Bundeshaushalt 2024: Sachverständige wurden angehört
Der Haushaltshaltausschuss hat sich am Donnerstag, 11. Januar 2024, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung mit dem noch in der Beratung befindlichen Haushalt 2024 befasst. Gegenstand war zum einen der jüngst von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes (20/9999). Der Entwurf enthält Regelungen, um geplante Sparmaßnahmen beziehungsweise Steuererhöhungen umzusetzen. Zum anderen wurde in der Sitzung der Haushalt 2024 allgemein behandelt, insbesondere im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Nachtragshaushalt 2021.
Umstritten zwischen den geladenen Expertinnen und Experten war unter anderem die Frage, ob für die im Jahr 2024 eingeplanten Mittel zur Unterstützung des Wiederaufbaus in den von der Flutkatastrophe 2021 betroffenen Regionen beziehungsweise zur Unterstützung der Ukraine eine Ausnahme von der Schuldenregel des Grundgesetzes möglich wäre. Hier zeigte sich auch ein Dissens zwischen jeweils von Fraktionen der Koalition benannten Sachverständigen.
Bezogen auf die Unterstützung für die Flutregionen ging es vornehmlich um die Frage, ob die im Etatentwurf vorgesehenen 2,7 Milliarden Euro eine „erhebliche Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage“ darstellen, für die – das Vorliegen einer Notlage angenommen – eine Kreditaufnahme auf Grundlage einer Ausnahme von der Schuldenregel möglich wäre. Dies bejahten die von der SPD-Fraktion als Sachverständige benannten Professoren Armin Steinbach (HEC Paris) und Alexander Thiele (BSP Business & Law School Berlin).
Der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Steinbach führte aus, dass der Haushaltsgesetzgeber laut Bundesverfassungsgericht einen Beurteilungsspielraum habe, was eine „erhebliche Beeinträchtigung“ sei. Er betonte, dass dabei nicht der gesamte Bundeshaushalt als Bezugspunkt herangezogen werden sollte. Denkbar sei eine Orientierung am betroffenen Einzelplan sowie an Regelungen der Bundeshaushaltsordnung.
Ähnlich äußerte sich Rechtswissenschaftler Thiele. Er führte aus, dass auch die haushalterische und die ökonomische Gesamtsituation eine Rolle spielten, ebenso das Vorhandensein mehrerer Notlagen. So könnten auch kleinere Beträge eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen. Wie auch Steinbach legte Thiele dar, dass die verfassungsrechtlichen Fragen dazu noch nicht abschließend von Karlsruhe beantwortet worden seien. Der Gesetzgeber müsse sich entscheiden, welche Ansicht er für überzeugender halte. Das letzte Wort habe das Bundesverfassungsgericht.
Die Gegenansicht vertraten die von der FDP-Fraktion als Sachverständige benannten Professoren Lars P. Feld (Walter Eucken Institut) und Gregor Kirchhof (Universität Augsburg) sowie der von der CDU/CSU-Fraktion als Sachverständiger benannte Professor Hans-Günter Henneke. Wirtschaftswissenschaftler Feld widersprach der Auffassung von Steinbach und Thiele hinsichtlich der zugrunde zu legenden „erheblichen Einschränkungen“. Die Frage der Erheblichkeit müsse auf den Gesamthaushalt bezogen werden; der Betrag, um den es bei der Fluthilfe gehe, sei viel zu klein, um eine Notlage festzustellen, meinte Feld. Ähnlich argumentierten die Rechtswissenschaftler Kirchhof und Henneke.
Eine ähnliche Diskussion entbrannte um eine mögliche Erklärung einer Notlage und der damit verbundenen Kreditaufnahme für die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Dazu umriss der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Sachverständiger benannte Politikwissenschaftler Christian Mölling (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik) die Unwägbarkeiten der gegenwärtigen Lage in der Ukraine sowie auf geopolitischer Ebene.
Mit Blick auch auf den Karlsruher Urteilsspruch sahen die von den Oppositionsfraktionen benannten Sachverständigen die Haushaltsplanung für das laufende Jahr kritisch. Der von der CDU/CSU-Fraktion benannte Sachverständige Professor Christian Waldhoff monierte, dass die Ersatzbeschaffung von an die Ukraine abgetretenen Rüstungsgütern aus dem Sondervermögen Bundeswehr vorgenommen werden soll. Der ebenfalls von der Unionsfraktion benannte Sachverständige Professor Thiess Büttner (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) problematisierte unter anderem die im Entwurf für das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz vorgesehene Pflicht zur Rückzahlung von Zuschüssen durch die Bundesagentur für Arbeit (BA). Die während der Corona-Pandemie an die BA überführten Mittel seien mit Notlagen-Krediten finanziert worden. Eine Rückübertragung dieser Mittel, um sie nun für andere Zwecke auszugeben, sei auch mit Blick auf verfassungsrechtliche Fragestellungen „außerordentlich problematisch“.
Ähnlich äußerte sich der von der AfD-Fraktion als Sachverständige benannte Professor Fritz Söllner (TU Ilmenau). Söllner mahnte zudem eine Änderung der Buchungspraxis der Kreditaufnahme in Sondervermögen an. Die aktuelle Handhabung, die Kreditaufnahme nicht zu berücksichtigen, halte er für „ganz klar verfassungswidrig“. Es gebe dabei keine Unterscheidung zwischen Notlagenkrediten und regulären Krediten, meinte der Wirtschaftswissenschaftler.
Eine andere Auffassung dazu vertrat der von der SPD-Fraktion als Sachverständiger benannte Joachim Wieland (Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer). Nach Auffassung des Rechtswissenschaftlers sei diese Frage im Urteil des Bundesverfassungsgerichts beantwortet worden. Demnach gelten die Vorgaben der Jährlichkeit und Jährigkeit nur für durch Notlagen bedingte Kredite. Sondervermögen, die nicht nur durch Notlagenkredite finanziert worden seien, hätten in dem Verfahren überhaupt keine Rolle gespielt, so Wieland.
Mehrere Sachverständige ließen sich zudem zu grundsätzlichen Überlegungen zu einer Reform der Schuldenbremse ein. Professorin Monika Schnitzer (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage) etwa warb dafür, Konstruktionsschwächen der Schuldenbremse zu korrigieren. Die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als Sachverständige benannte Wirtschaftswissenschaftlerin verwies beispielsweise auf den zu niedrig angelegten Verschuldungsspielraum der Schuldenregel, die Konjunkturkomponente sei zudem schlecht konstruiert.
Der Finanzausschuss plant für Montag, 15. Januar 2024, eine weitere Anhörung zum Entwurf eines Zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a07_finanzen/Anhoerungen/985310-985310
Quelle: Bundestag