahlen zeigen, der Bedarf zum Austausch war groß: Mit ca. 600 Teilnehmenden aus Vergabepraxis, Rechtspflege, Wirtschaft und Wissenschaft war es der bisher größte Vergabetag. Ein Rückblick:
Thematisch war der seit seinem Debüt im Jahr 2014 inzwischen 9. Deutsche Vergabetag des Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) von den aktuellen Herausforderungen unserer Zeit bestimmt, wie den pandemie- und kriegsbedingten Lieferengpässen und Preissteigerungen, aber auch Aspekte wie Nachhaltigkeit und digitale Souveränität standen im Fokus der Diskussionen der beiden restlos ausgebuchten Kongresstage im Herzen Berlins.
Pünktlich um 9:15 Uhr begrüßten Marco Junk und Martin Mündlein, die Gründer und Geschäftsführer des Deutschen Vergabenetzwerkes (DVNW), die TeilnehmerInnen im Maritim pro Arte Hotel Berlin und stimmten Sie auf zwei Tage Austausch, Neuigkeiten und Workshops rund um das Vergaberecht und Beschaffung ein. “Traditionell befasst sich der erste Kongresstag mit den rechtlichen, der zweite Tag mit den politischen Themen rund um die Vergabe öffentlicher Aufträge. In Anbetracht der gegenwärtigen Herausforderungen sind die politischen Rahmenbedingungen und Entwicklungen so wichtig wie nie zuvor”, so Marco Junk.
Dr. Nicola Ohrtmann, langjährige Moderatorin und daher fast so etwas wie “das Gesicht” des Vergabetags, führte gewohnt souverän wie kurzweilig durch das abwechslungsreiche Programm. Als Fachanwältin für Vergaberecht und Equity-Partnerin bei Aulinger Rechtsanwälte|Notare ist Sie selbst eine ausgewiesene Expertin auf diesem Gebiet.
In den beiden Eröffnungs-Keynotes der EU-Kommission und des Bundeswirtschaftsministeriums von Jean-Yves Muylle, Referatsleiter der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission, und Dr. Raphael L’Hoest, Leiter der Unterabteilung Wettbewerbs- und Strukturpolitik, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), wurde die Rolle der öffentlichen Beschaffung angesichts ihres nationalen Marktvolumens von geschätzt 300 Milliarden Euro jährlich auch als Hebel zur Erreichung politischer Ziele genannt. L`Hoest gab dabei einen ersten Einblick in das kommende “Vergabetransformationspaket” der Bundesregierung.
Dieses Thema setzte sich in der Podiumsdiskussion fort, bei der es um die Möglichkeiten und Grenzen des öffentlichen Einkaufs zur doppelten Transformation ging. Neben der Digitalisierung der Verwaltung und einem Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit sind öffentliche Aufträge auch bei der Verkehrswende, der Innovationsförderung oder der Ertüchtigung der Bundeswehr mächtige Stellschrauben. Es diskutierten dazu Dr. Raphael L’Hoest, Leiter der Unterabteilung Wettbewerbs- und Strukturpolitik, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Hans Hagen Burmeister, Abteilungsleiter B (Beschaffungen) beim Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums (BeschA), Prof. Dr. Michael Eßig vom Forschungszentrum für Recht und Management öffentlicher Beschaffung der Universität der Bundeswehr München und Lars Zimmermann, Co-Founder und Mitglied des Vorstands, GovTech Campus Deutschland.
Die Impulse der ersten Paneldiskussion konnten direkt während der folgenden Kaffeepause diskutiert werden. Außerdem hatten die TeilnehmerInnen dann die Möglichkeit, sich mit den 18 Ausstellern der Fachausstellung auszutauschen: Von A wie Administration Intelligence oder Amazon Business über B wie Beschaffungsamt des Innern und BPV Consult bis zu V wie Vizson, konnte man sich über Dienstleistungen und Produkte rund um Vergabe und Beschaffung informieren.
Fachpanel Recht
Ein besonderes Highlight des Deutschen Vergabetages ist immer das Fachpanel Recht mit den Vertretern gleich dreier Vergabesenate: Petra Willner, Richterin am Bayerischen Obersten Landesgericht, sprach zu Fragen des Angebots- und Bieterausschlusses. Dr. Christine Maimann, Vorsitzende Richterin am OLG Düsseldorf, gab Einblicke in aktuelle Entscheidungen des Vergabesenats, und Dr. Cornelia Holldorf, Vorsitzende Richterin des Vergabesenats am Kammergericht Berlin, stellte Erfahrungen ihres Vergabesenats vor und leitete daraus Strategien für die Vergabepraxis ab.
Nach der Mittagspause ging es weiter mit 10 Praxisworkshops, in denen ausgewählte Probleme der Beschaffungspraxis vertieft wurden.
Damit endete das dicht gepackte Programm des ersten Tages, das fast nahtlos in die festliche Abendveranstaltung mündete, traditionell mit der Verleihung der DVNW-Awards an die AutorInnen des Vergabeblogs für die meistgelesenen Autorenbeiträge: Wir stellen Ihnen die GewinnerInnen und ihre Beiträge Anfang nächsten Jahres detailliert hier im Vergabeblog vor. Die Plätze 1 bis 5 gingen (in dieser Reihenfolge) an Dr. Wolfram Krohn, M.P.A. (Harvard), Dentons Europe LLP, Dr. Marc Röbke, Lutz | Abel Rechtsanwalt PartG mbB, Lars Lange, LL.M. (Kopenhagen), Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Bastian Gierling und Elina Kohl, LLR Legerlotz Laschet Rechtsanwälte Partnerschaft GmbB und Hans-Peter Müller, Kunz Rechtsanwälte.
Danach stand nur noch der gesellige Austausch und Networking auf der Agenda. Die TeilnehmerInnen nutzen die Chance ausgiebig, sei es, um alte Kontakte zu pflegen oder neue Kontakte zu knüpfen und über die Eindrücke des Tages zu diskutieren.
Der zweite Tag begann 8:45 Uhr mit fünf parallelen Innovationsforen, bei denen innovative Werkzeuge und Entwicklungen für die Beschaffungspraxis im Mittelpunkt standen. Obwohl es für einige der BesucherInnen vermutlich eine eher kurze Nacht war, wurde sehr viel diskutiert und auch die vorgestellten innovativen Lösungen erhielten so manches wertvolle Nutzerfeedback für die weitere Entwicklung. Nach einer kurzen Stärkung ging es direkt weiter in die dritte und letzte Workshop-Session.
Neues DVNW-Format
Nach der wohlverdienten Mittagspause ging es weiter mit dem letzten inhaltlichen Abschnitt des 9. Deutschen Vergabetags. Vor dem Start des Fachpanels Politik & Markt stellte Prof. Dr. Hermann Hill, Speyer, Staatsminister a.D., das neue DVNW-Format „Die Kultur des Vergaberechts“ vor. Am 19. und 20. Januar 2023 wollen wir mit Ihnen im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin über den vergaberechtlichen Tellerrand blicken. Mit hochkarätigen Experten beleuchten wir, welchen Einfluss die Menschen, die die Vergabeverfahren durchführen, mit ihrem Entscheidungsverhalten, ihrem Weltbild und ihrem Verhältnis zu den Bietern auf die Vergabe haben und diesen nutzbar machen können. Das Format wurde unter der inhaltlichen Leitung von Prof. Hill konzipiert und soll auch Impulse zur Zukunftsfähigkeit des Vergaberechts setzen. Sichern Sie sich jetzt Ihr Ticket und diskutieren Sie mit: https://www.kultur-des-vergaberechts.de/
Bietersicht
Ein zweifellos exotischer Farbtupfer der Veranstaltung war das Gespräch mit Wolfgang Grupp, Diplom-Kaufmann sowie alleiniger Geschäftsführer und Inhaber von TRIGEMA. Marco Junk sprach mit ihm über seine Erfahrungen als Mittelständler bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, aber, wie man es von Grupp kennt, natürlich auch über aktuelle Politik und Unternehmertum. Ebenso überzeugt wie mitunter auch polarisierend trat Grupp für Werte ein, die man heute weitgehend vergeblich sucht.
Digitale Souveränität
Das Programm des Deutschen Vergabetages wird natürlich viele Monate vor der Veranstaltung entwickelt. Wie richtig wir damit lagen, bewies das Panel “Heute Öl und Gas, morgen …? – Souveräne Beschaffung im aktuellen politischen Kontext”. Der russische Angriffskrieg hat die Abhängigkeit von ausländischem Öl und Gas deutlich sichtbar gemacht. Es stellt sich die Frage, wie sich ähnliche Abhängigkeiten in Bereichen wie Kommunikations- oder Cloud-Technologie in Zukunft auswirken könnten. Beim Ziel – der digitalen Souveränität – waren sich die Panelisten durchaus einig. Wie der Weg dorthin aussehen sollte, sorgte aber für eine ebenso lebhafte wie kontroverse Diskussion zwischen Harald Joos, Chief Information Officer für die Bundesfinanzverwaltung und Abteilungsleiter VI (Informationstechnik) im Bundesministerium der Finanzen, und Dr. Johann Bizer, Vorstandsvorsitzender bei Dataport AöR, unter der Moderation von Marco Junk.
Preise und Fristen
Die beiden letzten, nicht minder spannenden Programmpunkte kamen von Prof. Dr. Ralf Leinemann, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Vergaberecht und Partner bei Leinemann & Partner Rechtsanwälte mbB, der sich in seinem Vortrag mit den rasanten Preisanstiegen und gestörten Lieferketten befasste, die im Moment die allermeisten VergabepraktikerInnen das Leben schwer machen. Prof. Dr. jur. Martin Burgi, Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sprach im Anschluss über aktuelle Gesetze und weitere Pläne zur Beschleunigung von Vergabeverfahren, nachdem dabei offenbar noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
Der Vortrag von Kai Hooghoff, Leiter Abteilung Wettbewerbsregister des Bundeskartellamts, der eigentlich den Vergabetag beschlossen hätte, musste leider ausfallen, weil ein Güterzugunfall die Reise nach Berlin kurzfristig unmöglich gemacht hat. Wir freuen uns darauf, ihn im nächsten Jahr auf der Bühne willkommen zu heißen. Nach der Zusammenfassung und Verabschiedung durch Dr. Ohrtmann, war das „Klassentreffen der deutschen Vergabeszene“ auch schon wieder vorbei. Der Termin für die Jubiläumsveranstaltung 2023 wird demnächst bekannt gegeben. Folgen Sie uns auf LinkedIn, werden Sie Mitglied im DVNW oder abonnieren Sie den Newsletter der DVNW Akademie, um keine Neuigkeiten rund um den Vergabetag zu verpassen. Und: Sichern Sie sich bitte frühzeitig ein Ticket, denn die 600 Karten waren dieses Jahr bereits drei Monate vor der Veranstaltung ausverkauft.
Wir bedanken uns bei allen Beteiligten, die den Vergabetag immer wieder zu dem Spitzen-Event machen, das er ist, und freuen uns darauf, Sie im nächsten Jahr wieder in Berlin begrüßen zu dürfen.
Fotos: Svea Pietschmann