Unvollständiges Befüllen des Formblatts 223 führt regelmäßig zum Ausschluss! (VK Bund, Beschl. v. 19.10.2023 – VK2-78/23)
Der öffentliche Auftraggeber kann sich in die Anforderung des Formblatts 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) nach Angebotsabgabe vorbehalten. Die Aufgliederung der Einheitspreise betrifft auch solche Leistungen, für deren Ausführung Nachunternehmer vorgesehen sind. Dies ist nicht unverhältnismäßig. Wird das Formblatt 223 nur teilweise ausgefüllt, fehlen die geforderten Angaben bzw. Erklärungen. Eine Nachforderung der unterbliebenen Angaben kommt in diesem Fall nicht in Betracht. Denn die Möglichkeit der Nachforderung besteht nur in Bezug auf Unterlagen, die bereits mit dem Angebot einzureichen sind.
§§ 15 EU Abs. 2 VOB/A, 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A, 16a EU Abs. 1 S. 2 VOB/A, § 16d Abs. 1 Nr. 2 VOB/A
Sachverhalt
Die Antragsgegnerin des Nachprüfungsverfahrens hatte im Rahmen der Durchführung eines nichtoffenen Vergabeverfahrens als einziges Zuschlagskriterium den Preis vorgesehen. Im Zuge der Prüfung des preisgünstigsten Angebotes der Antragstellerin stellte die Antragsgegnerin erhebliche Abweichungen hinsichtlich des Angebotspreises von der Schätzung des Angebotspreises bzw. von weiteren eingegangenen Angeboten fest.
In der Aufforderung zur Angebotsabgabe enthalten war die Vorgabe, dass die Aufgliederung der Einheitspreise entsprechend dem Formblatt 223 auf Verlangen der Vergabestelle ausgefüllt vorzulegen ist. Das Dokument enthielt dabei u.a. eine Fußnote, die für die zu befüllenden Spalten Zeiteinsatz, Lohn, Material, Geräte und sonstige Kosten Folgendes vorgab:
„Ist bei allen Teilleistungen anzugeben, unabhängig davon, ob sie der Auftragnehmer oder ein Nachunternehmer erbringen wird.“
Auf Grund der festgestellten erheblichen Abweichung bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin das Formblatt 223 innerhalb einer gesetzten Frist vorzulegen. Daraufhin übermittelte die Antragstellerin das Dokument auch fristgerecht. Das durch die Antragstellerin übermittelte Dokument wich jedoch hinsichtlich Formatierung und Inhalt von den Vorgaben des durch die Antragsgegnerin bereit gestellten Dokuments ab. Dies fiel der Antragsgegnerin im Rahmen der Prüfung auf. Nach ihrer Ansicht genügten die in dem Formblatt gemachten Angaben mithin nicht den auftraggeberseitig angeforderten Informationen. So kam die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, dass das Angebot der Antragstellerin wegen Nichtvorlage nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A und wegen einer verweigerten Auskunft nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A auszuschließen sei.
Der auf die Benachrichtigung der Antragstellerin über den beabsichtigten Zuschlag zu Gunsten der Beigeladenen erfolgten Rüge wurde nicht abgeholfen. Mit dem daraufhin durch die Antragstellerin beantragten Nachprüfungsverfahren hatte sich die Vergabekammer des Bundes zu befassen.
Die Entscheidung
Das angestrengte Nachprüfungsverfahren erwies sich als erfolglos!
Der Nachprüfungsantrag ist zwar zulässig, jedoch unbegründet. Denn das Angebot der Antragstellerin ist zu Recht nach § 16 EU Nr. 4 VOB/A ausgeschlossen worden. So durfte sich die Antragsgegnerin die Anforderung des Formblatts 223 nach Angebotsabgabe wegen mangelnder Unverhältnismäßigkeit wirksam vorbehalten. Die Einheitspreisaufschlüsselung ist auch im Hinblick auf Nachunternehmerleistungen möglich.
Darüber hinaus erfolgte die Anforderung bei der Antragstellerin auch nicht willkürlich, sondern ebenfalls zulässigerweise. So stellte das Angebot der Antragstellerin das mit dem niedrigsten Preis dar. Dieser Preis lag auch deutlich unter der Auftragswertschätzung der Antragsgegnerin, als auch unter dem nachfolgenden Angebot der Beigeladenen. Daher durfte die Antragsgegnerin von der Erforderlichkeit einer Preisprüfung nach § 16d EU Abs. 1 VOB/A ausgehen.
Weiterhin stellt die Vergabekammer die zwischen den Parteien unstreitige Unvollständigkeit in weiten Teilen fest. Durch die Nicht-Eintragung der geforderten Angaben bzw. Erklärungen fehlen diese im Sinne von § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A. Für ein Fehlen genügt demnach auch die nicht vollständig vorgenommene Eintragung. Hierbei sah die Vergabekammer nicht das Formblatt 223 an sich als abzugebende Erklärung an, sondern vielmehr die Vielzahl einzutragender Einzelerklärungen.
Auch eine Nachforderung unterbliebener Angaben lehnte die Vergabekammer ab. Nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A erfolgt keine Nachforderung, wenn die Erklärungen erst auf gesondertes Anfordern nach Angebotsabgabe einzureichen sind. Auch § 15 EU Abs. 3 VOB/A bietet dazu keine taugliche Grundlage. Um den Fehler zu heilen, müsste das Formblatt 223 um die fehlenden Preisangaben ergänzt werden. Die Vervollständigung einer unvollständigen Preisaufschlüsselung geht über eine bloße Aufklärung hinaus.
Der Ausschluss war überdies auch nach § 15 EU Abs. 2 VOB/A erforderlich. Ein Angebot ist demnach dann auszuschließen, wenn ein Bieter geforderte Angaben nicht binnen der hierfür gesetzten angemessenen Frist erteilt, was hier der Fall gewesen ist. Entgegenstehende Vertrauensschutz-gesichtspunkte infolge einer abweichenden Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin waren für das Gericht nicht ersichtlich.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes ist vergaberechtlich nachvollziehbar und zutreffend.
Unstreitig behielt sich die Antragsgegnerin die Anforderung des vollständig ausgefüllten Formblattes 223 vor. Mit der Feststellung, dass die Einheitspreisaufschlüsselung auch bezüglich Nachunternehmerleistungen wirksam ist, folgte die VK Bund der Ansicht des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19.05.2021 – Verg 13/21). Einleuchtend ist dabei die Argumentation, dass der Bieter vergaberechtlich dem Auftraggeber gegenüber für seinen Nachunternehmer einstehen muss. Denn Bezugspartner ist im Rahmen der Vertragsanbahnung der Bieter, nicht sein Nachunternehmer.
Gleichsam folgt die Vergabekammer der Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19.05.2021 – Verg 13/21) dahingehend, dass ein Fehlen im Sinne des § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A nicht nur dann gegeben ist, wenn ein gefordertes Dokument in Gänze nicht eingereicht wird, sondern auch im Falle nicht vollständig vorgenommener (einzelner) Eintragungen. Hierbei stellt die Vergabekammer zutreffender Weise fest, dass nicht das gesamte Formblatt die abzugebende Erklärung darstellt, sondern das Formblatt aus einer Vielzahl einzutragender Einzelerklärungen besteht. Dies wird auch dadurch getragen, dass die Antragsgegnerin gerade auf ein vollständiges Ausfüllen des Formblattes besteht. Erfolgt nur eine unvollständige Angabe, ist die Preisbildung für den Auftraggeber nicht nachvollziehbar.
Hierbei differenziert die Vergabekammer auch richtigerweise zwischen der vorliegend auszufüllenden Tabelle und der Darlegung eines Fließtextes. In der durch die Antragstellerin vorgetragenen Entscheidung des OLG Düsseldorf (18.09.2019 – VII-Verg 10/19) handelte es sich nach zutreffender Ansicht der Vergabekammer nämlich um keine unvollständige, sondern eine vollständige, inhaltlich aber ggf. unzureichende Erklärung.
Für die Relevanz der einzelnen Information spricht die Nachvollziehbarkeit der Preisbildung. Überdies fehlten hier nicht nur wenige einzelne Angaben, sondern vielmehr der Großteil der Angaben. So wurden von den insgesamt 25 eingereichten Seiten etwa 20,5 Seiten nicht ausgefüllt. Das eingereichte Formular ist folglich auch insgesamt in weiten Teilen unvollständig. Insofern handelt es sich nicht nur um eine inhaltlich unzureichende Erklärung. Auf Grund dieses Umfangs kann auch von einem Fehlen im Sinne des § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A ausgegangen werden.
Überdies lehnt die Vergabekammer die Nachforderung der unterbliebenen Angaben ab. Schlüssig und dem OLG Düsseldorf (Beschluss vom 17.02.2016 – Verg 37/14) folgend, argumentiert die Vergabekammer, dass die Nachforderungsmöglichkeit nur in Bezug auf Unterlagen eröffnet ist, die mit dem Angebot einzureichen sind, stehen Bieterunternehmen im Rahmen der Angebotserstellung doch regelmäßig unter hohem Zeitdruck. Dieser Zeitdruck besteht bei der Anforderung von Erklärungen nach Angebotsabgabe hingegen nicht mehr. Dieser Rechtsgedanke ist auch Telos des Ausschlusses von Nachforderungen nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2016 – Verg 37/14).
Zutreffend lehnt die Vergabekammer eine Ergänzung des Formblattes nach § 15 EU Abs. 3 VOB/A ab. Denn die Vervollständigung des Formblattes geht tatsächlich deutlich über eine bloße Aufklärung wie sie die Norm gestattet hinaus. So ist die Norm als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Auflage 2020, § 15 EU VOB/A, Rn. 5).
Praxistipp
Die Entscheidung beleuchtet ein klassisches Problem bei heutigen Bauvergaben. Bieter haben geforderte Informationen , deren Anforderung sich der Auftraggeber explizit vorbehalten hat, vollständig und lückenlos nachzukommen. Fehlt etwas, gibt es keine zweite Chance; die Nachforderung ist in diesem Fall explizit verboten (§ 16a EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A). Dies liegt auch im Hinblick auf die Preisaufschlüsselung bei Nachunternehmern nicht anders. Gerade im Rahmen der schematischen Angabe in einer Tabelle, können die einzeln auszufüllenden Tabellenfelder für sich genommen Einzelerklärungen darstellen, deren Fehlen regelmäßig einen zwingenden Ausschluss nach § 16 EU Nr. 4 S. 1 VOB/A nach sich zieht.
Dass das hier in Rede stehende Formblatt 223 in der Praxis durchaus umstritten ist (weil als unverhältnismäßig erachtet) und bei Bauunternehmen äußerst unbeliebt (weil mit erheblichem Aufwand und Risiko verbunden), ändert daran nichts. Die Rechtslage ist eindeutig und ermöglicht es dem Auftraggeber bei entsprechendem Vorbehalt mittels des Formblatts 223 nachzufassen, wenn die Preisabweichungen beim Gesamtpreis bzw. bei diversen Einheitspreispositionen dies gebieten. Eine andersgeartete dann vergaberechtswidrige Verwaltungspraxis kann dem nicht entgegenstehen und zwar unabhängig davon, dass sich die VK Bund damit am Ende ihres Beschlusses durchaus intensiv auseinandersetzt.