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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 10/12/2020 Nr. 45831

Rückblick: 7. Deutscher Vergabetag 2020 digital – #dvt20digital

Der nun schon so oft als das „Klassentreffen“ titulierte Deutsche Vergabetag hatte am 29. und 30. Oktober 2020 seine Feuertaufe als rein digitale Tagung und er hat sie mit großem Erfolg bestanden! Die Organisation und komplexe technische Durchführung einer Tagung in Corona-Zeiten war ein großer gemeinsamer Kraftakt mit vielen Beteiligten. Aber auch inhaltlich beherrschte das Corona-Virus natürlich die Tagung – ein illustrierter Rückblick mit Bewegtbildern.

Beim Blick in das Programm des 7. Deutschen Vergabetags konnte man meinen, es war eigentlich alles wie immer. Die Mischung aus Keynotes, Vorträgen in den Fachpaneln, Podiumsdiskussionen und Praxisworkshops sowie die Moderatorin Dr. Nicola Ohrtmann wirkten vertraut und doch war in diesem Jahr vieles anders.

Das entscheidende Anders war, dass leider keine Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Berlin dabei sein konnten, außerdem kein Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA), das den Deutschen Vergabetag seit Beginn seines Bestehens jedes Jahr beherbergt. Immerhin der „Grüne Salon“ diente für zwei Tage als Fernsehstudio für die Produktion des Live-Hauptprogramms sowie der gesamten technischen Koordination. Der Salon fungiert in „normalen“ Zeiten als Bar, zugehörig zum Meistersaal am Potsdamer Platz, der alljährlichen Location der beliebten Abendveranstaltung (natürlich auch gestrichen in diesem Jahr).

Nach einem kurzen Warmlaufen ging es am Morgen des 29.10.2020 los: „3,2,1 – Wir sind live!“, hieß es aus der Regie. Dr. Nicola Ohrtmann und Marco Junk, einer der beiden Gründer und Geschäftsführer des DVNW, begrüßten live die über 400 Teilnehmer/-innen vor den Bildschirmen. Und dann folgt, was den Deutschen Vergabetag ausmacht – ein dichtes und stark besetztes Programm. Die erste Zuschaltung fand mit Dr. Katharina Knapton-Vierlich (Geschäftsführende Referatsleiterin, Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU) statt, die nicht einfach nur bedauern wollte nicht vor Ort sein zu können, sondern auch die Chancen digitaler Tagungen und Zusammenarbeit betonte. Immerhin könnten nun auch viele dabei sein, die unter normalen Bedingungen dazu keine Chance hätten, so Dr. Knapton-Vierlich. Und in der Tat war dies erfreulicherweise der Fall.

Dr. Knapton-Vierlich hob in ihrer Keynote unter anderem die große Bedeutung öffentlicher Investitionen hervor, die ja letztlich über die Tische der öffentlichen Beschaffer/-innen liefen. Damit unterstrich sie, wie bereits im letzten Jahr, die enorme Wichtigkeit der beruflichen Tätigkeit des Großteil der Tagungsgäste.

Im Studio sprach anschließend Dr. Philipp Steinberg (Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)) seine Keynote und zeigte sich beeindruckt von dem immensen Technikaufgebot für die Produktion. Steinberg wurde dann aber schnell ernst, als er daran erinnerte, dass die Bundesrepublik derzeit den stärksten Wirtschaftseinbruch in ihrer Geschichte erlebe. Die enormen Konjunkturmaßnahmen und insbesondere die öffentlichen Investitionen, die es nun gebe, führten letztlich in die öffentliche Beschaffung und er sprach dabei, wie Dr. Knapton-Vierlich zuvor, direkt in die Richtung der Zuschauer/-innen, die jetzt vor immensen Herausforderungen stünden. Ziel muss es sein, den öffentlichen Einkauf fit für die Zukunft zu machen, aber auch gegenwärtig bestmöglich zu unterstützen, so Dr. Steinberg.

Wie bereits im letzten Jahr hatte Dr. Steinberg zwei Fragen zur Abstimmung für das Plenum mitgebracht, die über die digitale Tagungsplattform bereitgestellt wurden. Die Präsentation und Besprechung der Ergebnisse finden Sie am Ende der Keynote im Video (Minute 23:10).

Gefragt werden und die eigene Meinung einbringen, genießt bei allen DVNW-Tagungen höchste Priorität – natürlich auch im digitalen Format. Um den Weg inhaltlich in die erste Podiumsdiskussion zu bereiten, gab es daher weitere Abstimmungsfragen.

Mit Ergebnissen der Umfrage leitete Dr. Ohrtmann dann in die erste große Konferenzschaltung zur Podiumsdiskussion „Die Corona-Krise und ihre Folgen für die öffentliche Beschaffung – Konjunkturpolitik trifft auf Vergaberecht“ über. Neben Dr. Knapton-Vierlich in Brüssel und Dr. Steinberg im Studio, waren außerdem zugeschaltet dabei:

– Dr. Ruth Brand (Direktorin, Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums (BeschA))

– Prof. Dr. Marcel Fratzscher, Ph.D. (Präsident, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW))

– Norbert Portz (Beigeordneter und Dezernatsleiter Vergaberecht, Städtebau und Umwelt, Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB))

Interaktive Beteiligung auch hier, da über den Chat Fragen in die Runde gestellt werden konnten.

Nach einer kurzen Pause ging es dann weiter mit dem Fachpanel Recht, das die Befassung mit der Rechtsprechung natürlich deswegen immer so interessant macht, da hier traditionell Richterinnen und Richter der obersten Gerichte aus erster Hand vortragen.

In diesem Jahr erstmalig dabei, Dr. Cornelia Holldorf (Vorsitzende des Vergabesenats am Kammergericht Berlin), wieder mal dabei Jörg Wiedemann (Richter, 2. Zivilsenat, Kartell- und Vergabesenat am Oberlandesgericht Naumburg) und ebenfalls erstmalig Prof. Dr. Matthias Einmahl (ehemaliger Richter und nun Hochschullehrer an der Hochschule für Polizei und Verwaltung Nordrhein-Westfalen), der auch Dozent in der DVNW Akademie ist.

Außerdem hielt Dr. Bettina Krug (Referat IB6 -Öffentliche Aufträge, Vergabeprüfstelle, Immobilienwirtschaft, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)) noch ein ergänzendes Kurzreferat von hoher Aktualität zur neuen Vergabestatistik.

Hier endete das Hauptprogramm des ersten Tagungstages aus dem Studio in Berlin, und nach so vielen Informationen wurde es dann Zeit für eine wohlverdiente Pause. Wenn sich in „normalen“ Zeiten im Besucherzentrum des Bundespresseamtes (BPA) die großen Saaltüren öffnen und einem der Duft des Mittagsbuffets entgegenströmt, blieb nun bei vielen nur der Gang in die heimische Küche, der Lunch am Schreibtisch oder in die Kantine mit Kontaktbeschränkungen. Es sind auch die Pausen und die Abendveranstaltung, die neben den vielen fachlichen und politischen Inhalten, den Deutschen Vergabetag zu dem Jahresereignis machen, der er ist. Über Gehörtes zu sprechen, zu diskutieren, nette Menschen (wieder) zu treffen, sich zu vernetzen – all dies fehlte ohne Übertreibung schmerzlich in diesem Jahr.

Gewöhnlich laden im Foyer des BPA die vielen fachausstellenden Unternehmen und Intuitionen ein, sich mit ihren Informationsangeboten zu befassen und sich auszutauschen. Im digitalen Format fand dies in einer virtuellen Fachausstellung seine Entsprechung – natürlich nicht wirklich vergleichbar, aber dennoch hoch informativ. Der persönliche Kontakt blieb auf eine Chatfunktion am Stand beschränkt – harte Zeiten eben und daher umso erfreulicher, dass Aussteller an Bord waren und dabei auch neue Wege der Präsentation beschritten, beispielsweise im Rahmen von Live-Sessions online. Ein Angebot, das großen Anklang fand und somit ein Mehrwert des digitalen Formats zum Tragen kam.

Ab 14 Uhr ging es dann für den Rest des Tages mit den beliebten Praxisworkshops weiter. Das Schöne hierbei, auch Workshops, die nicht live besucht wurden, konnten bequem in der Mediathek im Nachgang angeschaut werden – alle anderen Vorträge und die Podiumsdiskussionen selbstverständlich auch.

Tag 2

Der zweite Tag begann für die Teilnehmer/-innen wegen fehlender Abendveranstaltung zumindest nicht übernächtigt.

Neben der Corona-Krise ist der Klimaschutz eines der großen Themen der öffentlichen Beschaffung – und dies natürlich auf ganz lange Sicht. Schließlich sollen die nun auch zusätzlich bereitstehenden Konjunkturmittel und öffentlichen Investitionen, zumindest teilweise, eine klimaschützende und transformative Wirkung entfalten – an der Stelle ist daran zu erinnern, dass die EU im Jahre 2050 klimaneutral sein will. Die zweite Podiumsdiskussion stand daher unter der Überschrift: „Klimaschutz durch öffentliche Beschaffung – Wie kann der European Green Deal gelingen?“.

Aus Brüssel war für die Diskussion Anne Schröder (Legal Officer, Europäische Kommission, Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU) zugeschaltet, aus Bonn war Ilse Beneke (Leiterin der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums (BeschA)) verbunden und im Studio saßen – natürlich auf Abstand – Dr. Thomas Solbach (Referatsleiter, Referat IB6 – Öffentliche Aufträge, Vergabeprüfstelle, Immobilienwirtschaft, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)) und Marina Köhn (Umweltbundesamt (UBA), Beratungsstelle nachhaltige Informations- und Kommunikationstechnik).

Dass es sich bei dem Thema um einen Volltreffer handelte, zeigte sich unter anderem daran, dass die während Diskussionen eingehenden Fragen und Meinungsbeiträge so zahlreich waren. Es waren letztlich so viele, dass wegen der Zeitknappheit gar nicht alles thematisiert werden konnte und daher eine Fortsetzung der Diskussion im nächsten Jahr stattfinden soll.

Nach der Diskussion ging es im Programm gleich weiter, schließlich standen die Referentinnen und Referenten schon in den virtuellen Warteräumen bereit.

Das Fachpanel Markt war thematisch wieder bunt besetzt und eröffnete mit einem rein rechtlichen Vortrag von Dr. Johannes Lux (Vorsitzender der Vergabekammer des Landes Berlin) zum Themenfeld Nachprüfungsverfahren und setzte fort mit Felix Zimmermann (Abteilungsleiter Zentralstelle IT-Beschaffung (ZIB), Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums (BeschA)), der über die Lessons Learned der Beschaffungen in Corona-Zeiten berichtete. Annette Schmidt (Leiterin Grundsatzreferat Vergabe und Zentrale Vergabestelle, Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes NRW) gab einen interessanten Einblick in den Stand der Umsetzung des digitalen Nachprüfungsverfahrens in NRW. Der papierlose Zugriff der Nachprüfungsinstanzen auf Vergabeakten ist ein weiterer wichtiger Fortschritt in der Modernierisierung des deutschen Vergabewesens.

Immer ein schöner und wichtiger Moment des Deutschen Vergabetags ist die abendliche Verleihung der DVNW- Awards für die Autoren der meistgelesenen Urteilsbesprechungen im Vergabeblog, der sich auch durch diese stets so hervorragenden und kompetenten Beiträge zu dem meistgelesenen Fachmedium in der Vergabewelt entwickelt hat – dafür gilt den Preisträgerinnen und Preisträgern, aber auch allen anderen Autorinnen und Autoren, ganz großer Dank!

Der Situation geschuldet, konnte die Preisverleihung diesmal „nur“ im Studio stattfinden, aber dennoch war es ein tolles Ereignis, da aus der Ferne zwei Videobotschaften übertragen wurden und eine Preisträgerin im Studio zusammen mit Marco Junk (Geschäftsführer des DVNW & Gründer des Vergabeblogs) und Dr. Nicola Ohrtmann mit einem Glas Sekt anstoßen konnte.

Dies diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger sind:

Platz 1
Michael Pilarski – Vergabefehler in Beschäftigungsverhältnissen und ihre Folgen für den Mitarbeiter,

Platz 2
Constanze Hildebrandt – Unterschriftszeile in Formblättern bei Textform unbeachtlich! (OLG Naumburg, Beschl. v. 04.10.2019 – 7 Verg 3/19),

Platz 3
Tim Kuhn – Ausschluss oder kein Ausschluss, das ist hier die Frage (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.02.2020 – Verg 24/19),

Platz 4
Julia Gielen – Rettung vor dem Vollst(r)ecker: Die Bewertung einer mündlichen Präsentation als Zuschlagskriterium ist zulässig (VK Bund, Beschl. v. 22.11.2019 – VK 1-83/19),

Platz 5
Holger Schröder – Neue Fesseln für Inhouse-Vergaben? (EuGH, Urt. v. 03.10.2019 – C-285/18 – Irgita),

An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass neue Autorinnen und Autoren stets herzlich eingeladen sind Teil der Autoren-Community zu werden. Bei Interesse schreiben Sie uns an info@dvnw.de.

Die Preisverleihung markierte dann auch den Schlusspunkt und die Verabschiedung aus Berlin. Dr. Nicola Ohrtmann fasste noch einmal das Geschehene dieser Digitalpremiere des 7. Deutschen Vergabetags zusammen und schloss mit der Hoffnung – wie sollte es anders sein – auf ein persönliches Wiedersehen im gewohnten Rahmen im nächsten Jahr. Das Ende des Hauptprogramms war aber wie immer nicht das Ende des zweiten Tagungstages, da sich nach einer einstündigen Pause, die Innovationsforen und Praxisworkshops anschlossen.

Übrigens, der Rückblick zum 6. Deutschen Vergabetag (siehe hier) schloss mit dem Satz:

Nächstes Jahr folgt dann das 7. Jahr. In der Hoffnung, dass es kein Verflixtes wird, könnten Sie sich den Kongresstermin am 29. und 30.Oktober 2020 schon jetzt im Kalender vormerken“.

Vor dem Hintergrund des vielen Leids und der Entbehrungen in diesem Jahr, braucht es keiner weiteren Worte als: Passen Sie auf sich auf und versuchen Sie so gut wie möglich durch diese Zeit zu kommen! Wir sehen uns dann nächsten Herbst in Berlin zum 8. Deutschen Vergabetag!

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