Ein einzelnes Mitglied einer Bietergemeinschaft kann einen Vergaberechtsverstoß nicht wirksam rügen. Dies hat das OLG Dresden mit Beschluss vom 23.07.2013 (Verg 4/13) entschieden und den Nachprüfungsantrag einer Bietergemeinschaft mangels rechtzeitiger Rüge zurückgewiesen.
§ 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB
Sachverhalt
Eine Bietergemeinschaft nahm an einem europaweiten Offenen Verfahren über den Abschluss eines Rahmenvertrages für Straßenbauarbeiten teil. Einziges Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Nach Erhalt eines abschlägigen Vorabinformationsschreibens rügte ein einzelnes Mitglied der Bietergemeinschaft einen behaupteten Vergaberechtsverstoß. In dem Schreiben hieß es auszugsweise:
„Hiermit lege ich Widerspruch gegen o.g. Entscheidung zur Vergabe der Ausschreibung ein. … Ich hoffe auf schnellstmögliche Rückinfo.“
Ein Mitarbeiter dieses Unternehmens unterzeichnete das Rügeschreiben, versah es mit dem eigenen Firmenstempel und verschickte es anschließend vom eigenen Faxgerät an den Auftraggeber.
Gesamte Bietergemeinschaft muss rügen
Der Auftraggeber wies die Rüge zurück. Er begründete dies damit, dass nur die Bietergemeinschaft, nicht aber ein einzelnes Mitglied rügen könne. Dem folgte der Vergabesenat und erklärte die Rüge für formunwirksam. Die Rüge eines Vergaberechtsverstoßes kann nur von einer Bietergemeinschaft insgesamt erhoben werden, da sie das Angebot eingereicht hat und nur sie in eigenen Rechten verletzt sein kann.
Insoweit half auch der Einwand nicht weiter, dass die übrigen Mitglieder das Unternehmen intern zu der Rüge im Namen der Bietergemeinschaft ermächtigt hätten. Denn das einzelne Mitglied der Bietergemeinschaft kann zwar nach den Grundsätzen der gewillkürten Prozessstandschaft fremde Rechte – hier die Rechte der Bietergemeinschaft – im eigenen Namen geltend machen, wenn es hierzu ermächtigt wurde und ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat. Die Ermächtigung muss jedoch aus Gründen der Klarstellung nach außen offengelegt gemacht werden. Daran fehlte es bei der rein internen Absprache. Aus dem äußeren Erscheinungsbild des Schreibens ging außerdem hervor, dass das Mitglied der Bietergemeinschaft irrtümlich eigene Rechte im eigenen Namen geltend machen wollte, so dass für eine Rüge in Prozessstandschaft kein Raum war.Bevollmächtigtes Mitglied darf im Namen der Bietergemeinschaft rügen
Anders liegt der Fall, wenn ein Unternehmen die Rüge erhebt, das bereits im Vergabeverfahren als bevollmächtigtes Mitglied der Bietergemeinschaft benannt wurde. Dann kann die Rüge im Einzelfall als Rüge der Bietergemeinschaft auszulegen sein. Wird sie hingegen deutlich erkennbar im eigenen Namen erhoben, ist die Formunwirksamkeit der Rüge auch dann nicht ausgeschlossen.
Veranstaltungshinweis
Zu dieser und weiteren praxisrelevanten Entscheidungen wird Dr. Daniel Soudry beim VergabeFORUM am 21.11.2013 in Berlin einen Vortrag mit dem Titel „Fallstricke bei Bietergemeinschaften und Nachunternehmern“ halten. Weitere Informationen und Anmeldung zur Veranstaltung erhalten Sie hier.
Dr. Daniel Soudry, LL.M.
Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin). Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.
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