Wann darf eine Konzession ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens geändert werden?

Die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen einen Konzessionsvertrag ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu ändern, besteht auch dann, wenn die Konzession ursprünglich an eine In-House-Einrichtung vergeben und der Konzessionsnehmer mittlerweile privatisiert wurde. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 29.04.2025 in der Rechtssache C-452/23 entschieden und die nachfolgende Pressemitteilung herausgegeben. Eine Urteilsbesprechung finden Sie in Kürze hier auf Vergabeblog.

Vorlagefrage und Ergebnis

Im Kontext eines Rechtsstreits über die Erweiterung bestehender Konzessionen für den Betrieb von Rastanlagen an deutschen Autobahnen auf die Errichtung und den Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge ist dem Gerichtshof die Frage gestellt worden, ob eine solche Erweiterung unter bestimmten Voraussetzungen ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens vorgenommen werden kann. Dem steht nach Auffassung des Gerichtshofs nicht entgegen, dass die Konzession ursprünglich an eine In-House-Einrichtung vergeben und der Konzessionsnehmer mittlerweile privatisiert wurde. Es ist nicht erforderlich, die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Konzessionsvergabe zu überprüfen, wenn die Fristen für ihre Anfechtung abgelaufen sind. Die Voraussetzung, dass die Änderung aufgrund unvorhersehbarer Umstände „erforderlich wurde“, bedeutet, dass diese Umstände eine Anpassung der ursprünglichen Konzession erfordern, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ordnungsgemäß ausgeführt werden kann.

Ausgangslage

Etwa 90 % der Rastanlagen an deutschen Autobahnen werden von den Unternehmen Autobahn Tank & Rast und Ostdeutsche Autobahntankstellen auf der Grundlage von rund 360 Konzessionsverträgen mit dem deutschen Staat betrieben. Dieser erweiterte die bestehenden Konzessionen in der Folge ohne Vergabeverfahren auf die Errichtung und den Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge an den Rastanlagen. Fastned, die in Deutschland solche Ladestationen betreibt, wendet sich vor einem deutschen Gericht gegen diese Erweiterung.

280 der 360 Konzessionen waren ursprünglich zwischen 1996 und 1998 ohne Ausschreibung mit einer Laufzeit von bis zu 40 Jahren an die Vorgängerin der beiden genannten Betreiber vergeben worden. Die Vorgängerin stand damals zu 100 % im Besitz des deutschen Staates, wurde dann aber vollständig privatisiert.

Fastned hält die Erweiterung der Konzessionen auf Ladestationen für ungültig, da ihr ein unionsweites Vergabeverfahren hätte vorausgehen müssen.

Vorlage

Das deutsche Gericht hat den Gerichtshof zu den Vorschriften der Europäischen Union über die Vergabe von Konzessionen befragt, die aufgrund ihres Wertes grundsätzlich für den Wettbewerb geöffnet sein müssen.

Eine dieser Vorschriften gestattet es unter bestimmten Voraussetzungen, eine bestehende Konzession ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu ändern, wenn die Änderung aufgrund unvorhersehbarer Umstände „erforderlich wurde“. Fastned ist der Ansicht, diese Vorschrift gelte nicht für Konzessionen, die ursprünglich ohne Ausschreibung vergeben worden seien.

Auslegung durch den EuGH

Der Gerichtshof antwortet, dass die fragliche Vorschrift auch dann gilt, wenn die Konzession ursprünglich ohne Ausschreibung an eine In-House-Einrichtung vergeben wurde und ihr Gegenstand zu einem Zeitpunkt geändert wird, zu dem der Konzessionsnehmer keine In-House-Einrichtung mehr ist. Die Vorschrift verlangt nicht, dass die nationalen Gerichte die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Vergabe einer Konzession anlässlich einer Klage auf Nichtigerklärung einer Änderung der Konzession überprüfen, wenn alle Fristen für die Anfechtung der ursprünglichen Vergabe abgelaufen sind.

Der Gerichtshof fügt hinzu, dass die Änderung einer Konzession im Sinne dieser Vorschrift „erforderlich wurde“, wenn unvorhersehbare Umstände eine Anpassung der ursprünglichen Konzession erfordern, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ordnungsgemäß ausgeführt werden kann.

Nach den Vorschriften, die galten, als 280 der 360 in Rede stehenden Konzessionen ursprünglich vergeben wurden, lag eine In-House-Einrichtung vor, wenn der öffentliche Auftraggeber über sie eine ähnliche Kontrolle ausübte wie über seine eigenen Dienststellen und wenn sie ihre Tätigkeit im Wesentlichen für diesen öffentlichen Auftraggeber verrichtete.

Anmerkung der Redaktion

DVNW_Akademie_Seminar

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Quelle: EuGH, Referat Presse und Information, curia.europa.eu