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Vergaberecht an historischer Stätte – 2. Treffen der DVNW-Regionalgruppe Köln-Bonn-Koblenz

IMG_6215_verkleinertBereits zum zweiten Mal traf sich am 27.05.2013 die Regionalgruppe Köln-Bonn-Koblenz des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) zum Wissens- und Erfahrungsaustausch, Kennenlernen und Netzwerken. Tagungsort war der große Sitzungssaal der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn, wo am 05. Mai 1955 Deutschland seine Souveränität erhielt. Vortragsthemen waren „Vertragslaufzeiten, Bedarfsoptionen, Verlängerungsoptionen im VOL-Vertrag“, sowie „Privatisierung der Wasserversorgung und Entwurf der Konzessionsrichtlinie“. 24 Teilnehmer informierten sich und diskutierten intensiv.

Organisiert von dem Leitungsgremium der Regionalgruppe Köln/Bonn/Koblenz des deutschen Vergabenetzwerkes, Rechtsanwalt Oliver Weihrauch (caspers mock Anwälte), Diplom Verwaltungswirt Hans-Peter Müller (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) und Hans-Jürgen Niemeier (Aufsichtsrat der CONET Technologies AG), trafen sich am 27.05.2013 24 Vergaberechtsexperten aus der Region aber auch aus Duisburg, Düsseldorf, Siegen-Wittgenstein und Montabaur.

IMG_6218_verkleinertZu Beginn der Veranstaltung wurde die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung durch Martin Hake, Referatsleiter der zentralen Vergabestelle der BLE (Foto links), vorgestellt. Ein modernes Dienstleistungszentrum im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), welches sich für eine zukunftsfähige, nachhaltige Landwirtschaft einsetzt, EU-Recht umsetzt und dessen Einhaltung kontrolliert, Beteiligte in der Agrarwirtschaft vernetzt und an einen Tisch bringt, die Agrar-Forschungslandschaft koordiniert und durch zahlreiche Informationsangebote Aufklärung leistet. Die zentrale Vergabestelle selbst führt als Dienstleisterin für 18 verschiedene Einrichtungen im BMELV-Geschäftsbereich und für das Ministerium selbst eine Vielzahl unterschiedlicher Beschaffungen durch. Neben der Gleichbehandlung aller Wirtschaftsbeteiligten und der Wahrung des Wettbewerbs ist die Korruptionsprävention eine ihrer wichtigsten Aufgaben.

Nach Begrüßung und Vorstellung der einzelnen Teilnehmer widmet sich Martin Hake mit seinem Vortrag dem Thema „Vertragslaufzeiten, Bedarfsoptionen und Verlängerungsoptionen im VOL-Vertrag“. Ausgehend davon, dass die VOL/A, mit Ausnahme der Regelungen zur Rahmenvereinbarung, keine Aussage zu Vertragslaufzeiten trifft, informiert er darüber, dass nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes, sowie nach § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV, auch Verträge mit einer unbestimmten Laufzeit möglich sind. Einschränkungen findet dieses lediglich durch den Wettbewerbsgrundsatz, wonach die Vertragslaufzeit nicht dazu führen darf, dass die Leistungen in dem Wettbewerb entzogen werden, sowie die Notwendigkeit von Innovationen. Diese Grenzen sind jedoch nicht starr, sondern individuell für den jeweiligen Beschaffungsgegenstand zu konkretisieren. Bei Optionen unterscheidet Martin Hake zwischen Eventual-/Bedarfspositionen und Verlängerungsoptionen in der Vertragslaufzeit.

In der anschließenden Diskussion setzen sich die Teilnehmer lebhaft, insbesondere mit den Themen „Vertragslaufzeiten“ und „Verlängerungsoptionen“ auseinander. Es wird darauf hingewiesen, dass in der Praxis Vertragsverlängerungen häufig mit Vertragsänderungen zusammentreffen, sodass hier nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes bei wesentlichen Änderungen des Beschaffungsgegenstandes ein Vergabeverfahren notwendig ist. Von Martin Hake wird betont, dass nach seiner Erfahrung Verträge mit unbeschränkter Laufzeit selten wirtschaftlich sind. Er empfiehlt, wirtschaftlich sinnvolle Fristen auszuschreiben und im Vertrag Sonderkündigungsrechte für den Fall der Schlechtleistung des Auftragnehmers zu vereinbaren. Aus den Reihen der Teilnehmer kommt noch der Praxistipp, durch die Fachdienststellen die Notwendigkeit von Eventual-/Bedarfspositionen schriftlich begründen zu lassen und dieses auch im Vergabevermerk zu dokumentieren; alleine durch den internen Begründungs- und Dokumentationsaufwand sei es in der Praxis möglich, die Anzahl der Eventual-/Bedarfspositionen drastisch zu reduzieren und so rechtssichere Vergabeverfahren durchzuführen. Mit besonderem Interesse wird auch das Thema des Rechtsschutzes diskutiert. Die Teilnehmer sind sich einig, dass bei Vertragsfristen, welche aufgrund ihrer Dauer den Wettbewerb einschränken oder sich als unwirtschaftlich darstellen, keine subjektiven Bieterrechte geltend gemacht werden können. Hierbei handelt es sich lediglich um interne Verletzungen des Haushaltsrechts.

IMG_6220_verkleinertIn dem zweiten Vortrag schildert Hans-Peter Müller (Foto rechts) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie den Stand der Diskussion um die neuen europäischen Vergaberichtlinien. Aktuell befinden sich diese in den sogenannten Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament der Europäischen Union. Ziel ist es, bis Ende 2013 neue Richtlinien verabschiedet zu haben, welche danach bis spätestens Anfang 2016 in den Nationalstaaten umgesetzt werden. Die Richtlinien sehen eine Stärkung der Verfahrenseffizienz öffentlicher Auftragsvergaben, z. B. durch kürzere Fristen und Stärkung der elektronischen Vergabe vor. Über die Einführung eines europäischen Vergabepasses und sein Verhältnis zu den bisher geregelten Präqualifikationsverfahren wird noch diskutiert.

Die Innovationspartnerschaft soll als neues Vergabeverfahren eingeführt werden. Die Unterscheidung zwischen vorrangigen und nachrangigen Dienstleistungen soll künftig entfallen. In der Diskussion ist eine weitere Abstufung der Höhe der Schwellenwerte, sowie ausdrückliche Regelungen zu der „Selbstreinigung“ von Unternehmen nach Vergaberechtsverstößen. Ebenso werden Regelungen über nachträgliche Veränderungen des Vertragsinhalts, sowie die Normierungen der Inhouse-Vergabe, in die neuen Richtlinien eingearbeitet.

Deutsches VergabenetzwerkDezidiert geht Hans-Peter Müller auf die Konzessionsrichtlinie und die politische Diskussion über einen „Zwang zur Privatisierung“ ein. Er betont, dass es auch künftig keinen Zwang zur Privatisierung geben werde. Durch die Konzessionsrichtlinie werde lediglich ein transparentes wettbewerbliches Verfahren normiert, welches im Falle der kommunalen Entscheidung zur Leistungserbringung durch Dritte Anwendung findet. Zahlreiche Ausnahmetatbestände, welche im Einzelnen noch diskutiert werden, z. B. bei Inhouse-Vergaben und verbundenen Unternehmen, werden dabei die Notwendigkeit der Anwendung der Konzessionsrichtlinie auf die Vergabe von Konzessionen u. a. bei der Wasserversorgung einschränken.

In der anschließenden Diskussion wird darauf hingewiesen, dass die Stadtwerke in der Regel mit anderen Unternehmen verwoben sind. Der Regelfall sind sog. Mehrsparenstadtwerke, welche neben Wasser auch die Stromversorgung der Kommune – oft auch der Region – übernehmen. In diesen Fällen ist eine Inhouse-Vergabe nicht immer möglich, insbesondere wenn durch die Sparte „Stromversorgung“ innerhalb eines Stadtwerkes private Unternehmen beteiligt sind. Aktuell wird diskutiert ob durch eine organisatorische oder buchhalterische Trennung der Sparten Strom und Wasser nicht doch eine vergaberechtsfreie Inhouse-Vergabe ermöglicht werden kann.

Die äußerst lebhafte und sachkundige Diskussion musste leider gegen 19:30 Uhr beendet werden. Der von Oliver Weihrauch vorbereitete Vortrag zum Thema „Erosion des Rechtschutzes im Vergaberecht“ wurde mit Zustimmung der Teilnehmer auf die Folgeveranstaltung verschoben, damit auch über dieses Thema noch ohne Zeitdruck intensiv diskutiert werden kann.

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Über Oliver Weihrauch

Oliver Weihrauch arbeitet seit 1995 als Rechtsanwalt, Referent und Autor im Bereich des Vergaberechts. Als of counsel in der Sozietät caspers mock Anwälte berät und vertritt er von Bonn aus bundesweit Auftraggeber und Bieter in Vergabeverfahren und Nachprüfungsverfahren. Im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) ist er im Vorstand der Regionalgruppe Köln|Bonn|Koblenz.

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