Nach § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB muß der Bieter einen Vergaberechtsverstoß unverzüglich rügen. Allgemeiner Maßstab für die Rügefrist sind 3 Kalendertage. Von Ausnahmen abgesehen, sind die Bieter damit auf der sicheren Seite. Allerdings wird oft verkannt, dass die Rüge nicht nur innerhalb der 3-Tagesfrist versandt, sondern dem Auftraggeber auch innerhalb dieser Frist tatsächlich zugegangen sein muss. Welche Voraussetzungen hierbei zu erfüllen sind, wurde in verschiedenen Beschlüssen der vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen näher konkretisiert:
Nach Auffassung der Vergabekammer Sachsen-Anhalt sind die Bieter daher verpflichtet, eine Rüge auf dem schnellstmöglichen Weg gegebenenfalls per Fax oder Telefon zu übermitteln (VK Sachsen-Anhalt, Beschluß vom 10.06.2009 – VK 2 LVwA LSA-13/09).
Die Vergabekammer folgt damit der Rechtsprechung des OLG Naumburg. Danach bezieht sich die Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge nicht allein auf die Absendung der Rüge, sondern auch auf die Wahl des Absendemittels. Eine schuldhafte Verzögerung kann vorliegen, wenn der Bieter bei mehreren möglichen Übermittlungswegen denjenigen wählt, der erkennbar nicht geeignet, umständlich oder unzuverlässig ist. Der Bieter ist daher im Einzelfall verpflichtet, eine Rüge nicht auf dem normalen Postwege, sondern per Telefax oder in einer anderen beschleunigten Form – wie etwa per Eilbrief, Boten oder elektronischer Post – zu übermitteln (OLG Naumburg, Beschluß vom 25.01.2005 – 1 Verg 22/04).
Zum Zeitpunkt des Zugangs führt wiederum das OLG Dresden aus, daß eine Rüge erst dann beim öffentlichen Auftraggeber zugegangen ist, wenn dieser die Möglichkeit hat, vom Inhalt des Rügeschreibens Kenntnis zu nehmen. Voraussetzung sei daher, daß ein entsprechendes Telefaxschreiben während der Geschäftsstunden zugeht; ansonsten erfolgt der Zugang erst mit dem nächsten Geschäftsstundenbeginn. Eine Rügeerklärung, die freitags, 19.25 Uhr per Fax eingeht, gilt daher erst am darauf folgenden Montag als zugegangen (OLG Dresden, Beschluß vom 11.09.2006 – WVerg 13/06).
Für die Vergabepraxis gilt: Um einen Zugang der Rüge innerhalb der ohnehin kurzen Rügefristen zu gewährleisten, sollte jede Rüge vorab per Telefax oder E-Mailnachricht an die Vergabestelle versandt werden. Dabei ist vom Bieter sicherzustellen, daß der tatsächliche Eingang innerhalb der üblichen Geschäftszeiten erfolgt. Zum Zwecke des Zugangsnachweises ist zudem telefonisch nachzufragen, ob die Fax- bzw. E-Mailnachricht erhalten wurde. Es empfiehlt sich, über das Telefonat eine entsprechende Aktennotiz zu fertigen. Das Rügeschreiben selbst sollte sodann nochmals auf dem Postweg per Einschreiben mit Rückschein versendet werden.
Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.
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