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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 08/03/2017 Nr. 29496

„In drei oder vier Jahren werden sich die zahlreichen Verbesserungen zeigen“ – Interview mit Matthias Steck, Vorsitzender der Vergabekammer Südbayern und Mitglied im Beirat des DVNW

In einer kleinen Serie möchten wir Ihnen unsere Beiratsmitglieder vorstellen. Diesmal stellten wir unsere Fragen an Matthias Steck, der seit September vergangenen Jahres dem DVNW-Beirat angehört. Matthias Steck ist seit Herbst 2002 als juristischer Staatsbeamter im höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst des Freistaats Bayern tätig und seit August 2012 Vorsitzender der Vergabekammer Südbayern.
Neben der Bearbeitung von durchschnittlich 55 bis 65 Nachprüfungsanträgen jährlich, ist Matthias Steck Mitautor verschiedener vergaberechtlicher Kommentierungen und tritt regelmäßig als Referent bei vergaberechtlichen Fortbildungsveranstaltungen auf, so u.a. auch auf dem 1. Bau-Vergabetag des DVNW.

Lieber Herr Steck, wie sind Sie eigentlich zum Vergaberecht bzw. öffentlichen Auftragswesen gekommen?

Matthias Steck: Wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind: Im Jahr 2012 wurde der Vorsitz der VK Südbayern frei und niemand wollte die Stelle, da bekannt war, dass die Arbeitsbelastung hoch ist und große Rückstände bestanden. Ich habe mich dann überreden lassen… Ich hatte vorher niemals etwas mit dem Vergaberecht zu tun, war v.a. im Bau- und Fachplanungsrecht tätig. Ich hatte allerdings einige Erfahrung im Verwaltungsprozess. Der Einstieg war hart, ich hoffe, dass niemand die fragwürdigen Entscheidungen liest, die wir 2012 getroffen haben…Der Vergabesenat am OLG München musste einiges wieder geradeziehen…

… und wollten Sie je wieder davon weg? Was macht das Thema für Sie so spannend?

Matthias Steck: Nein, eigentlich nicht…
Die Tätigkeit an der Vergabekammer kommt dem Richteramt sehr nahe. Richter wollte ich schon als Jugendlicher werden, habe aber seinerzeit die Möglichkeit zum Berufseinstieg sowohl in der ordentlichen als auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht genutzt, obwohl ich die Möglichkeit gehabt hätte.
Am Vergaberecht gefällt mir, dass es ein junges Rechtsgebiet im Werden ist, in dem noch viele ungeklärte Bereiche bestehen. Zudem ist das Spektrum der dahinterliegenden Lebenssachverhalte sehr breit und die häufigen technischen Bezüge sehr interessant.
Als überzeugter Europäer möchte ich durch die korrekte und konsequente Umsetzung des europäischen Vergaberechts einen ganz kleinen Beitrag zum großen Ziel eines vereinten Europa beitragen.

Sie sind Mitglied im Beirat des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW). Aus welchem Grund engagieren Sie sich ehrenamtlich für das Netzwerk?

Matthias Steck: Ich bin ja sehr freundlich gefragt worden, ob ich das machen möchte und zwar zu einem Zeitpunkt, wo ich mich erst seit ca. 4 Jahren mit dem Vergaberecht beschäftigt habe – das habe ich als große Anerkennung empfunden. Die Wissensvermittlung im Vergaberecht liegt mir sehr am Herzen, zumal in der öffentlichen Hand nach meinem Empfinden insoweit ein erhebliches Ausbildungsdefizit besteht. Ich habe mich, solange ich im öffentlichen Dienst tätig bin, immer in der Ausbildung – sei es der Rechtsreferendare, sei es der Verwaltungsfachangestellten – engagiert. Die Mitarbeit im DVNW ist – in sehr bescheidenem Rahmen – eine gewisse Fortsetzung dieser Tätigkeit.

Was glauben Sie, ist der größte Nutzen des DVNW für seine Mitglieder?

Matthias Steck: Eine schöne Einrichtung finde ich das Forum, auch wenn dort aufgrund meiner Tätigkeit und aus Zeitgründen kaum aktiv sein kann. Aber der direkte und sachliche Austausch, der dort stattfindet, kann gerade für Mitarbeiter der Vergabestellen, die mit ihren Schwierigkeiten oft sehr alleingelassen sind, sehr hilfreich sein. Ich lese da gerne mit, wenn ich irgendwie mal Zeit habe.

Das neue Vergaberecht für den Oberschwellenbereich ist jetzt seit dem 18. April 2016 in Kraft. Ihr vorläufiges Zwischenfazit?

Matthias Steck: Derzeit – und gerade aus der Sicht der Vergabekammer, die ja v.a. die pathologischen Fälle bekommt – überwiegen natürlich die Übergangsschwierigkeiten. Es gibt eine große Anzahl ungelöster Fragen und die Umstellung auf die E-Vergabe verschärft den Umbruch noch.
In drei oder vier Jahren erst werden sich die zahlreichen Verbesserungen zeigen: Durch die größere Regelungsdichte lässt sich vieles mit einem Blick ins Gesetz lösen, wo man vorher die Rechtsprechung kennen musste.
Die E-Vergabe wird ihre zahlreichen Vorteile – allein schon durch den faktischen Zwang zu strukturiertem Vorgehen und Dokumentation – ausspielen, wenn sie einmal etabliert ist.

… und dann kommt bestimmt die nächste Reform.

Abschließend, wo besteht aus Ihrer Sicht der größte Reformbedarf im Vergaberecht?

Matthias Steck: Das ist für mich gar nicht so einfach zu beurteilen:

Die Vergaberechtsreform hat – schon auf der Ebene der Richtlinien, aber erst in der nationalen Umsetzung – das Ziel der Vereinfachung teilweise verfehlt. Rechtsvereinfachung ist in einer komplexen Gesellschaft aber auch schwer zu erreichen. Das Vergaberecht wird meines Erachtens aber auch zu Unrecht als so schwierig angesehen, der Eindruck entsteht vielmehr durch das von mir bereits angesprochene Ausbildungs- und Wissensdefizit bei vielen Beteiligten.
Zudem ist die Rechtsakzeptanz des Vergaberechts – als junges Rechtsgebiet – ziemlich gering. Es gibt wenige Rechtsgebiete bei denen Verstöße ebenso als „Kavaliersdelikt“ gelten, wie im Vergaberecht. Man will es oft gar nicht so genau wissen.
Ein einheitliches Regelwerk in Form eines – wie auch immer gearteten Vergabegesetzes wäre sicher wünschenswert, ebenso ein effektiver Rechtsschutz im Unterschwellenbereich. Aus- und Fortbildung im Vergaberecht und die Förderung der Rechtsakzeptanz halte ich derzeit aber für wichtiger als weitere Reformschritte.

Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die VOB/A abgeschafft werden soll.

Vielen Dank für das Interview, Herr Steck!

Lesen Sie auch die bislang erschienenen Interviews mit den Beiratsmitgliedern Norbert Portz, Hans-Peter Müller, Martin Hake, Anja Theurer und Michael Eßig.

Alle Mitglieder des DVNW Beirats finden Sie hier.


Über das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW):
Das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) vereint Experten und Entscheider im Vergaberecht und Public Sector. Dazu zählen öffentliche Einkäufer aus Bund, Ländern und Kommunen, überregional tätige Organisationen und NGOs, ebenso wie global aufgestellte Unternehmen und leistungsstarke Mittelständler. Das DVNW repräsentiert damit wie kein zweites Netzwerk den Public Sector in Deutschland. Das DVNW ermöglicht und fördert als unabhängige Plattform den Wissens- und Erfahrungsaustausch seiner Mitglieder und ist u. a. Veranstalter des Deutschen Vergabetages. Der ehrenamtliche Beirat des DVNW berät und unterstützt das DVNW in fachlicher Hinsicht.

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