§ 19 Abs. 3 VOL/A-EG
Oftmals fordern Vergabestellen die Angabe von Referenzleistungen, um die Leistungsfähigkeit der Bieter überprüfen und vergleichen zu können. Werden dabei in der Ausschreibung keine Mindestanforderungen an die Referenzleistung gestellt, bleibt offen, welche Leistungen die Bieter als Referenz angeben können. Die Vergabestellen haben diesbezüglich einen weiten Beurteilungsspielraum.
Der Fall
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Vergabe von Entsorgungsleistungen zur Einsammlung von Hausmüll. Von der Vergabestelle waren mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbare Referenzen gefordert, ohne dass an diese von der Vergabestelle Mindestanforderungen gestellt wurden. Die Beigeladene legte lediglich Referenzen zur Einsammlung von Leichtverpackungen vor. Die Antragstellerin rügte die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen als nicht ausreichend, weil die Leichtverpackung-Sammlung nicht mit der Hausmüllsammlung vergleichbar sei.
Das OLG München
Das OLG München (Beschluss v. 12.11.2012 – Verg 23/12) sieht die Leichtverpackung-Sammlung als mit der Hausmüllsammlung vergleichbar an. Eine Vergleichbarkeit zwischen ausgeschriebener Leistung und Referenzleistung ist immer gegeben, wenn die Referenz einen tragbaren Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Bieters zulässt. Dabei verbietet sich im Hinblick auf die Gewährung eines bestmöglichen Wettbewerbs eine allzu restriktive Auslegung. Eine solche würde zu faktisch abgeschlossenen Teilmärkten führen, in denen Newcomer keine Möglichkeit erhielten ihre Leistungsfähigkeit darzulegen und Ausschreibungen nur unter bereits erfahrenen Bietern vergeben werden könnten.
Die Vergleichbarkeit der Leichtverpackung-Sammlung und der Hausmüllsammlung bestand darin, dass in beiden Arten der Leistungserbringung eine geregelte Abfallsammlung bei Privathaushalten erfolgte, ähnliche Müllabfuhrfahrzeuge benötigt wurden und eine funktionierende Logistik und Tourenplanung erforderten. Rein technische Unterschiede bei der Auftragsdurchführung, wie die Entsorgung aus Abfalltonnen oder aus Säcken, waren nicht von zentraler Bedeutung für die Vergleichbarkeit. Es bestand auch kein wesentlicher Unterschied der Leistungen aufgrund der unterschiedlichen Gewichte des zu entsorgenden Abfalls. In der Referenzleistung umfasste dieser lediglich 3.000 Tonnen, die ausgeschriebenen Leistung hingegen 21.000 Tonnen. Die Leichtverpackungen hatten aber gegenüber dem Hausmüll ein geringeres Eigengewicht, daher bestand ein insgesamt vergleichbares Volumen.
Ebenfalls nicht maßgebliches Kriterium war der kurze Zeitraum, indem die Beigeladene die Referenzleistung als Hauptauftragnehmerin durchführte. Es war allein darauf abzustellen, dass diese den Startzeitraum der Leistungserbringung bewältigte.
Die Entscheidung des OLG München schafft neue Kriterien, anhand derer die Entscheidungen der Vergabestellen zu überprüfen sind. Sie setzt einen sehr großzügigen Prüfungsmaßstab bezüglich der Vergleichbarkeit an. Die bisherige Rechtsprechung ist sehr uneinheitlich. So nimmt auch das OLG Frankfurt eine eher weite Auslegung vor und lässt eine Ähnlichkeit der Leistungen ausreichen (Beschluss v. 24.10.2006 – 11 Verg 8/06). Die VK Baden-Württemberg stellt dagegen wesentlich auf einen vergleichbaren Schwierigkeitsgrad ab (Beschluss v. 28.10.2011 – 1 VK 54/11). Danach sah die VK die Leistungen der Containerleerung an Recyclinghöfen und der Leerung von Depot-Containern als nicht vergleichbar an. In eine ähnliche Richtung geht eine Entscheidung der VK Bund (Beschluss v. 14.12.2011 – VK 1 -153/11), wonach die Leistungen sich „nahe kommen“ sollen. In Entscheidungen der VK Brandenburg (Beschluss vom 23.06.2009 – VK 26/09) und des OLG Koblenz (Beschluss v. 07.11.2007 – 1 Verg 6/07) wurden Referenzen als nicht vergleichbar dargestellt, die für private Unternehmen und nicht, wie in der Ausschreibung als Mindestanforderung ausgewiesen, für kommunale Entsorgungsträger getätigt wurden.
Innerhalb der Rechtsprechung ist keine einheitliche Tendenz bzgl. des Prüfungsmaßstabes zu erkennen. Eine Vergleichbarkeit der Referenzleistung stellt sich aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung und des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums der Vergabestelle als Einzelfallentscheidung dar.
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts. Mehr Informationen finden Sie im Autorenverzeichnis.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.
0 Kommentare