Auch wenn sich der Gesetzgeber bislang zu einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht durchringen konnte: Die Rechtsprechung kommt immer häufiger zu dem Ergebnis, dass Bietern auch bei Auftragsvergaben unterhalb EU-Schwellenwerte grundsätzlich der Prozessweg eröffnet ist. Zuletzt hat das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 13.01.2010 (27 U 1/09) bestätigt, dass sich Bieter gegen rechtswidrige Vergabeentscheidungen gerichtlich zur Wehr setzen können. Dabei greift der Rechtsschutz nach Auffassung des OLG Düsseldorf nicht erst bei willkürlichem Verhalten der Vergabestelle – ein Ansatz, der zu einer deutlichen Erweiterung des Rechtsschutzes im Unterschwellenbereich führt.
Lange war umstritten, ob Bietern bei Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte der Prozessweg offen steht. Während die ältere Rechtsprechung dies noch mehrheitlich ablehnte und das BVerfG diese Frage in einer Grundsatzentscheidung vom 24.10.2006 (Az. 1 BvR 1160/03) letztlich offen ließ, haben die Gerichte in den letzten Jahren zunehmend Bieterbeschwerden gegen Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich zugelassen. Dabei kann seit dem Beschluss des BVerwG vom 02.05.2007 (Az. 6B 10.07) als geklärt gelten, dass die Zivilgerichte (und nicht die Verwaltungsgerichte) für die Prüfung der Beschwerden zuständig sind.
Solange der Zuschlag noch nicht erteilt ist, haben Bieter somit grundsätzlich die Möglichkeit, sich auch bei Unterschwellenvergaben – im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – gegen die Vergabeentscheidung zur Wehr zu setzen. Gleichwohl waren die Chancen der Bieter, bei derartigen Prozessen zu obsiegen, bislang eher marginal. Denn für ein erfolgreiches Vorgehen verlangen die Gerichte mehrheitlich den Beleg, dass die Vergabestelle vorsätzlich oder zumindest willkürlich (d.h. aufgrund Grundlage sachfremder Motive) gegen das Vergaberecht verstoßen hat. Ein Nachweis, der nur in den seltensten Fällen gelingt.
Das OLG Düsseldorf betont in seiner Entscheidung vom 13.01.2010 dagegen, dass nicht bloß willkürliche Akte sondern jeder objektive Vergaberechtsverstoß einen Unterlassungsanspruch des Bieters begründen kann. Verspricht der öffentliche Auftraggeber die Einhaltung bestimmter Vergaberegeln (wie die VOB/A oder die VOL/A), haben die teilnehmenden Bieter einen Anspruch auf Einhaltung dieser Regeln. Der Anspruch auf rechtmäßiges Verhalten folge dabei aus dem durch das Versprechen begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB. Das OLG Düsseldorf bestätigt damit seine bereits im Beschluss vom 15.10.2008 (Az. 27 W/08) vertretene Rechtsauffassung zu einem weiter greifenden Bieterrechtsschutz im Unterschwellenbereich. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Ansatz nunmehr auch bei anderen Zivilgerichten durchsetzt.
Im Übrigen könnte die Argumentation des OLG Düsseldorf nicht nur für Unterschwellenvergaben interessant sein. Begründet jedes Ausschreibungsverfahren, dem die Vergabestelle die Regelungen der VOL/A oder VOB/A zu Grunde legt, ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis, müsste der damit den Bietern eingeräumte Rechtsschutz auch für solche Vergaben gelten, die aus anderen Gründen nicht in den Anwendungsbereich des GWB fallen. Zu denken wäre dabei insbesondere an die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen.
Die Autorin Julie Wiehler, LL.M., ist Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Frhr. v.d. Bussche Lehnert Niemann Wiehler Rechtsanwälte & Notare. Sie berät und unterstützt Unternehmen und die öffentliche Hand bei öffentlichen Ausschreibungen sowie bei vergaberechtlichen Fragen in öffentlich geförderten Projekten.
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