Bei der Beschaffung von Postdienstleistungen setzen öffentliche Auftraggeber – gerade im Bereich der Justizbehörden und Gebietskörperschaften – vielfach „zentrale Beschaffungsstellen“ ein, die im Auftrag der verschiedenen Auftraggeber den Postverkehr der einzelnen Poststellen zusammenfassen und in einem Vergabeverfahren zentral vergeben. Mehr als 600 – auch regional tätige – Wettbewerber der Deutschen Post AG erbringen seit dem Jahre 2008 bundesweit Postdienstleistungen und kommen damit als potentielle Bieter für die Beauftragung dieser Zustellleistungen in Betracht. Da der Postsektor der Bundesrepublik Deutschland damit erst seit wenigen Jahren für den Wettbewerb geöffnet ist und bis heute von einem „Monopolisten“ geprägt wird, kommt den vergaberechtlichen Grundlagen (auch) bei der gebündelten Beschaffung dieser Zustellleistungen besondere Bedeutung zu. (*dieser Beitrag nimmt Bezug auf den Beitrag auf vergabeblog.de von Frau Monika Prell vom 29. November 2012 und betrifft die abschließende Sachentscheidung des Vergabesenats des OLG).
Bündelung der Beschaffungsbedarfe
Dienstleister haben Sendungen bei den absendenden Vergabestellen abzuholen und – in der Regel – bundesweit zuzustellen. Die Zusammenfassung des Postausgangsverkehrs von verschiedenen landesweit verteilten Auftraggebern führt regelmäßig dazu, dass seitens der Vergabestellen den „gebündelten Leistungen“ „gebündelte Eignungsanforderungen“ folgen.
Die Zusammenfassung des Beschaffungsbedarfs bei der Beschaffung von Postdienstleistungen ist nach den o.g. Entscheidungen grundsätzlich „vergaberechtlich unbedenklich“. Auch sei nach der Auffassung des Vergabesenats das vergaberechtliche Gebot der Losvergabe gem. § 97 Abs. 3 GWB nicht auftraggeberbezogen (also in Bezug auf die absendende Behörde oder Gebietskörperschaft) anzuwenden. Bei einer Losbildung (hier: Regionallose für Abholstellen) sei vielmehr das Volumen der „gebündelten“ Aufträge bei einer Aufteilung der Lose zu berücksichtigen.
Diese Auffassung muss in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht geteilt werden, da der Postverkehr der Ausgangsdienststellen grundsätzlich dienststellenbezog ausgerichtet ist und die Leistungen des Zustellunternehmens für den einzelnen Absender zu erbringen sind. Damit ergibt sich also die Situation, dass bereits vorhandene „Lose“ zusammengefasst werden. Eine „Leistungsaufteilung“ ist demgemäß nicht erforderlich, da die „Leistungen“ bereits geteilt waren und geteilt (für die jeweiligen Absender) erbracht werden müssen. So könnte auch verlangt werden, dass Vergabestellen bei einer Zusammenfassung des (getrennten) Postverkehrs dienststellenbezogene Teillose aufrechterhalten, wenn der Postverkehr mit den Dienststellen abzuwickeln ist.
Teil- und Fachlosbildung
Die nach § 97 Abs. 3 GWB erforderliche Auslegung hinsichtlich der Bildung von Teil- und Fachlosen hat nach dem Beschluss „unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Marktes für Postdienstleistungen – insbesondere der Brief- und Paketbeförderung -“ zu erfolgen.
Für die Bildung von Teil- oder Fachlosen folge daraus, dass durch die Vergabestellen die Bildung solcher Lose zu vermeiden ist, die – entweder – nur von einem „Monopolisten“ oder von wenigen großen Dienstleistungsunternehmen bedient werden könnten.
In der zugrundeliegenden Entscheidung hatte die Vergabestelle den Postversand hinsichtlich der Abholstellen in vier überregionale (Teil-) Lose aufgeteilt. Dies war nach der Auffassung des Senats nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Zusammenfassung von Briefdienstleistungen mit Paketdienstleistungen in einem (Fach-) Los „unterstellt“ der Senat, dass die Beförderung von Paketen von oder an Behörden wegen der unterschiedlichen logistischen und technischen Anforderung als ein Fachlos im Sinne des § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB anzusehen ist. In dem vorliegenden Sachverhalt sei eine gemeinsame Vergabe in einem Los nur deswegen gerechtfertigt, weil der Ausnahmetatbestand des § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB (wirtschaftliche Vergabe) erfüllt sei. Bei nur einem sehr geringen Sendungsanteil von Paketsendungen zu Briefsendungen sei (ausnahmsweise) eine gemeinsame Vergabe in einem (Fach-) Los gerechtfertigt.
Mengenbezogene Referenzen
Durch die „gebündelte Vergabe“ der Postdienstleistungen öffentlicher Auftraggeber in einem Vergabeverfahren können erhebliche Referenzanforderungen an die Bieter entstehen, wenn der gesamte Postausgangsverkehr in einem Los „zusammengefasst“ wird.
Vorliegend hatten die Vergabestellen losbezogene und sendungsmengenbezogene „vergleichbare“ Referenzen gefordert.
Wäre die Anforderung der „Vergleichbarkeit“ – quantitativ – in dem Sinne zu verstehen, dass nur gleich große (umfangreiche) Leistungen bzw. Leistungsgegenstände gemeint sein sollten, könnten sie nur ,,große“ Unternehmen erfüllen. Das würde – nach der Auffassung des Senats und entgegen § 97 Abs. 1 und 2 GWB – Bieter benachteiligen, die bislang nur wenige ,,große“ Aufträge erhalten konnten, als es dem ausgeschrieben Teillos entspricht. Dies sei insbesondere unter den Bedingungen des (erst) seit wenigen Jahren liberalisierten Postdienstleistungsmarktes nicht hinnehmbar. Junge Wettbewerbsunternehmen der Deutschen Post AG wäre für das ausgeschriebene Teillos von vornherein ungeeignet, weil sie damit ,,vergleichbare“ Leistungsvolumina nicht in Umsatzzahlen abbilden oder durch Referenzprojekte unterlegen könnte. Bei diesem Verständnis bewirkt – so der Senat – die Eignungsanforderung der „Vergleichbarkeit“, dass nur Unternehmen, die bereits Aufträge der gebündelten Größenordnung (mehrfach) ausgeführt haben, ein erfolgversprechendes Angebot abgeben können.
Einsatz von Frankiermaschinen
Die Vergabestellen hatten in den o.g. Verfahren vorgesehen, dass die bei den einzelnen Poststellen vorhandenen Frankiermaschinen, die zu der Frankierung der Postsendungen dienen, weiterhin in Betrieb bleiben müssen. Die Bieter sollten demgemäß sicherstellen, dass entsprechende Frankiermaschinen vor Ort eingesetzt werden können und durch Mitarbeiter der Poststellen zu bedienen sind.
Die Wettbewerbsunternehmen der Deutschen Post AG nutzen entsprechende Frankiermaschinen demgegenüber nicht, da eine Vorfrankierung von Postsendungen im Wettbewerb nicht (mehr) erforderlich ist.
Der Vergabesenat hat nunmehr (erstmals) klargestellt, dass die Verpflichtung zum Betrieb von Frankiermaschinen bei den Poststellen eine diskriminierende Wirkung hat, die auch nicht durch die Regelung des § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB gerechtfertigt ist. Vergabestellen dürfen von Bietern demnach nicht verlangen, dass diese entsprechende Systeme einrichten, damit Poststellen noch (alte) Frankiermaschinen zur Frankierung einsetzen können.
Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass sonstige Tätigkeiten, wie beispielsweise die „Belabelung“ von Sendungen durch Poststellen übernommen werden können und damit der Weiterbetrieb der Poststellen – auch personell – praktisch gesichert ist. Denn solche Vorarbeiten behindern den Wettbewerb um diese Aufträge nicht.Fazit
Die vorliegende Entscheidung stellt mit Blick auf den Beschluss des Senats vom 30. Oktober 2012 klar, dass zentrale Vergabestellen bei der Bündelung von Postdienstleistungsaufträgen die Besonderheiten des Postsektors zu beachten haben. Sowohl die Bildung von poststellenbezogenen Teillosen, sowie die Trennung von Brief- und Paketdienstleistungen sei grundsätzlich erforderlich, um einen Wettbewerb im Postsektor zu ermöglichen. Referenzanforderungen sind – insbesondere bei der Bündelung eines Beschaffungsbedarfs – nicht zu überspannen und an den Wettbewerb anzupassen. Der Einsatz von (nicht mehr benötigten) Frankiermaschinen zur Vorfrankierung von Porto bei den Vergabestellen ist vergaberechtlich nicht zu rechtfertigen.
Rechtsanwalt Dr. Christian v. Ulmenstein ist seit Juli 2023 Partner der Kanzlei LEINEMANN PARTNER Rechtsanwälte, Berlin. Er betreut und berät als Fachanwalt für Vergaberecht Vergabestellen und Bieter in komplexen öffentlichen Ausschreibungsverfahren (Bau- und Dienstleistungsvergaben). Seit der Öffnung des Postsektors gehört zu seinen Leistungen seit vielen Jahren auch die Beratung von Unternehmen und Vergabestellen bei der öffentlichen Beschaffung von Postdienstleistungen.
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