Es war die erste Veranstaltung des Vergabeblogs, und sie fand reges Interesse: Knapp 70 Teilnehmer fanden am vergangenen Donnerstag den Weg nach Frankfurt a.M. zur “Vergabe von Dienstleistungen zwischen Transparenz, Kosteneffizienz und Rechtssicherheit”. Ihnen bot sich ein spannender Abend mit angenehm klaren Statements der Referenten.
Etwas suchen musste man schon, um sich den eigentlich nur wenige Minuten langen Weg vom Frankfurter Hauptbahnhof in den Saalbau Gutleut zu bahnen. Und so begann die Veranstaltung dann auch mit ein paar Minuten akademischer Verspätung. Nach der Begrüßung durch Marco Junk, Herausgeber des Vergabeblog und bis vor einigen Wochen noch beim BITKOM verantwortlich für das öffentliche Auftragswesen, galt das Wort Carlos Frischmuth, Leiter Public Services bei der HAYS AG. Das weltweit führende Rekrutierungsunternehmen für Spezialisten unterstützte den Vergabeblog bei der Ausrichtung der Veranstaltung. Frischmuth erläuterte die Bedeutung des öffentlichen Marktes für einen Personaldienstleister wie HAYS, welche nicht wenige der Teilnehmer unterschätzt hatten.
Offene Worte
Hans-Jürgen Niemeier (im Bild links), stellvertretender Vorsitzender des BITKOM Arbeitskreises Öffentliche Aufträge machte den Aufschlag: BITKOM vertritt mehr als 1.350 Unternehmen mit 135 Milliarden Euro Umsatz und über 700.000 Beschäftigten – für die der öffentliche Markt eine zum Teil geschäftsentscheidende Bedeutung hat. Niemeier hält im Verband die Fahne des Mittelstands hoch, denn er ist Aussichtsratsvorsitzender des auf die öffentliche Hand spezialisierten Mittelständlers CONET Solutions. Praxisnah und ohne Rückgriff auf rhetorische Weichspüler verdeutlichte er die Bedeutung einer losweisen Vergabe für die KMU und die in diesem Sinne wenig erfolgreiche Verschärfung des § 97 Abs. 3 GWB. “Der Begründungsaufwand, von einer losweisen Vergabe abzusehen, hat sich für die Vergabestellen leicht erhöht, mehr nicht”, resümierte Niemeier. Zur umstrittenen Frage eines Rechtsschutzes auch unterhalb der Schwellenwerte versuchte Niemeier die Vorbehalte der Beschaffer auszuräumen: “Es geht uns um die Möglichkeit, den Rechtsweg beschreiten zu können – nicht darum, es bei jeder Gelegenheit auch zu tun”.
Nachhaltige Beschaffung
Für das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern kam in Vertretung von Behördenleiter Klaus-Peter Tiedtke, der bedauerlicherweise vom Innenminister zur Behördenleiterkonferenz gerufen wurde, sein Stellvertreter Dirk Schreiber (rechts im Bild unten), Leiter der Abteilung B im Beschaffungsamt. Schreiber, der vor dieser Tätigkeit im Bundesverwaltungsamt in Köln die Leitung der Softwareentwicklung verantwortete, brach eine Lanze für die nachhaltige Beschaffung. Obgleich diese naturgemäß nicht primär mit der Vergabe von Dienstleistungen in Verbindung gebracht wird, war es für viele der Teilnehmer ein inhaltlich sehr wertvoller und eindrucksvoller Vortrag. “Ich habe selten einen so überzeugten und dabei in der Sache so glaubwürdigen Vortragenden gehört”, lautete eines der Statements der Teilnehmer. Dem kann man sich anschließen – und Schreiber überzeugte dabei erfreulicherweise ganz ohne PowerPoint Präsentation.
Möglichkeiten, nicht Hürden
Dr. Ute Jasper (im Bild links), Leiterin Dezernat Public Sector der Sozietät Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek, betrat mit gewohnter Energie und temperamentvoller Ausstrahlung das Podium: Das Vergaberecht nicht nur Hemmnisse, sondern auch Möglichkeiten eröffne, machte sie in ihrem Vortrag “Kreative Vergabe komplexer Dienstleistungen” deutlich. Anhand konkreter, von ihrer Sozietät betreuter Vergabeverfahren, vermittelte sie praxisnahe Gestaltungsmöglichkeiten und konnte deren Erfolg entsprechend belegen. So beispielsweise die Sanierung des ehemals stillgelegten Industriehafens Krefeld, der nun durch einen Investor nicht nur der Stadt jährliche Kosten in Millionenhöhe erspart, sondern darüber hinaus Arbeitsplätze sichert. Vergaberecht einmal ganz anders, als Katalysator einer Wiederbelebung.
Die Bahn kommt
Michael Titze, Leiter Skill- und Ressourcenmanagement, DB Systel GmbH, eine 100% Tochter der Deutsche Bahn AG, konnte schon mit bloßen Zahlen beeindrucken: Er verantwortet die Disposition der rund 1.800 IT-Fachkräfte der DB Systel GmbH in den Projekten und Verfahren des DB-Konzerns, sowie die Beschaffung aller externen IT-Fachkräfte – das entspricht nicht weniger als 110 Mio. EUR externes Auftragsvolumen bzw. 150.000 externen Beratertagen im Jahr. Zwar ist die Bahn als Sektorenauftraggeber verpflichtet, Dienstleistungsaufträge erst ab einem Wert über 387.000 Euro in einem EU-weiten Vergabeverfahren zu vergeben. Der Konzern legt in seiner Konzernrichtlinie aber ergänzend fest, dass Lieferungen und Leistungen generell im Wettbewerb zu vergeben sind.
Titze machte deutlich, wie dies trotz solcher Volumina durch Standardisierung des Leistungsbedarfs effizient und wirtschaftlich erfolgen kann. Alle Bedarfsmeldungen und Beschaffungen laufen dazu zentral über das Skill- und Ressourcenmanagement. Dabei hat die DB ihren Leistungsbedarf in Form eines Katalogs mit Rollen (z.B. Berater, Entwickler) und Leveln (z.B. Experte, Senior, Junior) normiert: “Fast so, als würde man Bleistifte kaufen”, so Titze. Die Folge: Neben attraktiven Einkaufskonditionen haben sich die Prozesszeiten von der Bedarfsmeldung bis zum Beginn der Arbeitsaufnahme drastisch verkürzt, der Bearbeitungsaufwand pro Besetzung ist deutlich gesunken.
Fazit
Es war ein lehrreicher, ehrlicher und dabei kurzweiliger Abend mit offenen Worten. Ganz in bewährter Vergabeblog-Tradition waren die Teilnehmer dabei aufgefordert, sich in die Diskussion einzubringen, und machten davon auch Gebrauch. Beim anschließenden Get-togehter bei Weißwein oder Wasser führten nicht wenige diese fort und nutzen den Abend zur Erweiterung des persönlichen Netzwerks.
Uns hat es jedenfalls nicht nur sehr gefallen, wir sind, nicht zu letzt durch die zahlreichen sehr positiven Rückmeldungen, motiviert zu einer Wiederholung. Ein herzlicher Dank geht an die Kollegen von HAYS, ganz besonders Carlos Frischmuth und Markus Haerlin, für die Unterstützung bei der Ausrichtung.
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