Rückblick: Unsere Tagung „Die Kultur des Vergaberechts“ 2025

Ralph Brinkhaus auf KdVAm 14. März trafen sich rund 60 Expertinnen und Experten im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin auf der Tagung „Die Kultur des Vergaberechts“ des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW). Vor dem Hintergrund laufender Koalitionsverhandlungen diskutierten Teilnehmende aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft über die Bedeutung der öffentlichen Beschaffung für eine erfolgreiche Modernisierung des Landes  Im Fokus stand dabei weniger das Vergaberecht als eine moderne Verwaltungskultur, Vertrauen und mutige Führung.

Ein BVG-Streik, Regen, dichter Berufsverkehr – und doch: volles Haus im Haus der Bundespressekonferenz. Rund 60 Teilnehmende waren der Einladung zur Tagung „Die Kultur des Vergaberechts“ am 25. März 2025 gefolgt. Der Zeitpunkt war gut gewählt: Die Ergebnisse der Koalitionsarbeitsgruppen lagen erstmals am Vorabend vor – ein passender Moment, um über die Grundlagen staatlichen Handelns zu sprechen, die oft im Schatten der großen Debatten stehen: Vergabe, Beschaffung, Verwaltungskultur.

Politischer Auftakt: Beschaffung als Staatsaufgabe

Ralph Brinkhaus, Bundestagsabgeordneter und langjähriger Mitgestalter im Bereich Staatsmodernisierung und öffentliche Beschaffung, betonte in seinem politischen Impuls: Das Thema Vergabe ist kein Nischenthema mehr. Im Gegenteil – mit dem beschlossenen Sondervermögen und einem jährlichen Beschaffungsvolumen von rund 350 Milliarden Euro komme der Vergabepraxis enorme Bedeutung zu.

Brinkhaus

Bereits geringe Effizienzgewinne könnten große Summen freisetzen. Entscheidend sei jedoch, wie Beschaffung konkret gestaltet werde: Es brauche Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung, interdisziplinäre Teams und eine Verwaltungskultur, die Vertrauen schafft und Innovationen zulässt. Beschaffung dürfe nicht nur juristisch gedacht werden – sondern strategisch, nutzerzentriert und mit Mut zur Veränderung. Die Chance für Reform sei da – jetzt gelte es, sie zu nutzen.

Podiumsdiskussion: Wandel braucht Raum – und Führung, die ihn zulässt

Im Anschluss diskutierten Norbert Wilken (Stadt Duisburg), Rena Wißmeier (KGSt), Prof. Dr. Hermann Hill und Kai Becker (Hays AG) über Führungskultur, Veränderungsprozesse und psychologische Sicherheit in der Verwaltung.

Podiumsdiskussion

Wilken berichtete von konkreten Praxisformaten wie dem „Kulturcafé“ in Duisburg – einem Raum für offenen Austausch unter Mitarbeitenden. Wißmeier betonte, dass Systeme nicht per Anweisung verändert werden könnten, sondern durch Irritation in Bewegung gebracht werden müssten. Hill warf die Frage auf, wie neue Mitarbeitende zum Mitgestalten ermutigt werden könnten – und Becker ergänzte: Kultur entstehe nicht durch Strategiepapiere, sondern durch Kommunikation, Haltung und Führung, die Teil des Teams ist.

Fazit: Wer Wandel will, braucht Vertrauen, Rückhalt – und Führung, die Verantwortung nicht nur delegiert, sondern lebt.

Kommunale Perspektiven: Zwischen Investitionsstau und Personallücke

Nach einer kurzen Pause sprach Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund über die Herausforderungen auf kommunaler Ebene. Der Investitionsrückstand sei hoch, das angekündigte Sondervermögen müsse zügig und wirksam vor Ort ankommen – ohne neue Förderbürokratie.

Zudem stehe ein gewaltiger Personalumbruch bevor: Rund 30 Prozent der Beschäftigten im kommunalen Bereich scheiden bis 2035 aus. Vor diesem Hintergrund forderte Düsterdiek ein praxistaugliches Vergaberecht – mit klaren Prioritäten, weniger Komplexität und besseren Bedingungen für Kooperation und kleinere Auftraggeber.

Bernd Düsterdiek

Auch die laufende EU-Vergaberechtsnovelle müsse aus kommunaler Sicht kritisch begleitet werden: Mehr Vorgaben seien nicht automatisch mehr Wirkung – notwendig sei vor allem rechtliche Klarheit und praktikable Umsetzbarkeit.

Workshops: Tiefer eintauchen, gemeinsam weiterdenken

Am Nachmittag boten drei parallel laufende Workshops Gelegenheit, zentrale Themen vertieft zu diskutieren – jeweils mit eigenem Fokus, aber einem gemeinsamen Ziel: die öffentliche Beschaffung weiterzudenken.

Im Workshop „Schweigen ist Silber – Die Kunst des konstruktiven Dialogs“ diskutierten Tarik Karrakchou (BearingPoint) und Katrin Nasner (ITDZ Berlin) mit den Teilnehmenden, wie offene Kommunikation vor, während und nach dem Vergabeverfahren nicht nur Missverständnisse vermeidet, sondern auch die Effizienz und Qualität öffentlicher Beschaffung steigern kann.

Workshop KdV

Der zweite Workshop „Mit innovativer Auftragsvergabe zu innovativen Lösungen“ stand ganz im Zeichen von Zukunftsfähigkeit. Henrik-Christian Baumann (KPMGLaw), Franziska Holler (Institut für den öffentlichen Sektor) und Marvin Klother (Polyteia) zeigten anhand praktischer Beispiele, wie innovative Anbieter und Start-ups gezielt einbezogen werden können – und welche strukturellen und rechtlichen Voraussetzungen dafür nötig sind.

Im dritten Workshop „Abbau von Bürokratie im Vergaberecht – Zielbild, Phrase und Paradoxon“ luden Sebastian Schnitzler (Deloitte Legal) und Jan-Pieer Reinstorf (Freie und Hansestadt Hamburg) zur kritischen Auseinandersetzung mit einem der meistgenannten, aber selten konkretisierten Reformziele ein. Was genau meinen wir eigentlich mit Bürokratie – und was davon lässt sich realistisch abbauen? Anhand konkreter Praxisbeispiele wurde die Ambivalenz deutlich – und der Bedarf an differenzierter Debatte.

Innovationsprozesse in der Praxis: Hamburg und SprinD

Wie Vergabe zum Hebel für Innovation wird, zeigten zwei Praxisbeispiele:

Paulo Kalkhake (GovTecHH) stellte Hamburgs Ansatz vor – etwa die Integration eines KI-Tools zur Übersetzung in Leichte Sprache über die neue Experimentierklausel. Erfolgsfaktor sei nicht nur die Regelung selbst, sondern auch eine Kultur der Ermutigung.

Eva Vogt (SprinD) berichtete von der vorkommerziellen Auftragsvergabe als strategischem Instrument für Sprunginnovationen. Ihr Plädoyer: Wer Innovation will, braucht keine weiteren Paragrafen – sondern mehr Mut, Offenheit und eine Kultur, die Fehler zulässt und Neugier belohnt.

„How to buy a moving target“ – Innovation braucht andere Prozesse

Marcel „Otto“ Yon, ehemaliger Gründer und heute im Verteidigungsbereich tätig, sprach über das Dilemma klassischer Verfahren im Umgang mit schnelllebiger Technologie. Wer bei Ausschreibung und Vergabe keine Anpassung zulässt, riskiert, veraltete Lösungen zu beschaffen. Seine Forderung: Innovation muss in den Regelbetrieb – nicht ins Pilotprojekt. Und sie ist eine Führungsaufgabe.

Fehler als Lernchance: Einblick in die Vergabekammer

Klaus Neitzke, Vorsitzender der Vergabekammer Westfalen, machte deutlich: Nachprüfungsverfahren sind kein Strafgericht, sondern Teil einer lernenden Vergabekultur. Es gehe um Korrektur, nicht um Sanktion – und um die Chance, Verfahren besser zu machen. Wer sorgfältig arbeitet und lernbereit ist, könne von der Kammer profitieren – nicht nur formell, sondern auch inhaltlich.

Fazit und Ausblick: Jetzt ist der Moment

Die Tagung schließt mit einem klaren Fazit: Es braucht mehr Mut. Mehr Vertrauen. Mehr Räume für Neues. Und mehr gemeinsames Gestalten – insbesondere durch Führungskräfte. Denn eine moderne Vergabekultur entsteht nicht allein durch neue Regeln, sondern durch Haltung, Rückhalt und das Zutrauen, neue Wege zu gehen. So gelingt auch die Beschaffung von Innovationen besser. Bis dahin bleibt noch einiges zu tun – umso wichtiger, dass der Dialog weitergeht: Die nächste Ausgabe von „Die Kultur des Vergaberechts“ findet am 26. März 2026 statt.

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