Die Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, die festgelegten Zuschlagskriterien und Gewichtungsregeln den Bietern bekannt zu geben, ist von Anbeginn Gegenstand der nationalen und europäischen Rechtsprechung. Wie weit danach die Bekanntmachungspflicht der Auftraggeber reicht, soll nachfolgend skizziert werden.
Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 lit. b) VOL/A-EG 2009 haben die Auftraggeber spätestens in den Vergabeunterlagen alle Zuschlagskriterien und deren Gewichtung anzugeben. Unter Bezugnahme auf diverse Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (vgl. nur EuGH, Urteil vom 12.12.2002 – Rs. C-470/99; Urteil vom 24.01.2008 – Rs. C-532/06) wird in der nationalen Rechtsprechung jedoch nahezu einhellig die Ansicht vertreten, dass sich der öffentliche Auftraggeber nicht darauf beschränken darf, die Zuschlagskriterien als solche zu benennen, sondern dass er den Bietern auch die von ihm zu den Zuschlagskriterien aufgestellten Unterkriterien, Unter-Unterkriterien und Bewertungsmatrizen sowie deren Gewichtung mitzuteilen hat (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2014 – Verg 36/13).
Wie in Teil 3 der Beitragsreihe dargestellt, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit Unterkriterien auszudifferenzieren sind. Hat der Auftraggeber aber Unterkriterien, Bewertungsmatrizen, etc. aufgestellt, sind diese den Bietern vollständig mitzuteilen (VK Bund, Beschluss vom 06.12.2013 – VK 1 – 103/13). Der Auftraggeber darf keine Zuschlags- und Unterkriterien anwenden, die er den am Auftrag interessierten Unternehmen nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013 – VII-Verg 8/13; so auch OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013 – 13 Verg 8/13; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.01.2014 – 15 Verg 10/13). Unter Unterkriterien werden dabei Kriterien verstanden, die die eigentlichen Zuschlagskriterien genauer ausformen und präziser darstellen, worauf es dem öffentlichen Auftraggeber ankommt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.07.2009 – Verg 10/09).
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. b) VOL/A-EG 2009 umfasst die Bekanntmachungspflicht auch die vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Gewichtungsregeln. Gewichtungsregeln bestimmen, wie die (zu erwartenden) Angaben der Bieter zu den einzelnen Kriterien und Unterkriterien zu bewerten sind und wie beispielsweise eine Umrechnung des Preises in Wertungspunkte erfolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.07.2009 – Verg 10/09; VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.01.2010 – VK-SH 26/09). Die Bieter müssen in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung der Angebote vom Bestehen und der Tragweite eines Wertungssystems Kenntnis zu nehmen (VK Sachsen, Beschluss vom 05.05.2009 – 1/SVK/009-09).
Nicht ausreichend ist in Bezug auf die Bewertungsmethode der bloße Verweis auf die einfache Richtwertmethode, sowie der Hinweis, dass die Bewertung „in Anlehnung an die UfAB V Version 1“ erfolgen soll. Insoweit bleibt nämlich unklar, ob diese unverändert oder modifiziert zur Anwendung kommen und worin gegebenenfalls die Abwandlungen liegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2014 – Verg 36/13). Im Umkehrschluss ist der Entscheidung jedoch zu entnehmen, dass der bloße Hinweis auf die UfAB genügt, sofern ersichtlich wird, dass bzw. wie die UfAB konkret zur Anwendung kommt.
Zur Begründung der umfänglichen Bekanntmachungspflicht führt das OLG Düsseldorf aus, dass ein Bieter nur bei einer entsprechenden Kenntnis ein dem Beschaffungsbedarf und den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers entsprechendes Angebot erstellen kann. Anderenfalls läuft er Gefahr, dem öffentlichen Auftraggeber durch eine nicht zutreffende Setzung von Schwerpunkten eine (andere) Leistung anzubieten, die den Anforderungen des Auftraggebers nicht gerecht wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.01.2008 – Verg 31/07).
Fazit für die Vergabepraxis
Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, den Bietern die von ihm festgelegten Zuschlagskriterien und deren Gewichtung bekannt zu machen. Von der Bekanntmachungspflicht umfasst sind auch die Unter- und Unter-Unterkriterien, Bewertungsmatrizen und deren Gewichtungsregeln. Anderenfalls droht ihm die Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen.
Im Übrigen gilt: Gemäß § 8 Abs. 1 lit. b) VOL/A 2009 sind die öffentlichen Auftraggeber nunmehr auch im Unterschwellenbereich verpflichtet, die Zuschlagskriterien spätestens in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen anzugeben. Ausweislich des Wortlauts von § 8 Abs. 1 lit. b) VOL/A 2009 und § 16 Abs. 7 VOL/A 2009 umfasst die Bekanntmachungspflicht jedoch nicht deren Gewichtung. Aus Gründen des Transparenz- und Gleichbehandlungsgebots sind die Auftraggeber allerdings gleichwohl gehalten, die Gewichtung der Unterkriterien auch im Unterschwellenbereich mitzuteilen und sind im weiteren Verfahren daran gebunden.
Wie zu verfahren ist, wenn der öffentliche Auftraggeber Zuschlagskriterien, Unterkriterien und/oder ihre Gewichtung nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe ändert, ergänzt oder neu einführt, soll im nächsten Beitrag besprochen werden.
Anmerkung der Redaktion
Bei diesem Beitrag handelt es sich um die aktualisierte Fassung, Stand: 26. März 2015.
Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.
Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.
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