§§ 97 Abs. 2, 104 Abs. 2, 107 Abs. 2 GWB
In Baden-Württemberg regelt der so genannte Autarkieerlass, dass in Baden-Württemberg angefallene Abfälle zur Beseitigung auch in Baden-Württemberg zu entsorgen sind. Diese Regelung ist bereits abfallrechtlich fragwürdig, wurde jedoch auch nunmehr vergaberechtlich von einem Bieter in Frage gestellt, der über Entsorgungsanlagen nur außerhalb von Baden-Württemberg verfügt.
Der Fall
Die Vergabestelle hat europaweit im offenen Verfahren Dienstleistungen über die Beseitigung und Behandlung von Siedlungsabfällen ausgeschrieben. In den Ausschreibungsunterlagen weist die Vergabestelle auf den sogenannten „Autarkieerlass“ in Baden-Württemberg hin. Danach haben sich die für Siedlungsabfälle Beseitigungspflichtigen der Abfallbeseitigungsanlage in Baden-Württemberg zu bedienen.
Die Antragstellerin verfügt lediglich über Verbrennungskontingente außerhalb des Landes Baden-Württemberg, die jedoch aufgrund des Autarkieerlasses nicht Gegenstand des Angebots sein dürfen. Die Antragstellerin wehrte sich gegen die Einhaltung der Vorgaben des Autarkieerlasses im Vergabeverfahren.
Das OLG Karlsruhe
Der Nachprüfungsantrag ist bereits als unzulässig verworfen worden. Nach § 107 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das neben einem Interesse am Auftrag eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend machen kann. Zu den Vergabevorschriften gehören alle Regelungen, die mit dem formellen und materiellen Vergaberecht im Zusammenhang stehen.
Bestimmungen aus dem Bereich der Abfallwirtschaft zählen hierzu nicht. Durch den Hinweis in den Vergabeunterlagen auf den Autarkieerlass wird diese nicht zu einer Vergabevorschrift. Vielmehr wird im Vergabeverfahren auf ein zusätzliches öffentlich-rechtliches Erfordernis hingewiesen. Zwar schränkt das Abfallrecht die Ausschreibungspflicht des öffentlichen Entsorgungsträgers ein. Jedoch stehen Regelungen zur Abfallwirtschaftsplanung vielmehr neben Vorgaben aus dem Vergaberecht. Grund hierfür ist, dass die Pflicht zur Ausschreibung einzelner Entsorgungsdienstleistungen als auch die rechtsverbindliche Vorgabe einzelner Beseitigungsanlagen auf bundesrechtlichen Vorschriften beruhen, die ihre Grundlage im europäischen Recht haben. Infolge dessen gebührt keinem der Normen der prinzipielle Vorrang.
Zudem stellen die abfallrechtlichen Regelungen zur Abfallwirtschaftsplanung allein auf die im allgemeinen Interesse liegenden Grundsätze der umweltverträglichen und ortsnahen Beseitigung sowie der Entsorgungssicherheit ab, wobei schon nach dem Wortlaut der jeweiligen Bestimmungen Normadressaten die jeweiligen obersten Abfallrechtsbehörden sowie die Beseitigungspflichtigen sind. Diese Normen dienen jedoch nicht dem Interesse der Allgemeinheit und haben demnach keine bieterschützende Wirkung.
Praxishinweis
Aus abfallrechtlicher Sicht bestehen erhebliche Zweifel, ob der Autarkieerlass in Baden-Württemberg rechtlich zulässig ist. Dies gilt erst recht, als beabsichtigt ist, dass der Autarkieerlass neben Abfällen zur Beseitigung auf Abfälle zur Verwertung ausgeweitet werden soll. Eine solche Unvereinbarkeit mit dem Abfallrecht kann jedoch nach Auffassung des OLG Karlsruhe nicht vor den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen geltend gemacht werden.
Auch soweit abfallrechtliche Bestimmungen in einem Nachprüfungsverfahren nicht überprüfbar sind, kann deren Einhaltung Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein; denn unzulässig ist es, wenn eine aus rechtlichen Gründen unmögliche, objektiv nicht erfüllbare Leistung ausgeschrieben wird. Dies führt dazu, dass auch zu prüfen ist, ob die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands gegen abfallrechtliche Vorgaben verstößt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.11.2008 – Verg 52/08).
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.
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