§ 8 Abs. 3 VOL/A; §§ 9 Abs. 4, 19 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 lit. a) EG VOL/A
Fordert der Auftraggeber einer VOL-Vergabe von Bietern Eignungsnachweise, muss er diese zwingend in einer abschließenden Liste zusammenstellen. Tut er dies nicht, kann er Bieter nicht wegen fehlender Nachweise vom Verfahren ausschließen. Dies hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 03.08.2011 (VII-Verg 30/11) entschieden.
Der Auftraggeber schrieb Postdienstleistungen nach der VOL/A 2009 aus. In der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen forderte er von den Bietern an verschiedenen Stellen zahlreiche Nachweise ab. Ein Bieter reichte ein Angebot ein, vergaß jedoch einen Nachweis beizufügen. Dies, obwohl er in seinem Angebotskonzept ausdrücklich auf diesen Nachweis Bezug nahm. Daraufhin schloss ihn die Vergabestelle vom Verfahren aus. Der Bieter rügte den Ausschluss und reichte einen Nachprüfungsantrag ein. Er habe nicht ausgeschlossen werden dürfen, da die Vergabeunterlagen des Auftraggebers keine abschließende Nachweisliste enthielten. Ob er auf den fehlenden Nachweis ausdrücklich Bezug genommen habe, spiele keine Rolle.
Mit Erfolg! Das OLG Düsseldorf folgte den Argumenten und verpflichtete den Auftraggeber, das Angebot des Antragstellers in der weiteren Wertung zu berücksichtigen. Außerdem stellte es nähere Anforderungen an die Nachweisliste auf und nahm zu den Rechtsfolgen Stellung.
Nachweisliste nach VOL/A zwingend
§ 9 Abs. 4 EG VOL/A lautet:
„Sofern die Auftraggeber Nachweise verlangen, haben sie diese in einer abschließenden Liste zusammenzustellen.“
Der Wortlaut ist mit § 8 Abs. 3 VOL/A in Abschnitt der VOLA identisch.
Der Vergabesenat stellte zunächst klar, dass diese Vorschrift eine zwingende Anforderung an Auftraggeber aufstellt, von der keine Ausnahmen zugelassen werden. Sie bezieht sich auf sämtliche verlangten Nachweise, unabhängig davon, ob sie die Eignung oder andere Umstände betreffen.
Bietern soll hierdurch die Angebotslegung erleichtert werden. Zudem sollen die Fehlerquellen für unnötige Angebotsausschlüsse minimiert werden. Denn in der Praxis sind Angebote häufig gerade aufgrund fehlender Nachweise unvollständig. Die frühere Rechtsprechung hierzu war sehr streng: Fehlte einem Angebot ein zwingend geforderter Eignungsnachweis, war dieses zwingend nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2006 auszuschließen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.12.2004, VII-Verg 81/04). Hier bietet § 9 Abs. 4 EG VOL/A Bietern künftig eine Orientierung im Dickicht der mitunter komplexen Vergabeunterlagen.
Zur Bedeutung des § 9 Abs. 4 EG VOL/A führt der Vergabesenat weiter aus:
„Sowohl der Wortlaut (abschließende Liste) als auch der Sinn und Zweck der Norm gebieten die Deutung, dass der Auftraggeber sämtliche verlangten Nachweise … in einer den Vergabeunterlagen beizufügenden und für die Bieter als Überblick (gewissermaßen als „Checkliste“, auf „einen Blick“ und zum „Abhaken“) verwendbaren, verlässlichen Aufstellung ungeachtet dessen, dass solche Nachweise bereits aus den übrigen Vergabeunterlagen hervorgehen, nochmals gesondert in einer zusammenfassenden Liste aufzuführen und diese spätestens mit den Vergabeunterlagen bekannt zu geben hat. Dieses aus § 9 Abs. 4 VOL/A-EG folgende Gebot ist bieterschützend.“
Kenntnis des Bieters vom Nachweis unbeachtlich
Ob der Nachweis bereits in der Bekanntmachung gefordert wurde oder sich an anderer Stelle in den Vergabeunterlagen findet, ist unerheblich, solange es keine förmliche Nachweisliste gibt. Denn deren Fehlen hat zur Folge, dass der Nachweis von Beginn an nicht wirksam gefordert wurde. Auch ein Ausschluss des Angebots nach § 19 Abs. 3 lit. a) EG VOL/A ist dann nicht zulässig. Weitere Folge ist, dass der Auftraggeber keine Möglichkeit zur Nachforderung nach § 19 Abs. 2 S. 1 EG VOL/A einzelner Nachweise hat. Denn was nicht wirksam gefordert wurde, kann auch nicht nachgefordert werden.
Das Argument, Sinn und Zweck der Nachweisliste seien erfüllt, da der Bieter die Nachweisforderung gekannt und in seinem Angebotskonzept angekündigt, jedoch schlichtweg vergessen habe, ließ der Vergabesenat ebenfalls nicht gelten. Gerade in Fällen arbeitsteiliger Angebotserstellung könne nicht ausgeschlossen, dass ein Mitarbeiter den Nachweis erwähnt, ein anderer jedoch übersieht, dass er beizufügen ist.
Fazit
Auftraggeber sollten gewarnt sein. Der Beschluss trifft klare Aussagen und stellt fest, dass die Forderung einer abschließenden Nachweisliste zwingend ist. Fehlt sie, kommt auch eine Heilung nicht in Betracht. Die Aussagen des OLG Düsseldorf können auf § 8 Abs. 3 VOL/A für Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte übertragen werden. Auftraggeber sollten insbesondere auch dann eine abschließende Nachweisliste beifügen, wenn sie nur einen einzigen Nachweis fordern.
Bieter dagegen werden die Botschaft gern vernehmen, denn ihre Rechte wurden nachdrücklich gestärkt. § 9 Abs. 4 EG VOL/A ist in Zusammenhang mit § 19 Abs. 2 S. 1 EG VOL/A zu sehen. Beide Normen sollen Bieter vor zu schnellen Angebotsausschlüssen schützen. Anders als § 16 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 VOB/A, überlasst es § 19 Abs. 2 S. 1 EG VOL/A jedoch dem Ermessen des Auftraggebers, ob er wirksam geforderte, aber fehlende Nachweise nachfordert. Umgekehrt verpflichtet die VOB/A Auftraggeber nicht, eine abschließende Nachweisliste aufzustellen. So zeigt sich einmal mehr, dass der „große Wurf“ zur Angleichung von VOL/A und VOB/A nicht gelungen ist.
Der Autor Dr. Daniel Soudry, LL.M., ist Rechtsanwalt in der Sozietät HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK in Düsseldorf. Er berät Auftraggeber und Bieter bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren. Außerdem betreut er Projekte der öffentlichen Hand. Mehr Informationen finden Sie im Autorenverzeichnis.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren
Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin). Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.
danke, ich fand es hilfreich, dass Sie im Fazit auch die Querverweise auf die VOB mit aufgenommen haben. Denn nicht nur, dass die Regelungen im Ober-/Unterschwellenbereich unterschiedlich sind, verwirrt es zusätzlich, dass auch die einzelnen Vergabe- und Vertragsordnungen voneinander abweichen. Zu allem Übel muss man dann auch noch die dazu ergehende Rechtsprechung jeweils richtig zuordnen. Fachanwälte mögen diese Situation begrüßen, weil dieser Regelungswirrwarr ihre Geschäftstätigkeit sicherstellt, aber als Praktiker mag man manchmal verzweifeln.