7. IT-Vergabetag des Deutsches Vergabenetzwerk (DVNW) – Ein Rückblick
Zum traditionellen IT-Vergabetag des Deutsches Vergabenetzwerk (DVNW) fanden sich am 5. Juni rund 200 Personen in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Herzen Berlins zusammen. In diesem Jahr stand dabei neben dem „Wie?“ des Beschaffungsvorgangs auch das „Wozu?“ im Fokus. Ein Rückblick:
Bereits am Vorabend des Kongresses lud das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) die Teilnehmer und Referenten des IT-Vergabetages zum „Vergabesalon“ in das Kellergewölbe des Restaurants Habel am Reichstag ein. Neben der Möglichkeit zum ausgiebigen Netzwerken gaben dabei Georg Sebald, Leiter Customer Experience, Delos Cloud und Harald Joos, Sonderbeauftragter Cloud, Deutsche Rentenversicherung Bund, in ihren Impulsvorträgen erste Schlaglichter auf das aktuell viel diskutierte Thema Cloud für die öffentliche Verwaltung und Stoff für Gespräche am Abend.
Am nächsten Morgen eröffnete Rechtsanwalt, Gründer und Geschäftsführer des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) Marco Junk offiziell den IT-Vergabetag und betonte dabei den erweiterten fachlichen Ansatz dieses, inzwischen schon siebten, IT-Vergabetages: Zwar sei es nach wie vor richtig und wichtig, das „Brot-und-Butter-Geschäft“ der IT-Beschaffung nicht zu vernachlässigen, so Junk, angesichts der aktuellen Herausforderungen müssten aber auch die Möglichkeiten und Chancen der Verwaltungsdigitalisierung in den Fokus genommen werden. Diesem Auftrag wolle der heutige IT-Vergabetag nachkommen.
Den Einstieg dazu gaben sodann Inga Karrer, Referatsleitung Koordinierungsstelle E-Government, DIHK | Vorstandsmitglied, NEGZ Nationales E-Government Kompetenzzentrum e.V., und Moritz Ahlers, Referent in der Abteilung Recht und Compliance, FITKO (Föderale IT-Kooperation), mit ihrem gemeinsamen Vortrag zur „plattformbasierte öffentliche Verwaltung“. Die sich anschließende Podiumsdiskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Hermann Hill, der mit strengen Blick auf die Einhaltung der Zeit durch das dicht gepackte Tagungsprogramm führte, widmete sich den „Potentialen und Risiken künstlicher Intelligenz für die öffentliche Verwaltung“- es diskutierten dazu engagiert Johannes Ast, Projektleiter des Projekts „F13“ im Innovationslabor der Landesregierung Baden-Württemberg, Dr. Johann Bizer, Vorstandvorsitzender, Dataport AöR, Dr. Sarah Fischer, Project Managerin Digitalisierung und Gemeinwohl, Bertelsmann Stiftung, Dr. Benjamin Seibel, Direktor, CityLAB Berlin der Technologiestiftung Berlin, und Franziska Weindauer, Geschäftsführerin, TÜV AI.Lab.
Nach der sich anschließenden Kaffeepause übernahm Dr. Johann Bizer das Rednerpult und zeigte mit „Linux statt Windows!“ anschaulich auf, dass digitale Souveränität am Arbeitsplatz innerhalb der deutschen Verwaltung keine Utopie und bereits heute möglich ist. Harald Joos widmete sich sodann dem Thema Cloud-Broker für die Verwaltung und berichtete engagiert zu Erwartungshaltungen und Erfahrungen in und aus der Praxis. „Ich würde mich freuen, wenn weniger Menschen erklären, warum etwas nicht geht und stattdessen Wege aufzeigen, wie es geht.“, so Joos.
Natürlich kam auch das Vergaberecht nicht zu kurz: Moritz Ahlers öffnete die Tür für Inhouse-Vergaben, indem er mittels Auslegung des § 108 GWB „die vergaberechtsfreie Einbindung von Kommunen in das System der föderalen IT-Kooperation“ aufzeigte. „Das Grundgesetz eröffnet Bund und Ländern große Spielräume für die föderale IT-Kooperation, vergaberechtlich scheint sie jedoch ein Problem zu sein“, so Ahlers. „Wie lässt sich die Einbindung von ca. 11.000 Kommunen in das System der föderalen IT-Kooperation vor diesem Hintergrund vergaberechtlich begründen?“ – die Zuhörer konnten hierauf eine Antwort mitnehmen.
Nach der Mittagspause, die wie immer viel Gelegenheit zum Networken und schließen neuer Kontakte bot, wartete dann am frühen Nachmittag wartete eine weitere Premiere auf die Teilnehmenden: Erstmals auf dem IT-Vergabetag 2024 wurden sog. Marktforen ausgerichtet, die einen vertieften Blick auf aktuelle Technologien warfen. Eine niedrigschwellige Möglichkeit zum Austausch mit zwischen der nutzenden Praxis und den Lösungsanbietern, von Open Source über Cloud bis zu digitalen Zwillingen.
Als bekannt und bewährt sind die sich den Marktforen anschließenden Praxisworkshops zu bezeichnen. Von der Praxis für die Praxis standen die Themen im Vordergrund, die als das tägliche „Brot-und-Butter-Geschäft“ der IT-Beschaffung zusammengefasst werden können. In diesem Jahr hatten die Teilnehmenden die schwere Wahl zu treffen, welchen Workshop sie besuchen wollten. Zur Auswahl standen: „KI und Cloud – praxisnah und rechtssicher beschaffen“, ausgerichtet von SKW Schwarz. „KI-Vergabehub: Zielbild für Einsatz von KI im öffentlichen Einkauf?“, ausgerichtet von KPMG Law, „Praxisrelevante Rechtsfragen rund um IT-Vergaben“, ausgerichtet von FPS sowie „Vergabestellen im Wandel – personelle und organisatorische Erfolgsfaktoren für die IT-Beschaffung“.
Wieder vereint im großen Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stellte dann Andreas Recker-Lodde, Geschäftsführer des noch recht neuen und weiter im Aus- und Aufbau befindlichen Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) GmbH, dessen Rolle und Aufgaben vor und wie Behörden Unterstützung von ZenDiS auf ihrem Weg zu einer digital souveränen IT-Infrastruktur erhalten können. Dabei verwies er auf das brandaktuelle Positionspapier „Digitale Souveränität im Vergaberecht“, in dem ein Vorrang für solche Software in Beschaffungsvorhaben eingefordert wird, die die Anforderungen der Digitalen Souveränität erfüllt (siehe hierzu ).
Last but not least widmete sich Felix Zimmermann, Leiter der Arbeitsgruppe DGI5 „Öffentliches Beschaffungswesen; Digitalisierung öffentlicher Einkauf“ im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) dem „Krisenvergaberecht“, wobei man angesichts der aufeinanderfolgenden Krisen fast schon versucht ist, von einer Dauerkrise zu sprechen. Sneak Preview: Das Thema werden wir auf dem Deutschen Vergabetag im November vertiefen.
Der für die IT-Vergabepraxis wohl wichtigste Vortrag war aber der zum in Kürze erwarteten neuen EVB-IT Rahmenvertrag, so denn der IT-Planungsrat (Bund & Länder) dem zwischen öffentlicher Hand und IT-Wirtschaft abgestimmten Werk zustimmen. Entsprechend dieses „Geistes“ wurde er auch gemeinsam von Robert Thiele, Techniker Krankenkasse; Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe EVB-IT des IT-Planungsrates und Leiter der EVB-IT Verhandlungsdelegation, und Thomas Fischer, Rechtsanwalt bei ARNECKE SIBETH DABELSTEIN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB und rechtlicher Berater der Verhandlungsdelegation des Bitkom e.V., vorgestellt. Zum neuen EVB-IT Rahmenvertrag bieten die beiden auch ein Webinar in der DVNW-Akademie an.
Der neue EVB-IT Rahmenvertrag verdeutlicht, wie sinnstiftend und erfolgreich Öffentliche Hand und IT-Anbieterseite zusammenarbeiten können und liegt damit ganz auf der Linie des diesjährigen IT-Vergabetages. Denn, so der Untertitel der Tagung, „Was Deutschland voranbringt!“, das wird nur im Schulterschluss möglich sein. Mit diesem verbindenden Element verabschiedeten sodann Prof. Hill und Marco Junk die Teilnehmenden nach einem langen Konferenztag zurück in die Praxis. Eins aber ist klar: Das letzte Wort der IT-Beschaffung ist noch nicht gesprochen. Ein Follow-up erfolgt auf dem Deutschen-Vergabetag am 14./15.11. in Berlin! Zum Programm und zu einer Anmeldemöglichkeit gelangen Sie hier.