OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2010 – Verg W 8/10
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010 – VII-Verg 14/10
KG, Beschluss vom 27.11.2008 – 2 Verg 4/08
OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 – 1 Verg 8/10
Lange Zeit war es aus Sicht vieler Vergabestellen ein großes Problem, solche Bieter, die in der Vergangenheit durch eine schlechte Vertragserfüllung negativ aufgefallen sind, und die sich überdies nicht zu schade waren, sich bei vergleichbaren oder wiederholenden Ausschreibungen zu bewerben, als ungeeignet auszuschließen. Seit jüngerer Zeit hat sich die rechtliche Einschätzung hierzu infolge der neuen Spruchpraxis komplett gewandelt.
KG, Beschluss vom 27.11.2008 – 2 Verg 4/08
Den Anfang machte das Kammergericht in Berlin in dem Fall der Gebäudereinigungsausschreibung eines Berliner Bezirksamtes. Gegen Ende des Jahres 2008 stellte der Berliner Vergabesenat heraus, dass die öffentliche Hand im Falle nachgewiesener und laufend dokumentierter Verstöße des bisherigen Vertragspartners diesen sich aktuell erneut bewerbenden Bieter ausschließen kann. Kern der damaligen Aussagen des Gerichts war, dass die öffentliche Hand im Falle grober und nachhaltiger Verstöße die Berechtigung besitzt, zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit mit diesem Bieter für sie noch als subjektiv (!) zumutbar anzusehen ist. Ist dies nicht der Fall, so kann die Vergabestelle den Bieter ausschließen, ohne dass ein Gericht hier noch korrigierend einzugreifen vermag. Es besteht zudem kein Anspruch des betreffenden Bieters, der maßgeblich mit seiner Berliner Niederlassung für die Schlechtleistung gesorgt hat, darauf, dass die Eignung seiner Hannoveraner Niederlassung, die angeblich gute Referenzen besitzt, berücksichtigt wird. Ausschlaggebend sind die lokal bzw. regional auftretenden (fehlsamen) Akteure. Im Übrigen ist das Bezirksamt völlig frei, ob und wenn ja, welche Referenzen es überprüft. Diese Kammergerichts-Entscheidung, die bei genauerem Studium des Beschlusstextes fast schon eine Art Handlungsanleitung für den rechtskonformen Ausschluss von fehlsamen Bietern beinhaltet, stellt das Fanal der vorzustellenden aktuellen Beschlüsse dar.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.09.2010 – Verg W 8/10
Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 14.09.2010 – Verg W 8/10) hatte sich in einem dem Projekt Flughafen Schönefeld zuzurechnenden Fall (es ging um die Verlegung von Bodenbelägen im Fluggastterminal) für den Ausschluss einer Firma mangels Zuverlässigkeit entschieden, die zuvor mehrfach Schlechtleistungen erbracht hatte. Der Senat billigt diesen Ausschluss. Zentral ist aus Sicht des Auftraggebers im Sinne einer Prognoseentscheidung die Frage zu beantworten, ob ein bestimmter Bieter nach den Umständen des Einzelfalles eine vertragsgerechte Leistung erwarten lässt. Dabei können im Rahmen des durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsermessens selbstverständlich auch frühere Erfahrungen mit dem Bieter berücksichtigt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.02.2009 – VII-Verg 65/08).
Der betreffende Bieter war hier zuvor mit dem Auftraggeber in Streit darüber geraten, ob ein Lieferantenwechsel mit Austausch der Bezugsquelle (Steinbruch) zulässig war oder nicht. Die sich daran anschließende Frage, ob der Auftraggeber den mit diesem jetzigen Bieter geschlossenen Vertrag aus wichtigem Grund rechtswirksam gekündigt hat, ist dabei nicht Gegenstand der Nachprüfung. Vergaberechtlich nachprüfbar ist allein die Frage, ob der Auftraggeber zu Recht von der Unzuverlässigkeit des Bieters ausgegangen ist. Das wird vom Senat bejaht. Schon aufgrund des Ermessensspielraums darf der Auftraggeber die Beurteilung des Bieters als unzuverlässig auf die reine Tatsache stützen, dass er den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt hat. Das bedeutet im Klartext: Rechtsfragen, die außerhalb des Vergaberechts liegen, bleiben unberücksichtigt; der Ausgang etwaiger Rechtsstreitigkeiten muss nicht abgewartet werden.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010 – VII-Verg 14/10
In einem anderen Fall des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 09.06.2010 – VII-Verg 14/10) ging es um einen Bewachungsvertrag für die Universität Bielefeld, der zur Vergabe anstand. Es bewarb sich ein Unternehmen erneut, welches als Vorleistungserbringer nachgewiesenermaßen über lange Zeit hinweg die Sozialversicherungsabgaben nicht ordnungsgemäß abgeführt hatte. Das Bewachungsunternehmen informierte von sich aus die Universität über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Die Universität Bielefeld schloss das Bewachungsunternehmen, das dem ersten Anschein nach eigentlich vorbildlich mit seinen Verfehlungen umgegangen war, mangels Eignung dennoch aus.
Das OLG bestätigt die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses. Der Auftraggeber ist berechtigt und verpflichtet, im Einzelfall zu überprüfen, ob das betroffene Unternehmen auch für die Zukunft genügend zuverlässig ist. Dabei ist die Schwere der Verfehlungen ebenso zu berücksichtigen wie der Erfolg eingeleiteter Maßnahmen der Selbstreinigung. Jedoch gerade betreffend die Selbstreinigung habe der Bieter keine eigenen Angaben gemacht, aus denen hinreichend deutlich erkennbar wird, welche organisatorischen Maßnahmen er für die Zukunft getroffen hat, um ein erneutes Fehlverhalten seiner leitenden Mitarbeiter zu verhindern. Im Gegenteil: Die verschleiernden Eigenerklärungen könnten als Indiz dafür aufgefasst werden, dass seine Bereitschaft zur Selbstreinigung eingeschränkt ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist – trotz der erfolgten Selbstanzeige – der Ausschluss aus dem Verfahren nicht zu beanstanden.
OLG Koblenz, Beschluss vom 04.10.2010 – 1 Verg 8/10
Das OLG Koblenz (Beschluss vom 04.10.2010 – 1 Verg 8/10) hat sich aktuell zwar nicht unmittelbar mit der Frage eines Bieterausschluss mangels Eignung infolge schlechter Vorerfahrungen befasst. Jedoch geht die Entscheidungstendenz des Senates in die gleiche Richtung: Das Ermessen bzgl. der gesamten Eignungsprüfung, und speziell auch der vorgelagerten Festlegung der Eignungsanforderungen in der Ausschreibungsbekanntmachung, könnte kaum größer sein. Vorliegend entzündete sich bei der Ausschreibung von Baumaßnahmen für den Hochwasserschutz ein Streit über die Frage, inwieweit einem Aluminium verarbeitenden Unternehmen ein Eignungsnachweis nach DIN 18800-7 (Herstellung geschweißter Stahlbauten) abverlangt werden kann. Das Bieterunternehmen hatte erklärt, dass es im Zweifel einen entsprechenden Subunternehmer für die Stahlbauarbeiten einsetzen werde. Das OLG hält sich betreffend die Prüfung dieser fachlichen Einzelheiten deutlich zurück. Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für einen bestimmten Eignungsnachweis darf nach den Feststellungen des Senats von den Nachprüfungsinstanzen nur dann korrigiert werden,
– wenn die Anforderung unzumutbar und damit völlig unangemessen ist, weil ein berechtigtes Informationsbedürfnis des Auftraggebers nicht besteht
– oder hiermit eine sachwidrige, wettbewerbswidrige Ausgrenzung verbunden ist.
Der Bieter wird abseits dieser genannten Konstellationen grundsätzlich nicht mit seinem Vorbringen gehört, dass ein verlangter Eignungsnachweis angeblich nicht benötigt werde. Im Kern geht es hier um Zweckmäßigkeitserwägungen der ausschreibenden Stelle. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, die Forderung des Auftraggebers nach Vorlage der Herstellerqualifikation gemäß DIN 18800-7 zu beanstanden.
Fazit
Es ist eine eindeutige Tendenz zu einer auftraggeberfreundlichen Rechtsprechung festzustellen. Für die Vergabestellen wird es nunmehr deutlich leichter, Bieter entweder von vornherein an sehr hohen Eignungsanforderungen formal scheitern zu lassen oder sie in den Fällen schlechter Vorleistungen auszuschließen. Dies bedeutet für Auftraggeber einen größeren Spielraum zugunsten einer aktiv betriebenen Qualitätssicherung – letztlich aber auch wieder zum Vorteil gut qualifizierter und qualitativ gut arbeitender Bieterunternehmen.
Der Autor, Dr. Rainer Noch, ist Rechtsanwalt bei Böck Oppler Hering, München. Er berät und vertritt insbesondere öffentliche Auftraggeber, aber auch Bieter und Verbände, in allen Fragen des Ausschreibungsrechts, speziell auch im Dienstleistungsbereich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
Übrigens: Am Donnerstag, den 4.11., 20.15., können Sie Herrn Dr. Noch im Bayerischen Fernsehen (Sendung „quer“) sehen. Es geht um ein Ausbauvorhaben im Freistaat Bayern.
Der Autor, Dr. Rainer Noch, ist Rechtsanwalt bei Böck Oppler Hering, München. Er berät und vertritt insbesondere öffentliche Auftraggeber, aber auch Bieter und Verbände, in allen Fragen des Ausschreibungsrechts, speziell auch im Dienstleistungsbereich. Mehr Informationen finden Sie in unserem Autorenverzeichnis.
Gerade die ersten 2 Erkenntnisse zur Berücksichtigung vorangegangener Schlechtleistungen finde ich sehr interessant. An sich eine begrüßenswerte Sache, allerdings kann das einem AG schon einen sehr weiten – ggf. wohl auch missbräuchlich einsetzbaren – Entscheidungsspielraum einräumen.
In Österreich hat das Verfassungsgericht den Grundsatz judiziert, dass jedem unzuverlässigen Unternehmen die Möglichkeit zur Selbstreinigung eingräumt werden muss. Im BVergG wurde dies entsprechend umgesetzt: Jedem Bieter, bei dem eine Unzuverlässigkeit festgestellt wurde, muss die Gelegenheit gegeben werden, duch bestimmte Maßnahmen zu belegen, dass er trotzdem zuverlässig ist. Ein Ausschluss ist dann nicht mehr möglich. So ja auch im o.a. Erkenntnis 09.06.2010 – VII-Verg 14/10. Gilt das in den anderen Fällen nicht?