Entwurf zum Bundestariftreuegesetz bei Sachverständigen umstritten

Der Entwurf der Bundesregierung für ein Tariftreuegesetz (21/1941) ist bei einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, 3. November 2025, auf Kritik in verschiedenen Punkten gestoßen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass öffentliche Aufträge des Bundes künftig nur noch an Unternehmen mit Tarifbindung vergeben werden.

Grundsätzlich abgelehnt wurde das Vorhaben von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Bundesregierung ignoriere die anhaltende wirtschaftliche Schwächephase und widerspreche „dem klaren Bekenntnis der Koalitionspartner zu einem nachhaltigen Bürokratieabbau“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des BDA, der auf Vorschlag der CDU/CSU eingeladen worden war. Der Abteilungsleiter Arbeitsrecht des BDA, Roland Wolf, kritisierte neben der bürokratischen Belastung unter anderem, dass Haustarifverträge von Unternehmen keine Berücksichtigung finden sollen.

Der auf AfD-Vorschlag geladene Verein „Zentrum – Die alternative Gewerkschaft“ begrüßte zwar die Zielsetzung gegen Lohndumping, lehnte den Gesetzentwurf aber dennoch ab. Dadurch, dass er jeweils den Tarifvertrag der stärksten Branchengewerkschaft zum Maßstab macht, werde „den großen, überwiegend im DGB organisierten Gewerkschaften de facto eine monopolähnliche Stellung eingeräumt“, heißt es in der schriftlicher Stellungnahme. Das erklärte Ziel, die Tarifbindung zu stärken, erreiche man aber nur, „wenn es eine pluralistische Gewerkschaftslandschaft gibt“, sagte der Zentrum-Vorsitzende Oliver Hilburger.

Die anderen Sachverständigen hatten keine so grundsätzlichen Einwände. Der Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte insbesondere Ausnahmen vom Geltungsbereich des Tariftreuegesetzes wie den Schwellenwert von 50.000 Euro, unterhalb dessen das Gesetz nicht angewendet werden soll, und die Nichtanwendung für Aufträge der Bundeswehr bis Ende 2032. Zu den weiteren Kritikpunkten des DGB gehört, dass die Einhaltung des Gesetzes nur anlassbezogen kontrolliert werden soll und nicht stichprobenartig, und dass Nachunternehmer und Verleiher von der Dokumentationspflicht befreit sein sollen. Trotz dieser Einwände begrüßte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell das Vorhaben ausdrücklich, da es die Tarifbindung stärken werde. Der DGB wurde auf Vorschlag der SPD-Fraktion eingeladen.

Nach Ansicht der auf Vorschlag der Grünen eingeladenen Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) wird der Gesetzentwurf dem Ziel, die Tarifbindung zu stärken, allerdings nur begrenzt gerecht. Dazu sei der Schwellenwert von 50.000 Euro zu hoch angesetzt. Fast ein Viertel der Aufträge des Bundes im Baubereich falle so nicht unter das Tariftreuegesetz. Vor allem aber bemängelte Antonius Allgaier von der IG BAU die vorgesehenen Kontrollen nach Aktenlage als unzureichend. So zeigten viele Beispiele auf dem Bau, „dass deutlich länger gearbeitet wird als auf dem Papier“. Die Lohnhöhe lasse sich aber nur in Verbindung mit der geleisteten Arbeitszeit kontrollieren.

Auch die von der Fraktion Die Linke nominierte Sozialwissenschaftlerin Karen Jaehrling vom Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen monierte „Schwachstellen bei der Kontrolldichte und Kontrollstrategie“. Im Gegensatz zum Gesetzentwurf sähen Tariftreuegesetze auf Länderebene unangemeldete Kontrollen vor. „Papier ist geduldig“, sagte Jaehrling und nannte Beispiele aus der Praxis. Zudem hielten die Länder im Verhältnis mehr Personal für Kontrollen vor als die im Gesetzentwurf vorgesehenen acht Stellen.

Ergänzend dazu wies Axel Joachim von der Deutschen Rentenversicherung Bund darauf hin, dass deren Daten nicht zur Ermittlung der tatsächlich bezahlten Löhne beitragen könnten. Ihr lägen solche Daten nur aus Betriebsprüfungen vor, und die müssten nach sechs Wochen gelöscht werden. Die DRV Bund war auf Vorschlag der CDU/CSU eingeladen.

Der ebenfalls auf Vorschlag der Union geladene Verband „Dienstgeberseite der Caritas“ forderte, die im Sozial- und Gesundheitsbereich verbreiteten kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) im Gesetzestext mit Tarifverträgen gleichzustellen. Die AVR sähen teilweise niedrigere Löhne, dafür aber bessere Sozialleistungen vor als die entsprechenden Tarifverträge. Müssten nun kirchliche Anbieter dieselben Löhne zahlen wie gewerbliche Anbieter, wären sie im Wettbewerb benachteiligt. In anderen Fällen, in denen die nach dem Tariftreuegesetz herangezogenen Tariflöhne niedriger lägen, müssten die kirchlichen Anbieter dennoch ihre AVR einhalten und seien so ebenfalls nicht konkurrenzfähig. Das Gesetz in vorliegender Form werde „zur Frage führen, ob sich kirchliche Hilfswerke überhaupt an Ausschreibungen beteiligen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Marcel Bienich voraus.

Der Göttinger Arbeitsrechtler Professor Rüdiger Krause konzentrierte sich in seiner Stellungnahme auf die Rechtmäßigkeit des Gesetzentwurfs. Er billigte dem Gesetzestext die Konformität mit dem Grundgesetz zu und sah keinen unzulässigen Eingriff in die Tarifvertragsfreiheit. Europarechtlich sieht Krause eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit, die jedoch aus dem Allgemeininteresse des Arbeitnehmerschutzes zu rechtfertigen sei. Allerdings schränkte Krause mit Blick auf den Europäischen Gerichtshof ein: „Ein kleines Risiko bleibt immer beim Gang nach Luxemburg.“ Krause war auf Vorschlag der SPD eingeladen worden.

Quelle: Bundestag