„Formblattchaos“ ade – Zukünftig alles einfacher im Vergaberecht? Zum Entwurf der EU-Kommission für die neue Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)
Am 23.12.2014 hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten den mit großer Spannung erwarteten Entwurf für das Standardformular zur neuen Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) zur Stellungnahme bis zum 31.01.2015 übermittelt. Der Entwurf des für die zukünftige Vergabepraxis enorm wichtigen Dokuments ist im Detail an einigen Stellen noch überarbeitungsbedürftig, damit die EEE den gewünschten Vereinfachungseffekt tatsächlich erreichen kann. Die Mitgliedstaaten sollten unbedingt auf eine Anpassung hinwirken.
1. Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) zur Vereinfachung im Bereich der Eignungsprüfung
Am 17.04.2014 ist als vorläufiger Abschluss der aktuellen Reformen des Vergaberechts auf europäischer Ebene unter anderem die neue europäische Vergaberichtlinie (Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe – AVR) in Kraft getreten. Obgleich man nach jeder Reform des Vergaberechts den Eindruck gewinnt, dass das Vergaberecht noch komplizierter geworden ist, ist es seit jeher erklärtes Ziel jeder neuen Vergaberechtsreform, das Vergaberecht zu vereinfachen und die vergaberechtlichen Vorschriften zu entbürokratisieren.
Wesentlicher Teil der Bemühungen zur Vereinfachung des Vergaberechts in der aktuellen Vergaberechtsreform ist die Einführung der sogenannten „Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung“ (EEE) durch Art. 59 AVR (siehe hierzu bereits Mertens/Baumann, auf: Vergabeblog.de vom 14/04/2014, Nr. 18843). Ziel dieser EEE ist es, den Verwaltungsaufwand für Wirtschaftsteilnehmer und öffentliche Auftraggeber gleichermaßen zu reduzieren, der dabei entsteht, dass in Ausschreibungsverfahren regelmäßig eine Vielzahl verschiedenster Bescheinigungen, Erklärungen, Nachweise und Dokumente, die die Ausschluss- und Eignungskriterien betreffen, eingereicht werden müssen.
Um das – insbesondere von Bieterseite – viel gescholtene „Formblattchaos“ zukünftig einzudämmen, wird es Bietern nach Umsetzung der Richtlinien freistehen, zum Nachweis ihrer Eignung mit ihrem Angebot oder Teilnahmeantrag zunächst nur eine von ihnen ausgefüllte EEE einzureichen. Grundlage der EEE ist ein in allen Mitgliedstaaten einheitlich gestaltetes Standardformular. Während es dem Auftraggeber offen steht, Bestätigungen der Eigenerklärung und Nachweise von allen Bewerbern oder Bietern während des gesamten Verfahrens anzufordern, muss er dies jedenfalls vor Zuschlagserteilung vom Bestbieter tun (vgl. Art. 59 Abs. 4 AVR). Ähnliche Regelungen finden sich im nationalen Recht bereits jetzt in den Vorschriften zur Eigenerklärung im Baubereich (siehe § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 und 4 VOB/A). Der Gedanke eines einheitlichen Formblattes für Eigenerklärungen zur Eignung findet sich national bereits im sogenannten „Formblatt 124“ aus dem Vergabehandbuch des Bundes.
Die neue EEE geht über diese Ansätze im deutschen Recht hinaus und soll auf der Basis eines umfassenden Standardformulars erfolgen, das in allen Amtssprachen der EU zur Verfügung stehen wird. Dadurch sollen einerseits sprachliche Probleme verringert und für Bewerber und Bieter die Teilnahme an Vergabeverfahren in anderen Mitgliedstaaten vereinfacht werden. Zudem bietet die einheitliche Gestaltung des EEE-Formulars den Vorteil, dass die einzureichenden Erklärungen in allen Verfahren in einem gewissen Maße gleichförmig abgegeben werden können. Dadurch wird die Eignungsprüfung für Bieter und Auftraggeber strukturiert, was durchaus eine Vereinfachung zur Folge haben kann.
Die Möglichkeit der Verwendung der EEE gilt für alle Vergabeverfahren, unabhängig davon, ob es sich um Bauleistungen, Liefer- oder Dienstleistungen handelt. Auch die neue Sektorenvergaberichtlinie (Richtlinie 2014/25/EU) lässt den vorläufigen Eignungsnachweis mittels EEE in Art. 80 Abs. 3 über den Verweis auf Art. 59 AVR zu, sodass sich auch Auftraggeber und Bieter im Sektorenbereich mit dem Thema EEE künftig auseinandersetzen müssen. In der neuen Konzessionsvergaberichtlinie (Richtlinie 2014/23/EU) ist die EEE dagegen nicht vorgesehen.
2. Entwurf eines Standardformulars für die EEE durch die EU-Kommission
In Art. 59 AVR finden sich nur die grundlegenden Regelungen zur EEE. Das Formblatt selbst ist weder dort noch als Anhang zur AVR enthalten. Vielmehr findet sich in Art. 59 Abs. 2 AVR nur eine Ermächtigung für die Kommission zur Erstellung eines solchen Standardformulars. Angesichts der großen Bedeutung, die diesem Standardformular in der zukünftigen Vergabepraxis zukommen wird, wurde dessen erster Entwurf mit großer Spannung erwartet.
Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten nun am 23.12.2014 ihren Entwurf des Standardformulars für die EEE übermittelt, der einen ersten Eindruck davon gibt, wie der Eignungsnachweis in Zukunft durchgeführt werden wird. Führt man sich vor Augen, welch große Herausforderung die Erstellung des Formblattes darstellt, nämlich die Eignungsprüfung auf der Basis des europäischen Rechts in den verschiedenen Mitgliedstaaten in einem einheitlichen Formblatt verständlich abzubilden und den Mitgliedstaaten und den einzelnen Vergabestellen gleichzeitig die erforderlichen Spielräume bei der Gestaltung der Eignungsprüfung zu gewähren, so ist der Entwurf des Standardformulars erstaunlich gut gelungen. Nichtsdestotrotz ist der Entwurf des Standardformulars im Detail an einigen Stellen noch überarbeitungsbedürftig, wie nachfolgend unter Ziff. 3 beispielhaft aufgezeigt wird.
Die Mitgliedstaaten können der Kommission bis zum 31.01.2015 Änderungsvorschläge unterbreiten. Das final von der Kommission erstellte Formular muss dann allerdings unverändert in allen Mitgliedstaaten verwendet bzw. von den öffentlichen Auftraggebern als vorläufiger Nachweis akzeptiert werden (siehe Vergabeblog.de vom 20/01/2015, Nr. 21293).
3. Der Entwurf des Formblattes im Einzelnen
Nach dem Entwurf der Kommission besteht die EEE aus sieben Teilen und umfasst insgesamt 21 Seiten, inklusive einer einleitenden kurzen Erläuterung. Die im Formular enthaltenen grau unterlegten Felder muss der öffentliche Auftraggeber ausfüllen. Er kann damit festlegen, welche Eignungskriterien er aufstellt. Abhängig von den Eintragungen des öffentlichen Auftraggebers kann das durch die Bieter auszufüllende Formular dadurch also auch erheblich kürzer ausfallen. Die von den Bietern auszufüllenden Felder sind weiß unterlegt.
3.1 Teil I / Informationen zum Auftraggeber und zum Vergabeverfahren
Teil I der EEE umfasst den öffentlichen Auftraggeber und das Vergabeverfahren betreffende Informationen. Diese sind durch den öffentlichen Auftraggeber einzutragen.
Unter anderem kann der Auftraggeber auswählen, ob ein Bieter bestimmte Angaben auch für von ihm eingesetzte Nachunternehmer machen muss, die er nicht zum Nachweis seiner eigenen Eignung (sog. Eignungsleihe) benennt. Sofern der Auftraggeber an dieser Stelle „Ja“ ankreuzt, müsste der Bieter somit bereits mit Angebotsabgabe alle von ihm vorgesehenen Nachunternehmer namentlich benennen und für diese bestimmte Informationen einreichen. In Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 10.06.2008 – X ZR 78/07), nach der die verbindliche namentliche Benennung aller Nachunternehmer bereits mit Abgabe des Angebotes für den Bieter eine unangemessene Belastung darstellen kann, dürfte es deutschen öffentlichen Auftraggebern wohl verwehrt sein, diese Option zu wählen.
3.2 Teil II / Informationen zum Wirtschaftsteilnehmer
In Teil II sind Informationen betreffend den Wirtschaftsteilnehmer (Name, Anschrift, Kontaktperson, Vertretungsberechtigte etc.) anzugeben. Dies umfasst auch die Information, ob der Wirtschaftsteilnehmer allein als Bieter auftritt oder gemeinsam mit anderen als Bietergemeinschaft und ob er die Kapazitäten anderer Unternehmen zur Erfüllung der Eignungskriterien in Anspruch nimmt (Eignungsleihe). Für solche Nachunternehmer sind separate Eigenerklärungen einzureichen.
3.3 Teil III / Ausschlussgründe
Teil III der EEE betrifft die in Art. 57 AVR geregelten Ausschlussgründe. Sofern erforderlich, kann der Wirtschaftsteilnehmer jeweils angeben, unter welcher Web-Adresse etc. der öffentliche Auftraggeber zusätzliche Unterlagen zu den Ausschlussgründen elektronisch abrufen kann (vgl. Art. 59 Abs. 1 UAbs. 4 AVR). Hintergrund dessen ist, dass der Wirtschaftsteilnehmer die zusätzlichen, seine Eigenerklärung belegenden Unterlagen später nicht mehr vorlegen muss, wenn der öffentliche Auftraggeber diese direkt über eine gebührenfreie nationale Datenbank in einem Mitgliedstaat, z. B. ein Präqualifikationssystem, erhalten kann (Art. 59 Abs. 5 AVR). Um hier eine wirkliche Vereinfachung für Auftraggeber und Wirtschaftsteilnehmer zu erreichen, bietet es sich an, die bestehenden Präqualifikationssysteme nutzbar zu machen.
Teil A fordert Erklärungen des Wirtschaftsteilnehmers hinsichtlich des zwingenden Ausschlussgrunds gemäß Art. 57 Abs. 1 AVR aufgrund einer rechtkräftigen Verurteilung wegen einer der dort aufgelisteten Straftaten. Außerdem wird ihm Gelegenheit gegeben, etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen darzustellen, mittels derer er seine Eignung trotz der Verurteilung nachweisen möchte (vgl. Art. 57 Abs. 6 AVR als Ausnahme vom zwingenden Ausschluss). Hier fällt auf, dass das Formular scheinbar die Beurteilung, ob diese Selbstreinigungsmaßnahmen als „ausreichend“ bewertet werden, dem Bieter überlässt, obwohl dies zu entscheiden naturgemäß Sache des Auftraggebers ist.
In Teil B muss der Wirtschaftsteilnehmer Eigenerklärungen zum Ausschlussgrund wegen Nichtentrichtung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen abgeben (Art. 57 Abs. 2 AVR). Zusätzlich kann der öffentliche Aufraggeber jedoch – in Abkehr von dem Grundsatz, dass mit dem Angebot noch keine zusätzlichen Unterlagen einzureichen sind – die Option wählen, eine Bescheinigung über die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern und Abgaben zu verlangen.
Teil C sieht Eigenerklärungen zu den sonstigen, in Art. 57 Abs. 4 AVR geregelten Ausschlussgründen vor. Sofern ein Ausschlussgrund im nationalen Recht näher definiert wird, muss der öffentliche Auftraggeber diese Definition, gegebenenfalls durch Verweis auf die einschlägige Rechtsnorm, eintragen. Auch bezüglich dieser Ausschlussgründe besteht die Möglichkeit des Wirtschaftsteilnehmers, seine Eignung „wiederherstellende“ Selbstreinigungsmaßnahmen darzustellen. An dieser Stelle ist das Formular fehlerhaft, da es diese Möglichkeit vorsieht, falls eine der vorherigen Fragen zu Ausschlussgründen mit „Ja“ beantwortet wurde. Einige dieser Fragen sind jedoch als Bestätigung formuliert, dass gerade kein Ausschlussgrund vorliegt, sodass bei einer Bestätigung durch „Ja“ gerade keine Selbstreinigungsmaßnahmen erforderlich sind.
Teil D ermöglicht dem öffentlichen Auftraggeber, weitere im nationalen Recht vorgesehene Ausschlussgründe festzulegen. Hier ist das EEE-Formular sehr offen gestaltet. Die entstehenden Spielräume kann der Auftraggeber, allerdings im Einklang mit den nationalen Vorschriften, nutzen.
3.4 Teil IV / Eignungskriterien
In Teil IV muss der öffentliche Auftraggeber durch Ankreuzen auswählen, welche Eignungskriterien er festlegen möchte.
Teil A betrifft die Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister und die Frage, ob der Wirtschaftsteilnehmer über eine in seinem Herkunftsstaat erforderliche Berechtigung oder Mitgliedschaft in einer Organisation verfügt.
In Teil B kann der öffentliche Auftraggeber Anforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit festlegen.
Vorgesehen sind beispielsweise Felder, in denen ein bestimmter Mindestumsatz des Wirtschaftsteilnehmers vorgegeben werden kann. Auch hier ist das Formular allerdings falsch oder zumindest nicht eindeutig. Der Mindestumsatz kann in Form eines Mindest-Gesamtjahresumsatzes oder in Form eines Mindestjahresumsatzes für in dem vom Auftrag abgedeckten Bereich gefordert werden. Hierzu heißt es dann zum einen, dass „eine der beiden Möglichkeiten zu wählen ist“. Es ist also offenbar zwingend (nur) eine Möglichkeit zu wählen. Andererseits sind die beiden Alternativen dann durch ein „und/oder“ getrennt, sodass offenbar auch beide Mindestumsätze kumulativ gefordert werden können. Jedenfalls erweckt das Formular aber den Anschein, dass eine der beiden Formen des Mindestumsatzes in jedem Fall zu fordern ist. Dies widerspricht dem eindeutigen Wortlaut von Art. 58 Abs. 3 UAbs. 1 AVR. Danach „können“ die öffentlichen Auftraggeber einen bestimmten Mindestumsatz verlangen, zwingend ist dies jedoch nicht. In der derzeitigen deutschen Vergabepraxis ist die Forderung von bestimmten Mindestumsätzen eher selten.
Das Formular bietet außerdem Raum dafür, „sonstige Anforderungen“ zur Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit abzufordern. Diese Anforderungen muss der Auftraggeber näher definieren und angeben, welche Nachweise diesbezüglich verlangt werden.
Teil C bildet die in Anhang XII der Richtlinie aufgelisteten zulässigen Nachweise im Hinblick auf die technische Leistungsfähigkeit ab. Auch hier muss der öffentliche Auftraggeber durch Ankreuzen festlegen, welche Kriterien er aufstellen will.
Gefordert werden können zum Beispiel Darstellungen von in der Vergangenheit erbrachten näher definierten Bauleistungen (Referenzen). Hierbei fällt auf, dass gemäß der Formulierung im Formular unter Ziff. 1 der Eintragungsmöglichkeit für den Bieter alle in einem bestimmten Zeitraum in dem definierten Leistungsbereich durchgeführten Bauleistungen aufzuführen sind („Bitte führen Sie die im fraglichen Zeitraum durchgeführten Bauleistungen auf“). Für die wichtigsten Bauleistungen sind dann zusätzliche Unterlagen elektronisch bereitzuhalten. Sollte es nicht möglich sein, diesen weiten Wortlaut des Formulars durch die Eintragungsmöglichkeiten des Auftraggebers unter Ziff. 1 einzuschränken, würde das für die Bewerber/Bieter eine erhebliche Belastung darstellen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Zeitraum nach Wahl des Auftraggeber sogar bis zu fünf Jahre betragen kann, könnte der Aufwand zur Erstellung dieser Auflistung unter Umständen enorm sein. Zwar gibt das Formular insoweit lediglich die Formulierung wieder, die sich bereits in Anhang XII der Richtlinie (Teil II, lit. a) i)) findet. Allerdings ist zu beachten, dass dort geregelt ist, dass der Eignungsnachweis durch derartige Referenzangaben geführt werden kann aber nicht muss. Insofern haben Auftraggeber durchaus die Möglichkeit, auch weniger strenge Vorgaben zu den einzureichenden Referenzen zu machen. Dies sollte in der EEE auch entsprechend abgebildet werden, um hier Probleme zu vermeiden.
Weitere Kriterien, die der öffentliche Auftraggeber außerdem aufstellen kann, betreffen zum Beispiel Beschreibungen der technischen Ausrüstung, Ausbildungsnachweise und Bescheinigungen, Umweltmanagementmaßnahmen und Beschäftigtenzahlen. Auch hier sieht das Formular zum Teil zwingend vor, dass der Auftraggeber Mindestanforderungen vorgibt, sofern er das Kriterium nutzen will. Das bedeutet beispielsweise, dass sich der Auftraggeber nicht lediglich die Anzahl der durchschnittlich jährlich Beschäftigten benennen lassen kann, ohne gleichzeitig auch Mindestanzahlen vorgeben zu müssen. Hier sollten den Auftraggebern mehr Freiheiten eingeräumt werden.
Teil D betrifft Angaben zu Qualitätssicherungssystemen und Umweltmanagementnormen (vgl. Art. 62 AVR).
3.5 Teil V / Objektive Kriterien zur Auswahl der geeigneten Bewerber
In Teil V der EEE kann der öffentliche Auftraggeber für nichtoffene Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerbliche Dialoge und Innovationspartnerschaften objektive Kriterien angeben, anhand derer er die Zahl der geeigneten Bewerber eingrenzen wird. Dies kann gegebenenfalls durch Verweis auf die Vergabeunterlagen geschehen. An dieser Stelle bietet das Formular also Gestaltungsspielräume.
3.6 Teil VI / Schlusserklärungen
In Teil VI muss der die Eigenerklärung einreichende Wirtschaftsteilnehmer durch seine Unterschrift erklären, dass seine Angaben im Formular richtig sind und er sich über die Konsequenzen einer Täuschung bewusst ist. Außerdem gibt er an dieser Stelle sein Einverständnis dazu, dass sich der Auftraggeber bei den von ihm angegebenen elektronischen Datenbanken (z. B. PQ-Stelle) die zusätzlichen Unterlagen beschaffen darf. Bezüglich der Unterlagen, die nicht elektronisch abrufbar sind, erklärt er, dass er in der Lage ist, diese auf Anfrage unverzüglich beizubringen.
3.7 Teil VII / Wiederverwendung der EEE als maßgebliche Vereinfachung
Teil VII des Formulars betrifft die Wiederverwendung der EEE. Gemäß Art. 59 Abs. 1 UAbs. 5 AVR können Wirtschaftsteilnehmer eine bereits bei früheren Auftragsvergaben verwendete EEE wiederverwenden, sofern sie bestätigen, dass die darin enthaltenen Informationen nach wie vor korrekt sind.
Diese Wiederverwendungsmöglichkeit könnte maßgeblich zur Vereinfachung von Ausschreibungsverfahren beitragen. In der derzeitigen Ausgestaltung sind aber wesentliche Vereinfachungseffekte nicht zu erwarten.
Zur Wiederverwendung sind in Teil VII des EEE-Formulars Felder vorgesehen, in denen der Wirtschaftsteilnehmer Angaben zur Identifizierung der bereits verwendeten EEE eintragen muss (Angabe des öffentlichen Auftraggebers bei dem die EEE vorgelegt wurde, genaue Bezeichnung des Vergabeverfahrens, für das die EEE vorgelegt wurde, Datum der Unterzeichnung der bereits vorgelegten EEE). Außerdem muss er versichern, dass die in der bereits vorgelegten EEE enthaltenen Angaben weiterhin korrekt sind und er sich über die Konsequenzen einer Täuschung bewusst ist. Die Bestätigung der Korrektheit der Angaben ist durch Ankreuzen der jeweils aufgelisteten Teile, Abschnitte und Nummern der EEE vorzunehmen. Da das EEE-Formular von Auftraggebern für jedes Verfahren in Bezug auf die konkreten Anforderungen individualisiert wird, dürfte die Möglichkeit zur Wiederverwendung bereits sehr gering sein. Der Bewerber/Bieter müsste sichergehen, dass die Anforderungen in den beiden Verfahren exakt identisch sind. Wenn sich die Anforderungen nur in einer Kleinigkeit unterscheiden, müsste entweder eine teilweise neue EEE oder aber eine gänzlich neue EEE eingereicht werden. Hier „schlummert“ erhebliches Risikopotential. Im Ergebnis dürfte es einfacher sein, für jedes Verfahren eine neue EEE einzureichen.
Darüber hinaus bleibt auch zum Teil unklar, was der Wirtschaftsteilnehmer im Falle einer Wiederverwendung genau machen muss. In der einleitenden Erläuterung der EEE wird lediglich beschrieben, was gilt, wenn einzelne Informationen aus der bereits vorgelegten EEE nicht mehr korrekt sind oder in dieser nicht vorhanden waren. In diesem Fall muss er bezüglich dieser Informationen eine neue EEE ausfüllen, Teil VII ausfüllen und die vorherige EEE beifügen. Eine wirkliche Vereinfachung stellt das aber nicht dar. Aufgrund der parallel geltenden Erklärungen dürfte dies eher zu weiterer Verwirrung führen, welche Erklärungen denn nun gelten, und für den Auftraggeber die Prüfung erschweren.
Unklar ist zudem, was zu tun ist, wenn die Informationen in der vorgelegten EEE noch korrekt sind und in der neuen EEE keine darüberhinausgehenden Auskünfte gefordert werden. Vermutlich ist auch in diesem Fall eine neue EEE auszufüllen – dann wohl nur Teil VII – und die vorherige EEE beizufügen. Klarstellungen hierzu wären wünschenswert.
4. Fazit
Angesichts der schwierigen Aufgabe stellt das von der EU-Kommission entworfene Standardformular eine gute Basis für die weiteren Abstimmungen dar. Wie exemplarisch dargelegt, ist das Formular aber noch in einigen Punkten überarbeitungsbedürftig. An vielen Stellen wird sich auch einem mit dem Vergaberecht vertrauten Wirtschaftsteilnehmer nicht ohne weiteres erschließen, welche Angaben genau von ihm gefordert sind. Hierfür wäre unter Umständen eine zeitraubende intensive Auseinandersetzung mit dem Formular selbst und den Vorbemerkungen, gegebenenfalls sogar unter Hinzuziehung des Richtlinientextes erforderlich. Dies ist sicherlich zum Teil der Tatsache geschuldet, dass das Formular eben so offen gestaltet sein muss, dass es in allen Mitgliedstaaten, für Bauleistungen, Liefer- und Dienstleistungen und in allen Verfahrensarten verwendet werden kann.
Dennoch sollte der Abstimmungsprozess mit den Mitgliedstaaten noch für weitere Klarstellungen genutzt werden. Zudem sollte der in der einleitenden Erläuterung zur EEE enthaltene Vorschlag an die Mitgliedstaaten, eine Anleitung zur Verwendung des Formulars herauszugeben, um den öffentlichen Auftraggebern das Ausfüllen des Formulars zu erleichtern, von den Mitgliedstaaten genutzt werden. Zu begrüßen wäre es sicherlich auch, wenn eine solche Verwendungsanleitung nicht nur zur Unterstützung der Auftraggeber sondern auch zur Unterstützung der Wirtschaftsteilnehmer erstellt würde, um dem angestrebten Ziel der EEE, nämlich eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands zu erreichen, zumindest ein Stück näher zu kommen.
Kontribution
Der Beitrag von Dr. Benjamin Klein wurde in Zusammenarbeit mit seiner Kollegin, Frau RA’in Julia Gielen verfasst.
Julia Gielen
Julia Gielen ist Rechtanwältin bei der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) am Standort Berlin. Sie ist spezialisiert auf das Vergaberecht und das Öffentliche Wirtschaftsrecht und bildet einen Teil der Practice Group Öffentlicher Sektor. Sie berät und vertritt Auftraggeber und Unternehmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe, insbesondere im Bereich Bau, Immobilien, Infrastruktur und Informationstechnologie. Ihre Tätigkeit umfasst dabei u. a. die Verfahrens- und Vertragsgestaltung, die Vertretung in Nachprüfungsverfahren und Beschwerdeverfahren sowie die Beratung und Vertretung bei Prüfungen durch Rechnungsprüfungs- und Revisionsinstanzen. Der Beitrag gibt die persönlichen Ansichten der Autorin wieder und repräsentiert nicht unbedingt die Ansichten der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft.