Nimmt ein Bieter Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vor, ist das betreffende Angebot von der Wertung auszuschließen (vgl. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d) VOL/A bzw. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A). Dies gilt selbst dann, wenn die Erklärungen eines dem Angebot beigefügten Begleitschreibens die Verdingungsunterlagen abändern. Was aber gilt, wenn der öffentliche Auftraggeber selbst seine Verdingungsunterlagen nach Aufforderung zur Angebotsabgabe abändert?
Die Zulässigkeit einer nachträglichen Änderung der Verdingungsunterlagen bestimmt sich nach den Grundsätzen der Selbstbindung des Auftraggebers und des Vertrauensschutzes der Bieter. Daraus folgt, dass die den Bietern bekannt gemachten Verdingungsunterlagen grundsätzlich unverändert bleiben müssen.
Im Hinblick auf das berechtigte Interesse des Auftraggebers, diejenige Leistung zu erhalten, die er benötigt, lässt die Rechtsprechung in bestimmten Fällen allerdings Ausnahmen von diesem Änderungsverbot zu.
Danach sind nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen der Verdingungsunterlagen dann zulässig, soweit sie der Korrektur von Fehlern oder Ungenauigkeiten, der Präzisierung von Darstellungen u.ä. dienen. Darüber hinaus werden Änderungen geringen Umfangs dann als vergaberechtskonform angesehen, wenn diese die Grundlagen des Wettbewerbs und der Preisbildung nicht grundlegend verändern und den Entschluss der Unternehmen zur Beteiligung oder Nichtbeteiligung am Wettbewerb nicht berühren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2008 – Verg 15/08; 2. VK Bund, Beschluss vom 27.03.2007 – VK 2 – 18/07).
Ferner sei es zulässig, wenn die Vergabestelle bei einer ohnehin gebotenen Anpassung der Verdingungsunterlagen – etwa aufgrund eines Nachprüfungsverfahrens – neue Erkenntnisse verarbeitet und in die Verdingungsunterlagen einbringt (3. VK Bund, Beschluss vom 05.03.2008 – VK 3-32/08).
Für die Vergabepraxis gilt: Besteht auf Seiten der Vergabestelle ein Handlungszwang, sei es infolge eines Nachprüfungsverfahrens, einer berechtigten Beanstandung oder notwendiger Korrekturen bzw. Klarstellungen der Verdingungsunterlagen, sind nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen grundsätzlich zulässig. Ansonsten ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die Änderungen geringen Umfangs sind und sie die Grundlagen des Wettbewerbs und der Preisbildung nicht grundlegend verändern.
In jedem Fall sind die Vergabestellen jedoch verpflichtet, alle Bieter über die Änderungen und Ergänzungen zu informieren. Werden die Verdingungsunterlagen gänzlich überarbeitet, ist es empfehlenswert, die Änderungen farblich zu kennzeichnen. Soweit erforderlich, ist die Angebotsabgabefrist sowie die Zuschlags- und Bindefrist angemessen zu verlängern.
Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.
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