In der juristischen Auseinandersetzung um die Vergabe der Postdienstleistungen der Stadt Dortmund hat der Vergabesenat des OLG Düsseldorf am 29.07.2009 entschieden (VII-Verg 18/09), dass die Forderung nach Zahlung eines Mindestlohnes unzulässig ist. Die Stadt Dortmund hatte von den Bietern die Vorlage einer Erklärung über die Zahlung des Mindestlohns nach der Postmindestlohnverordnung verlangt. Vor dem Hintergrund der alten Fassung des GWB erklärte das OLG Düsseldorf diese Forderung für vergaberechtswidrig.
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es sich bei dieser der Tariftreue geltenden Forderung um eine weitergehende Anforderung an die Eignung handelt. Deren Zulässigkeit bestimmt sich nach § 97 Abs. 4, 2. Hs. GWB a.F. Danach dürfen weitergehende Anforderungen nur durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen werden. Die Tarifregelung muss mithin unmittelbar in einem formellen Bundes- oder Landesgesetz selbst getroffen worden sein.
Daran fehlt es nach Ansicht des OLG Düsseldorf im Streitfall. Der Tarifvertrag vom 29.11.2007 über Mindestlöhne für die Branche der Briefdienstleistungen ist nicht durch ein Gesetz im formellen Sinn, sondern lediglich durch die Postmindestlohnverordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28.12.2007 für verbindlich erklärt worden.
Fazit: Das OLG Düsseldorf bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach der öffentliche Auftraggeber ohne eine Ermächtigung durch Bundes- oder Landesgesetz nicht berechtigt ist, Angebote allein deswegen von der Wertung auszuschließen, weil den Preisen nicht der für allgemein verbindlich erklärte oder ein sonstiger Tarifvertrag zu Grunde gelegt worden ist oder die Bieter eine dahingehende Zusicherung verweigert haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.05.2008 – Verg 5/08; Beschluss vom 08.12.2008 – Verg 55/08).
Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung vom 29.07.2009 auf Grundlage der alten Fassung des GWB ergangen ist. Aber auch nach Inkrafttreten der GWB-Novelle wird dies wohl nicht die letzte Entscheidung in Sachen Mindestlohn und Tariftreue gewesen sein.
Zwar können nach § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB n. F. an die Auftragnehmer nunmehr auch zusätzliche auftragsbezogene Anforderungen, insbesondere soziale Aspekte gestellt werden. In der Gesetzesbegründung wird als Beispiel eine angemessene Bezahlung zur Sicherstellung der Qualifikation von Wachpersonal genannt. Voraussetzungen sind jedoch, dass die Anforderungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Darüber hinaus sind nach der Rechtsprechung des EuGH Tariftreueregelungen nur unter Berücksichtigung der Vorgaben der Entsenderichtlinie europarechtlich zulässig (vgl. EuGH; Rechtssache „Rüffert“, Urteil vom 03.04.3008 – Rs. C-346/06).
Die Frage, inwieweit diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, wird nicht immer einfach zu beantworten sein und birgt mithin ausreichend Konfliktpotential. Da reicht es nicht aus, wenn in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich ausführt wird, dass „nach der Rechtsauffassung der Bundesregierung […] allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge von Öffentlichen Auftraggebern unter dem Aspekt der Zuverlässigkeit zwingend zu beachten sind […]“.
Den Beschluss des OLG Düsseldorf im Volltext finden Sie hier.
Dr. Christian-David Wagner
Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.
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