Die öffentliche Hand als Anbieter: (Keine) Anwendung des Vergaberechts?!
Ein vergaberechtlicher Sachverhalt liegt typischerweise dann vor, wenn die öffentliche Hand bestimmte Leistungen (z.B. den Bau einer Schule, die Glas- und Unterhaltsreinigung eines Gebäudes oder die Lieferung von IT) nachfragt. Sind die entsprechenden Voraussetzungen gegeben, hat der Auftraggeber die vergaberechtlichen Vorschriften zu beachten.
Wie in einer aktuellen Gerichtsentscheidung (OLG Rostock, B. v. 21.11.2023 – AZ.: 17 Verg 3/23 mit Besprechung von Pustal, Vergabeblog vom 08.04.2024, Nr. 56190) erst jüngst aufgezeigt wurde, sind auch Konstellationen denkbar, in denen die öffentliche Hand ihrerseits Leistungen anbietet. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man geneigt sein, das Vergaberecht für diesen Fall als nicht anwendbar zu erachten (insbesondere mit Blick auf die in § 107 Abs. 1 GWB normierten Bereichsausnahmen). Wie so oft im Recht kommt es jedoch auf den Einzelfall an. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der vergaberechtlichen Bewertung derartiger Konstellationen sowie den potenziellen „Fallstricken“ für die am Vergabeverfahren Beteiligten.
Die öffentliche Hand kann sich zulässigerweise erwerbswirtschaftlich betätigen, wobei ihr rechtliche Grenzen gesetzt sind, die zunächst kurz skizziert werden (siehe I.). Anschließend erfolgt eine vergaberechtliche Einordnung vor dem Hintergrund des zentralen Begriffs der Beschaffung. Öffentliche Auftraggeber können sich nicht nur als Anbieter bei Rechtsgeschäften beteiligen oder Privatisierungen vornehmen, sondern auch als Teilnehmer im Rahmen von Vergabeverfahren auftreten (dazu II.). In diesem Zusammenhang stellt sich die relevante Frage, vor welchen Instanzen betroffene Bieterunternehmen Rechtsschutz suchen können, da nicht ausnahmslos der Rechtsweg zu den Vergabekammern und -senaten einschlägig ist (dazu III.). Abschließend werden zusammenfassende Hinweise für die Vergabepraxis gegeben (siehe IV.).
I. Zulässigkeit und Grenzen einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand
Grundsätzlich kann sich auch die öffentliche Hand erwerbswirtschaftlich betätigen. Die Vorschrift des § 185 Abs. 1 Satz 1 GWB stellt dies deklaratorisch klar, indem sie die öffentliche Hand (Bund, Länder, Kommunen, öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts) als Unternehmer im Sinne des gesamten GWB qualifiziert, soweit sie sich am Wirtschaftsleben als Anbieter oder Nachfrager beteiligt (siehe nur BGH, U. v. 26.10.1961 – AZ.: KZR 1/61 „Gummistrümpfe“, Rn. 21, juris). Die Vorschrift erfasst auch privatrechtliche Gesellschaften, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen (Bechtold/Bosch, in: GWB, 10. Auflage 2021, § 185 Rn. 4).
Maßgeblich ist, ob die betreffende Tätigkeit der öffentlichen Hand öffentlich-rechtlich geprägt ist, öffentliche Zwecke verfolgt oder durch Wettbewerbsvorteile der öffentlichen Hand der Leistungswettbewerb ernsthaft gefährdet wird. Die Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung finden sich in erster Linie in den einschlägigen Bestimmungen des öffentlichen Rechts, etwa in den Gemeindeordnungen (Reichling, in: Gabriel/Krohn/Neun [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 2 Rn. 11). Zur Teilnahme eines öffentlichen Unternehmens an einem Vergabeverfahren und den Besonderheiten, siehe II.1.b.cc.
Außerdem ist das Lauterkeitsrecht zu beachten: Zwar ist es nicht als wettbewerbswidrig anzusehen, wenn die öffentliche Hand für ihre Tätigkeit Mittel einsetzt, die ihr aus Steuern oder Abgaben zufließen (BGH, U. v. 26.09.2002 – AZ.: I ZR 293/99 „Altautoverwertung“, Rn. 28, juris). Allerdings sind sachlich berechtigte Interessen privater Wettbewerber zu berücksichtigen. So hat der BGH im Zusammenhang mit der kostenlosen Bereitstellung von Abrechnungs-Software für Zahnärzte durch die Kassenärztliche Vereinigung ausgeführt, dass es der öffentlichen Hand verwehrt sei, über das sachlich Gebotene und verfassungsrechtlich Zulässige hinaus, in den Bereich der privaten beruflichen Betätigung Dritter zu deren Nachteil einzugreifen. Eine Wettbewerbshandlung der öffentlichen Hand könne gemäß § 1 UWG zu beanstanden sein, wenn sie zu einer Gefährdung des Wettbewerbsbestandes führe und über das Maß sachlich gebotenen Verwaltungshandelns hinausgehe (BGH, U. v. 08.07.1993 – AZ.: I ZR 174/91, Rn. 31, juris; U. v. 18.12.1981 – AZ.: I ZR 34/80 „Brillen-Selbstabgabestellen“, Rn. 32, juris).
II. Vergaberechtliche Einordnung
1. Der zentrale Begriff der „Beschaffung“ im Rahmen des § 103 GWB
Gemäß § 103 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Liegt kein solcher Auftrag vor bzw. fehlt es an einem Beschaffungsbezug, ist das Vergaberecht nicht anwendbar.
Das Merkmal der Beschaffung ist daher das zentrale Element im Vergaberecht, insbesondere nach dem GWB-Vergaberegime. Im Anwendungsbereich des Vergaberechts werden Leistungen vom öffentlichen Auftraggeber beschafft. Dieser tritt dabei im Wesentlichen als Nachfrager auf, der öffentliche Aufträge an Unternehmen erteilt (vgl. EuGH, U. v. 13.12.2007 – Rs. C-337/06 „Rundfunkanstalten“, Rn. 38; U. v. 13.06.2013 – Rs. C-386/11 „Piepenbrock“, Rn. 29). Allerdings ist das Vergaberecht auch in Konstellationen anzuwenden, in denen der öffentliche Auftraggeber selbst zwar als Anbieter von Leistungen auftritt, jedoch ein Beschaffungsbezug besteht.
a) Regelfall: Öffentliche Auftraggeber als Nachfrager
Notwendige Voraussetzung für eine Beschaffung ist der sog. Beschaffungszweck (siehe nur Ziekow, in: Ziekow/Völlink [Hrsg.], Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 103 GWB Rn. 46).
Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es dabei nicht darauf an, ob der öffentliche Auftraggeber mit dem Vertrag eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllt oder sich diese lediglich auf die wirtschaftliche Betätigung des Auftraggebers richtet (EuGH, U. v. 15.07.2010 – Rs. C-271/08 „Kommission ./. Deutschland“, Rn. 73; U. v. 15.01.1998 – Rs. C-44/96 „Mannesmann“, Rn. 32 f.). Der Gerichtshof betont, es gehe vielmehr darum, dass der öffentliche Auftraggeber eine Leistung erhalte, die in seinem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse liege (EuGH, U. v. 25.03.2010 – Rs. C-451/08 „Helmut Müller“, Rn. 49; U. v. 15.07.2010 – Rs. C-271/08 „Kommission ./. Deutschland“, Rn. 75; U. v. 21.12.2016 – Rs. C-51/15 „Remondis“, Rn. 43). Das wirtschaftliche Interesse ist grundsätzlich in den folgenden Fällen zu bejahen:
- Der öffentliche Auftraggeber wird Eigentümer der Leistung (EuGH, U. v. 25.03.2010 – Rs. C-451/08 „Helmut Müller“, Rn. 50: Eigentümer der Bauleistung oder des Bauwerks).
- Der öffentliche Auftraggeber soll über einen Rechtstitel verfügen, durch den er die Verfügungsbefugnis im Hinblick auf die öffentliche Zweckbestimmung der Leistung erhält (EuGH, U. v. 12.07.2001 – Rs. C-399/98 „Ordine degli Architetti u.a.“, Rn. 67 f.).
- Der öffentliche Auftraggeber erhält wirtschaftliche Vorteile, die in der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Beschaffungsgegenstands, der finanziellen Beteiligung (z.B. an der Erstellung eines Bauwerks) oder ist wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt, die er im Falle eines Fehlschlags zu tragen hat (vgl. EuGH, U. v. 18.01.2007 – Rs. C-220/05 „Stadt Roanne“, Rn. 45).
- Der öffentliche Auftraggeber erfüllt mit dem Vertrag bestehende Verpflichtungen gegenüber Dritten (etwa hinsichtlich der betrieblichen Altersvorsorge kommunaler Mitarbeiter, siehe dazu EuGH, U. v. 15.07.2010 – Rs. C-271/08 „Kommission ./. Deutschland“, Rn. 75 ff.; weitergehend OLG München, B. v. 25.03.2011 – AZ.: Verg 4/11, Rn. 40, juris, wonach eine Beschaffung auch vorliege, wenn der öffentliche Auftraggeber mit den Leistungen [hier: Breitbandausbau] die ihm obliegende Pflicht zur Daseinsvorsorge gegenüber der Allgemeinheit erfülle).
Im Wesentlichen muss die Leistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar zugutekommen. In der Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist umstritten, ob auch eine mittelbare Unterstützung, insbesondere im Rahmen der Erfüllung von Leistungen der Daseinsvorsorge, ausreicht, um eine Beschaffung anzunehmen (bejahend: OLG München, B. v. 25.03.2011 – AZ.: Verg 4/11, „Breitbandausbau“, Rn. 40, juris; B. v. 22.01.2012 – AZ.: Verg 17/11 „Bierliefervertrag“, Rn. 32 ff., juris [Vorliegen von Leistungen der Daseinsvorsorge im konkreten Fall allerdings verneint]; Fandrey, in: Gabriel/Krohn/Neun [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 4 Rn. 36; ablehnend: Stein, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein [Hrsg.], BeckOK Vergaberecht, 31. Edition Stand: 01.02.2023, § 103 GWB Rn. 43 ff.; Ziekow, in: Ziekow/Völlink [Hrsg.], Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 103 GWB Rn. 49; siehe auch EuGH, a.a.O. „Helmut Müller“, Rn. 49 ff.).
b) Öffentliche Auftraggeber als Anbieter von Leistungen
Neben dem oben dargestellten Regelfall können öffentliche Auftraggeber auch als Anbieter auf dem Markt auftreten. Hier ist zu differenzieren, ob sich der öffentliche Auftraggeber an Rechtsgeschäften beteiligt oder Privatisierungen vornimmt (und ob dann das Vergaberecht anzuwenden wäre) oder ob er gar selbst an Vergabeverfahren – wohlgemerkt als Bewerber oder Bieter – teilnehmen darf.
aa. Öffentliche Auftraggeber als Anbieter von Leistungen im Rahmen von Rechtsgeschäften
Grundsätzlich sind Veräußerungsgeschäfte des öffentlichen Auftraggebers vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgeschlossen. Darunter fallen etwa Grundstücksverkäufe, Nutzungsüberlassungen (z.B. Miete oder Verpachtung) oder die Veräußerung von Unternehmens- oder Gesellschaftsanteilen. Außerdem ist das Vergaberecht grundsätzlich nicht anzuwenden, wenn der öffentliche Auftraggeber seinem Vertragspartner Rechte an Grundstücken einräumt, z.B. ein Erbbaurecht (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker [Hrsg.], Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 103 GWB Rn. 28 m.w.N.) oder ein Sondernutzungsrecht im öffentlichen Straßenraum für die Vermietung von E-Scootern (OVG Bremen, B. v. 27.10.2023 – AZ.: 1 B 146/23).
Allerdings kann es sich um einen vergabepflichtigen Vorgang handeln, wenn der Vertragspartner weitergehende Verpflichtungen übernimmt oder es einen anderweitigen Beschaffungsbezug gibt. In diesem Fall dient das Veräußerungsgeschäft als Mittel zur Beschaffung einer Leistung. Paradebeispiel aus der Rechtsprechung ist der Verkauf von Altpapier durch eine Kommune an ein Entsorgungsunternehmen, zu dem die (eigentlich der Kommune obliegende) Pflicht zur Altpapierverwertung dem „Käufer“ übertragen wurde. Der BGH (B. v. 01.02.2005 – AZ.: X ZB 27/04, Rn. 30, juris) stufte den Vertrag als öffentlichen Auftrag ein, da der Verkauf lediglich das „rechtliche Gewand“ dargestellt habe (siehe außerdem OLG Karlsruhe, B. v. 16.11.2016 – AZ.: 15 Verg 5/16, Rn. 68 ff., juris: Veräußerung und gleichzeitige Verpflichtung des „Käufers“ zur Verwertung von Kies).
Zu den einzelnen Fallgruppen:
Veräußerung von im Eigentum der öffentlichen Hand befindlichen Grundstücken:
Grundsätzlich ist die bloße Veräußerung von Grundstücken, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, nicht als öffentlicher Auftrag i.S.d. § 103 Abs. 1 GWB zu qualifizieren. Das zeigt sich bereits daran, dass in der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB der reine Verkauf (aber auch die reine Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken) durch einen öffentlichen Auftraggeber bewusst nicht genannt wird (Antweiler, in: Ziekow/Völlink [Hrsg.], Vergaberecht, 5. Auflage 2024, § 107 GWB Rn. 31 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, B. v. 04.03.2009 – AZ.: VII-Verg 67/08, Rn. 60, juris; OLG Schleswig, B. v. 15.03.2013 – AZ.: 1 Verg 4/12, Rn. 61, juris).
Allerdings kann es sich bei einem (reinen) Grundstücksverkauf durch die öffentliche Hand an ein Unternehmen mit einem Kaufpreis unter dem Marktwert um eine staatliche Beihilfe nach Art. 107 AEUV handeln (vgl. dazu EuG, U. v. 16.09.2004 – Rs. T-274/01 „Valmont“, Rn. 45; U. v. 06.03.2002 – Rs. T-127/99, T-129/99, T-148/99 „Territorio Histórico de Álava“, Rn. 73; siehe auch BGH, U. v. 22.02.2008 – AZ.: V ZR 56/07 „Bieterverfahren“, Rn. 9 f.). In einem solchen Fall ist neben einer Wertermittlung durch einen unabhängigen Sachverständigen auch ein transparentes, diskriminierungsfreies und bedingungsfreies Ausschreibungsverfahren durchzuführen (siehe die Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV, Abl. EU 2016/C 262/01).
Handelt sich um keine reine Grundstücksveräußerung, sondern enthält der Vertrag zusätzliche Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen, kann es sich um einen öffentlichen Auftrag handeln. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Leistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und ein Zusammenhang zwischen der Veräußerung und der Verpflichtung besteht (EuGH, a.a.O. „Helmut Müller“, Rn. 48 ff.; Dreher, in: Immenga/Mestmäcker [Hrsg.], Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 103 GWB Rn. 31 m.w.N.). Die frühere „Ahlhorn-Rechtsprechung“ des OLG Düsseldorf (B. v. 13.06.2007 – AZ.: VII-Verg 2/07), wonach das allgemeine Interesse der öffentlichen Hand an der städtebaulichen Entwicklung oder Wirtschaftsförderung ausreiche, um einen Beschaffungszweck zu bejahen, wurde durch den EuGH in der Rechtssache „Helmut Müller“ aufgehoben.
Eine Vergabepflicht liegt in Anlehnung an den Erwägungsgrund 8 der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU allerdings nicht vor, wenn die Leistungsverpflichtung gegenüber dem Grundstückskauf eine vollkommen untergeordnete Rolle spielt (BGH, B. v. 01.02.2005 – AZ.: X ZB 27/04 „Altpapierverkauf“, Rn. 28, juris).
Sog. Sale-and-lease-back-Geschäfte (Rückmietverkauf – der öffentliche Auftraggeber veräußert ein bebautes Grundstück und mietet es vom Käufer zurück) sind im Grundsatz gemäß § 107 Abs. 1 Nr. 2 GWB ebenfalls vergabefrei, es sei denn, es besteht eine zusätzliche Leistungsverpflichtung (Bau oder Betrieb) für den Käufer.
Zur Veräußerung von kommunalen Grundstücken siehe außerdem Schneider, in Vergabeblog vom 11.03.2021, Nr. 46518.
Vermietung/Verpachtung von im Eigentum der öffentlichen Hand befindlichen Grundstücken:
Hinsichtlich der Vermietung bzw. Verpachtung von Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand lassen sich die o.g. Ausführungen zur Grundstücksveräußerung im Wesentlichen übertragen.
Grundsätzlich sind Pachtverträge vergabefrei. Auch wenn der öffentliche Auftraggeber als Verpächter eine entgeltliche Gegenleistung in Form der Pacht erhält, ist das für sich genommen nicht als vergaberechtlich relevanter Beschaffungsvorgang zu qualifizieren (KG, U. v. 22.01.2015 – AZ.: 2 U 14/14 Kart „Waldbühne“, Rn. 22 f., juris, wonach das Gericht im entschiedenen Fall eine Dienstleistungskonzession verneinte; ferner OLG Bremen, B. v. 13.03.2008 – AZ.: Verg 5/07 „Errichtung Windkraftanlage“, Rn. 23, juris). Ein öffentlicher Auftrag liegt jedoch vor, wenn es daneben eine einklagbare Verpflichtung des Pächters gibt, dem öffentlichen Auftraggeber bestimmte Leistungen zu erbringen (OLG Koblenz, B. v. 10.07.2018 – AZ.: Verg 1/18 „Fischereipachtvertrag“, Rn. 36, juris: Hegepflicht des Pächters, Ausstellung von Angelkarten etc.; BayObLG, B. v. 27.02.2003 – AZ.: Verg 1/03, Rn. 15 ff., juris: Grundstücksverpachtung gegen Pflicht zur Abfallüberlassung).
Nichts anderes gilt für Mietverträge, wobei es auf die konkrete Bezeichnung des Vertrags durch die Parteien nicht ankommt, sondern auf den Hauptvertragsgegenstand abzustellen ist (EuGH, U. v. 10.07.2014 – Rs. C-213/13 „Pizzarotti“, Rn. 41 ff.: Errichtung eines Bauwerks mit der Verpflichtung zur Vermietung ist öffentlicher Auftrag; ferner EuGH, U. v. 29.10.2009 – Rs. C-536/07 „Köln/Messe“, Rn. 57 ff.).
Veräußerung von Unternehmens- und Gesellschaftsanteilen:
Die Veräußerung von Unternehmens- und Gesellschaftsanteilen ist grundsätzlich vergaberechtsfrei, wobei dennoch primärrechtliche Vorgaben (u.a. Grundfreiheiten) und das Beihilferecht zu beachten sind (vgl. hierzu Prieß/Gabriel, in: NZBau 2007, 617).
Allerdings ist das Vergaberecht anzuwenden, wenn mit dem Veräußerungsgeschäft ein zusätzlicher Beschaffungsvorgang verbunden ist (Stein, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein [Hrsg.], BeckOK Vergaberecht, 31. Edition Stand: 01.02.2023, § 103 GWB Rn. 54; vgl. auch VK Düsseldorf, B. v. 07.07.2000 – AZ.: VK-12/2000-L, Rn. 66, juris, zur anteiligen Veräußerung von Geschäftsanteilen einer städtischen Eigengesellschaft an ein privates Unternehmen). Das gilt insbesondere, wenn eingekapselte Beschaffungsverhältnisse von einem privaten Käufer erworben werden (Hüttinger, in: Burgi/Dreher/Opitz [Hrsg.], Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 103 Abs. 1 Rn. 138) Ein ausschreibungspflichtiger öffentlicher Auftrag kann ferner auch bei der Neugründung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens vorliegen, mit dem ausschreibungspflichtige Beschaffungsbeziehungen aufgenommen werden sollen (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker [Hrsg.], Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 103 GWB Rn. 71). Allerdings hat der EuGH in der Rechtssache „Acoset“ die Beauftragung eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens für ausschreibungsfrei erklärt, wenn die Leistungserbringung alleiniger Zweck der Gesellschaft und der private Gesellschafter in einem Vergabeverfahren ausgewählt worden sei (EuGH, U. v. 15.10.2009 – Rs. C-196/08 „Acoset“, Rn. 63).
Abhängig vom Einzelfall kann eine wesentliche Änderung im Sinne des § 132 GWB vorliegen, die eine Neuausschreibung erforderlich machen würde (vgl. EuGH, U. v. 19.06.2008 – Rs. C-454/06 „pressetext“, Rn. 47 ff.).
bb. Organisationsmaßnahmen der öffentlichen Auftraggeber, insbesondere Privatisierungen
Bei Organisationsmaßnahmen des öffentlichen Auftraggebers kommen insbesondere Privatisierungen in Betracht. Das GWB-Vergaberecht erfasst allerdings nur Privatisierungen durch Verträge.
Gründet etwa die öffentliche Hand z.B. eine Eigengesellschaft, so ist diese sog. formelle Privatisierung als grundsätzlich vergaberechtsfrei anzusehen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die neugegründete Gesellschaft ihrerseits ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB sein kann und entsprechende Beschaffungen öffentliche Aufträge darstellen können. Jedoch können diese Aufträge ihrerseits ggf. auch als ausnahmsweise vergaberechtsfreie Inhouse-Vergabe gemäß § 108 GWB anzusehen sein (vgl. dazu Dreher, in: Immenga/Mestmäcker [Hrsg.], Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 103 GWB Rn. 75).
Zur sog. materielle Privatisierung durch Unternehmens- oder Anteilskauf siehe bereits die Ausführungen oben unter II.1.b.aa.
Schließlich ist die sog. funktionale Privatisierung in Form von „Public Private Partnerships“ (PPP) resp. „Öffentliche-Private-Partnerschaft“ (ÖPP) zu nennen. Darunter ist die vollständige oder teilweise Übertragung von Aufgaben auf Private zu verstehen, wobei die Aufgabenverantwortung in der Hand der öffentlichen Hand verbleibt. Wird der Private mit der Planung, Finanzierung, Erstellung oder dem Betrieb öffentlicher Infrastruktur beauftragt, kann ein Bauauftrag vorliegen (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker [Hrsg.], Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 103 GWB Rn. 75). Enthält ein ÖPP-Vertrag auch Dienstleistungen oberhalb des maßgeblichen EU-Schwellenwerts, kommt ein ausschreibungspflichtiger öffentlicher (Dienstleistungs-)Auftrag in Betracht (OLG Düsseldorf, B. v. 09.01.2013 – AZ.: VII-Verg 26/12 „ÖPP, interkommunale Netzgesellschaft“, Rn. 47 ff., juris).
cc. Öffentliche Auftraggeber als Teilnehmer in Vergabeverfahren
Die maßgebliche EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU lässt in Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 zu, dass öffentliche Auftraggeber auch als „Wirtschaftsteilnehmer“, d.h. als „Unternehmen“, auftreten können. Nach diesem weiten Unternehmensbegriff (bei dem es auf eine Gewinnerzielungsabsicht oder unternehmerische Struktur nicht ankommt) dürfen sogar öffentliche Auftraggeber als Bieter an Vergabeverfahren teilnehmen, wenn dies nach dem jeweiligen nationalen Recht zulässig ist (EuGH, U. v. 06.10.2015 – Rs. C-203/14 „Consorci Sanitari del Maresme“, Rn. 32 ff.; OLG Düsseldorf, B. v. 07.08.2015 – AZ.: VII-Verg 14/13 „Mietvertrag für Polizeiwache”, Rn. 40, juris, dazu auch Soudry, in Vergabeblog vom 06.01.2014, Nr. 17852).
Die wirtschaftliche Betätigung für Kommunen oder kommunale Unternehmen wird allerdings durch das Gemeindewirtschaftsrecht (Kommunalverfassungen, Gemeindeordnungen) beschränkt, wobei Verstöße dagegen nicht im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden können (BGH, U. v. 25.04.2002 – AZ.: I ZR 250/00 „Elektroarbeiten“, Rn. 26, juris: Nur Verstöße gegen das Marktverhalten gehören vor die ordentlichen Gerichte, nicht dagegen die Frage des Marktzutritts; ferner Braun, in: Gabriel/Krohn/Neun [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 15 Rn. 17; allerdings OLG Düsseldorf, B. v. 07.08.2013 – AZ.: VII-Verg 14/13, Rn. 44, juris, mit Verweis auf OVG Münster, B. v. 01.04.2008 – AZ.: 15 B 122/08, Rn. 15, juris: Prüfungskompetenz einer VK bzw. des Vergabesenats zur Gemeindeordnung bei „offenkundigen Rechtsverstößen“).
Wie in § 185 GWB klargestellt, stehen einem öffentlichen Unternehmen die gleichen Rechte und Pflichten wie einem privaten Unternehmen zu. Das gilt vor allem für den vergaberechtlichen Rechtsschutz, z.B. hat ein öffentliches Unternehmen die Rügeobliegenheit ebenfalls zu beachten (Reichling, in: Gabriel/Krohn/Neun [Hrsg.], Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage 2021, § 2 Rn. 13).
2. Gemischte Aufträge im Sinne des § 111 GWB
Sind im Rahmen eines Gesamtauftrags sowohl Nachfrageleistungen als auch Anbieterleistungen der öffentlichen Hand enthalten, sind die Vorgaben des § 111 Abs. 3 u. 4 GWB maßgeblich. Entscheidend ist, ob die Auftragsteile objektiv trennbar sind oder nicht. Maßgeblich ist, ob die Auftragsteile selbständig bestehen können oder durch ihren Zusammenhang als untrennbares Ganzes anzusehen sind (vgl. VK Sachsen, B. v. 12.04.2017 – AZ.: 1/SVK/003-17 „Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung“, Rn. 123, juris, mit Verweis auf EuGH, U. v. 29.10.2009 – Rs. C-536/07 „Köln/Messe“, Rn. 28). Eine objektive Untrennbarkeit liegt insbesondere vor, wenn die Auftragsvergabe aufgrund der Natur des Ausschreibungsgegenstands nur an einen einzigen Auftragnehmer erfolgen kann (VK Sachsen, a.a.O., Rn. 123 mit Verweis auf EuGH, U. v. 06.05.2010 – Rs. C-145/08 u. C-149/08 „Club Hotel“, Rn. 53 f.).
- Ist der Auftrag objektiv trennbar, richtet sich das anwendbare Vergaberechtsregime nach § 111 Abs. 3 GWB. Die Vorschrift des § 111 Abs. 3 Nr. 5 GWB erfasst die Konstellation, dass ein Teil des Auftrags dem Anwendungsbereich des GWB-Vergaberegimes unterfällt, ein anderer Teil jedoch nicht. In diesem Fall richtet sich die Vergabe des Gesamtauftrags insgesamt nach dem GWB-Vergaberegime. Auf den Wert des Auftragsteils, der nicht ausschreibungspflichtig ist, kommt es nicht an (vgl. BT-Drs. 18/6281, Seite 85).
- Ist der Auftrag hingegen objektiv untrennbar, ist § 111 Abs. 4 GWB maßgeblich. Gemäß § 111 Abs. 4 Nr. 1 GWB kommt es auf den Hauptgegenstand des Gesamtauftrags an (ferner VK Bund, B. v. 17.12.2019 – AZ.: VK 2-88/19 „Mietvertrag“, Rn. 113, juris). Das gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Gesamtaufträge, die aus ausschreibungspflichtigen und nicht ausschreibungspflichtigen Leistungen bestehen (EuGH, U. v. 06.05.2010 – Rs. C-145/08 u. C-149/08 „Club Hotel“, Rn. 49). Im Ergebnis kann also unter Umständen – im Gegensatz zur Konstellation in § 111 Abs. 3 Nr. 5 GWB – ein ausschreibungspflichtiger Teil dem GWB-Vergaberegime entzogen werden.
III. Zulässiger Rechtsweg
Welcher Rechtsweg im jeweiligen Fall einschlägig ist, hängt davon ab, ob das streitige Rechtsverhältnis dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Maßgeblich ist die Rechtsform staatlichen Handelns (BVerwG, B. v. 02.05.2007 – AZ.: 6 B 10/07 „Straßenbeleuchtung und Verkehrssignalanlagen unterhalb der EU-Schwellenwerte“, Rn. 8, juris). Die betreffende Streitigkeit ist privatrechtlicher Natur, wenn der Staat privatrechtlich handelt und der Vertrag in den Formen des Privatrechts vergeben wird. Umgekehrt ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn der Vertrag in den Formen des öffentlichen Rechts vergeben wird (BGH, B. v. 23.01.2012 – AZ.: X ZB 5/11 „Rettungsdienstleistungen III“, Rn. 20, juris). Nach der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (B. v. 10.04.1986 – AZ.: GmS-OGB 1/85 „Belieferung von Versicherten mit Heil- und Hilfsmitteln“, Rn. 11) bestimmt sich die Rechtsnatur des Vertrags danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Ferner ist – insbesondere bei Mischformen – zu berücksichtigen, ob der Vertrag nach seinem Schwerpunkt eher öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet ist und welcher Teil das entscheidende Gepräge gibt (BGH, U. v. 12.11.1991 – AZ.: KZR 22/90 „Pflegesatzvereinbarung II“, Rn. 9; vgl. auch Vogt-Beheim, in: Anders/Gehle [Hrsg.], ZPO, 82. Auflage 2024, § 13 GVG Rn. 15 ff.). Für den Rechtsweg ist es allerdings unerheblich, dass die öffentliche Hand im Vergabeverfahren öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt, die für Privatpersonen nicht in entsprechender Weise gelten (BVerwG, a.a.O., Rn. 9, juris).
Erweist sich der zunächst beschrittene Rechtsweg als unzulässig, kommt eine Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs in Betracht, § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Die Vorschrift gilt gemäß § 2 EGGVG unmittelbar für das Verfahren der ordentlichen Gerichte und auch im Eilverfahren (Vogt-Beheim, in: Anders/Gehle [Hrsg.], ZPO, 82. Auflage 2024, § 17a GVG Rn. 4). Wurde zunächst der vergaberechtliche Rechtsweg beschritten, ist eine Verweisung nur durch den Vergabesenat gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG in entsprechender Anwendung möglich. Eine Vergabekammer ist hingegen nicht befugt, den Rechtsstreit zu verweisen (BGH, B. v. 10.12.2019 – AZ.: XIII ZB 119/19 „Grippeschutzimpfung“, Rn. 15, juris). Hintergrund ist, dass die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur auf „Gerichte“ anzuwenden ist. Eine Vergabekammer ist demgegenüber nur eine „gerichtsähnliche Einrichtung“ (BT-Drs. 13/9340, Seite 20). Den Mitgliedern der Vergabekammern fehlt die organisatorische und persönliche Unabhängigkeit (OLG Schleswig, B. v. 19.07.2023 – AZ.: 54 Verg 3/23 „Schülerbeförderung“, Rn. 72, juris; Horn/Hofmann, in: Burgi/Dreher/Opitz [Hrsg.], Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 157 Rn. 11-24 m.w.N.).
Aus Gründen der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes ist eine Verweisung durch den Vergabesenat allerdings nur dann erforderlich, wenn der Rechtsuchende sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann (BGH, B. v. 10.12.2019 – AZ.: XIII ZB 119/19 „Grippeschutzimpfung“, Rn. 17 f., juris; OLG Rostock, B. v. 21.11.2023 – AZ.: 17 Verg 3/23 „Camping“, Rn. 73, juris).
IV. Fazit und Praxistipp
Zusammenfassend lassen sich folgende Erkenntnisse festhalten:
1. Das Vergaberecht zeichnet sich dadurch aus, dass eine Beschaffung vorliegen muss. Die öffentliche Hand tritt im Regelfall als Nachfragerin auf, die öffentliche Aufträge an Unternehmen erteilt.
Bietet der öffentliche Auftraggeber allerdings selbst Leistungen an, können diese vergabefrei sein, etwa
-
- die bloße Veräußerung von Grundstücken, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden,
- die Vermietung bzw. Verpachtung von Grundstücken im Eigentum der öffentlichen Hand sowie
- die Veräußerung von Unternehmens- und Gesellschaftsanteilen.
Allerdings kann es sich um einen vergaberechtsrelevanten Vorgang handeln, wenn der Vertragspartner weitergehende (nicht untergeordnete) Verpflichtungen übernimmt oder es einen anderweitigen Beschaffungsbezug gibt.
2. Die Auswahl eines Angebots und somit eines Auftragnehmers ist ein zentrales Element, das mit dem Begriff des „öffentlichen Auftrags“ untrennbar verbunden ist.
Von einem wettbewerblichen Vergabeverfahren sind Konstellationen abzugrenzen, in denen ein sogenanntes einfaches Zulassungssystem vorliegt. Das ist z.B. der Fall bei Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 90 ff. SGB IX. Danach werden Vereinbarungen zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und den Leistungserbringern gemäß § 123 SGB IX nicht mit dem günstigsten Anbieter abgeschlossen. Vielmehr sind die Vereinbarungen mit allen gleich geeigneten Leistungserbringern zu schließen, deren Vergütungshöhe nicht höher oder sogar geringer ist als die anderer gleich geeigneter Leistungserbringer. Das Vergaberecht findet keine Anwendung (BSG, U. v. 17.05.2023 – AZ.: B 8 SO 12/22 R; vgl. ferner LSG Nordrhein-Westfalen, B. v. 26.01.2022 – AZ.: L 9 SO 12/22 B ER, Rn. 17 ff., juris, zum Einsatz von Integrationshelfern an Schulen für Kinder mit Behinderung).
Als weitere Fallgruppe sind die Open-House-Verträge zu nennen, bei denen es sich ebenfalls nicht um öffentliche Aufträge handelt (EuGH, U. v. 02.06.2016 – Rs. C-410/14 „Falk Pharma“, Rn. 42).
3. Die öffentliche Hand kann sogar als Bewerber oder Bieter an Vergabeverfahren teilnehmen, wenn dies nach dem jeweiligen nationalen Recht zulässig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen und kommunalen Unternehmen durch das Gemeindewirtschaftsrecht beschränkt sein kann. Ein öffentliches Unternehmen unterliegt denselben Rechten und Pflichten wie ein privates Unternehmen.
4. Sind im Rahmen eines Gesamtauftrags sowohl Nachfrageleistungen als auch Anbieterleistungen der öffentlichen Hand enthalten, sind die Vorgaben des § 111 Abs. 3 u. 4 GWB maßgeblich. Entscheidend ist, ob die Auftragsteile objektiv trennbar sind oder nicht. Maßgeblich ist, ob die Auftragsteile selbständig bestehen können oder durch ihren Zusammenhang als untrennbares Ganzes anzusehen sind. Ist der Auftrag objektiv trennbar, richtet sich das anwendbare Vergaberechtsregime nach § 111 Abs. 3 GWB. Ist der Auftrag hingegen objektiv untrennbar, ist § 111 Abs. 4 GWB maßgeblich.
5. Besteht über einen Vertrag Streit, richtet sich der Rechtsweg im jeweiligen Fall nach dem streitigen Rechtsverhältnis. Maßgeblich ist hierbei die Rechtsnatur des Vertrags, d.h., ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist.