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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 16/04/2013 Nr. 15226

Interkommunale Kooperation: EuGH bestätigt und präzisiert Anforderungen an vergaberechtsfreie öffentlich-öffentliche Partnerschaften

EntscheidungDer Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 19.12.2012 (Rs. C-159/11, „Forschungsauftrag“) die mit der Entscheidung „Stadtreinigung Hamburg“ begonnene Rechtsprechung zur Zulässigkeit der vergaberechtsfreien interkommunalen Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen auf rein vertraglicher Basis bestätigt und weiter präzisiert.

Grundlegende Entscheidung des EuGH in Sachen „Stadtreinigung Hamburg“

In der Rechtssache „Stadtreinigung Hamburg“ (Urteil vom 09.06.20009, Rs. C-480/06) hatte der EuGH erstmals den für die kommunale Praxis bedeutsamen Fall einer nicht-institutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vom Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts ausgenommen. Der EuGH sieht eine interkommunale Zusammenarbeit jedenfalls bei Vorliegen folgender Kriterien als vergaberechtsfrei an:

(1) Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe bzw. von Aufgaben, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen;

(2) Die Kooperation erfolgt ausschließlich zwischen öffentlichen Stellen ohne die Beteiligung Privater;

(3) Die Kooperation erfolgt auf vertraglicher Grundlage oder in Form einer institutionalisierten Zusammenarbeit wie beispielsweise einem Zweckverband.

Der EuGH hatte außerdem hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Einrichtungen nicht zu Finanztransfers zwischen diesen führen dürfe, die über die Erstattung des Teils der Kosten hinausgeht, der grundsätzlich von jedem öffentlichen Aufgabenträger selbst zu tragen wäre. Für den Gerichtshof ist offenbar bedeutsam, dass nur eine Kostenerstattung ohne Gewinnmarge vereinbart wird, um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen. Ob dieses Erfordernis dem konkreten Einzelfall geschuldet war oder generell – im Sinne einer Voraussetzung (4) – beachtet werden muss, lässt sich dem Urteil nicht zweifelsfrei entnehmen.

Entscheidung des EuGH in Sachen „Forschungsauftrag“

In dem aktuell vom EuGH entschiedenen Fall hatte eine öffentliche Einrichtung aus dem Gesundheitswesen einer Universität ohne Ausschreibung einen Forschungsauftrag zur Erdbebenanfälligkeit der Krankenhäuser einer italienischen Provinz erteilt. Die Einrichtungen vereinbarten als Kostenerstattung 200.000,00 EUR netto ohne Gewinn, die mit der Aufgabenwahrnehmung betraute Universität durfte jedoch hochqualifiziertes externes Personal heranziehen.

Der EuGH verneint im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung eine vergaberechtsfreie Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen auf vertraglicher Basis, falls die Prüfung durch das vorlegende Gericht ergeben sollte, dass

– ein solcher Vertrag nicht die Wahrnehmung einer diesen Einrichtungen gemeinsam obliegenden Aufgabe zum Gegenstand hat. Der EuGH äußerte erhebliche Zweifel im Hinblick auf das Vorliegen einer gemeinsamen öffentlichen Aufgabe. Beide Einrichtungen seien zur Untersuchung der Erdbebensicherheit der Gebäude nicht verpflichtet.

– der Vertrag dazu führt, einen privaten Dienstleistungserbringer besser zu stellen als seine Wettbewerber. Eine solche Besserstellung käme nach Ansicht des Gerichtshofs in Betracht, wenn die Universität zur Durchführung des Vertrags private Dienstleistungserbringer für bestimmte Leistungen heranziehe.

Der EuGH bestätigt somit grundsätzlich die Möglichkeit, dass öffentliche Einrichtungen vergaberechtsfrei nicht nur durch ein inhousefähiges Gemeinschaftsunternehmen, sondern auch auf rein vertraglicher Basis zusammenarbeiten können. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die öffentlichen Einrichtungen eine ihnen jeweils originär obliegende Aufgabe gemeinsam wahrnehmen. Aus diesem Grund hatte beispielsweise die Vergabekammer Baden-Württemberg mit Beschluss vom 31. Januar 2012 (vgl. den Beitrag des Autors hier) die Zusammenarbeit zwischen einer Kommune und einem Zweckverband, an dem die Kommune nicht beteiligt war, als vergaberechtspflichtigen Dienstleistungsauftrag der Kommune an den Zweckverband zur Klärschlammentsorgung bewertet.

Ob in Bezug auf das weitere Kriterium, dass private Dienstleistungserbringer nicht besser gestellt werden dürfen als ihre Wettbewerber, das letzte Wort bereits gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Die Generalanwältin hatte in ihren Schlussanträgen nämlich gefordert, zu prüfen, ob die mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragte Universität als Wirtschaftsteilnehmerin im Wettbewerb besser gestellt wird.

Fazit und Praxishinweise

Die Rechtsprechung des EuGH zur interkommunalen Zusammenarbeit verfestigt sich zusehends. Dies gilt jedenfalls für die grundsätzliche Zulässigkeit vergaberechtsfreier Vereinbarungen zwischen öffentlichen Stellen auf rein vertraglicher Basis. In Bezug auf die Wettbewerbsrelevanz solcher Vereinbarungen ist die Entwicklung möglicherweise noch nicht vollständig abgeschlossen. Hinzuweisen bleibt des Weiteren auf die noch nicht abgeschlossene Novellierung der bestehenden EU-Vergaberichtlinien. Die EU-Kommission hat nämlich einen Vorschlag eingebracht, wonach die vergaberechtliche Zulässigkeit der Beziehungen zwischen öffentlichen Stellen erstmals gesetzlich geregelt werden soll.

Dr. Martin Ott

Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).

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