Die Vergabeverordnung (VgV) wird wieder einmal erneuert. Die „siebte Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge“ soll noch vor Ablauf dieser Legislaturperiode in Kraft treten. Hauptgegenstand der Novellierung ist die – eingeschränkte – Zulassung bieterbezogener Qualitätsmerkmale als Zuschlagskriterien im Bereich der sogenannten „nachrangigen Dienstleistungen“. Außerdem sollen die EU-Schwellenwerte in Zukunft über eine dynamische Verweisungsnorm bestimmt werden.
A. Bieterbezogene Qualitätsmerkmale als Zuschlagskriterien
Hintergrund
Vor einem Jahr hatten die Bundestagsfraktionen CDU/CSU und FDP unter dem Titel „ Mehr Berücksichtigung von Qualität bei der Vergabe von Dienstleistungen“ den Vorschlag in den Bundestag eingebracht, im Bereich der Beschaffung sozialer Dienstleitungen auch solche Merkmale als Zuschlagskriterien zuzulassen, die sich nicht primär auf die zu erbringende Leistung, sondern auf das dabei einzusetzende Personal beziehen und insoweit die strikte Trennung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien aufzugeben (wir berichteten).
Der Vorschlag fand fraktionsübergreifend Zustimmung im Bundestag, wurde von der Bundesregierung aufgenommen und soll nunmehr über die 7. Novellierung der VgV in geltendes Recht umgesetzt werden.
Wortlaut der neuen Regelung
Die Vorschriften in § 4 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 VgV sowie § 5 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 VgV sollen durch folgenden Text ergänzt werden:
„wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsdurchführung haben kann, können auch die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des bei der Durchführung des betreffenden Auftrags eingesetzten Personals bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt werden. Dabei kann im Rahmen der Bewertung dieser Kriterien insbesondere auch der Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden. Die Gewichtung der Organisation, der Qualifikation und der Erfahrung des mit der Durchführung des betreffenden Auftrages betrauten Personals soll zusammen dreißig vom Hundert der Gewichtung aller Zuschlagskriterien nicht überschreiten.“
Zur Orientierung: § 4 Abs. 2 VgV und § 5 Abs. 2 VgV beziehen sich zwar auf die im Anhang Teil B der VgV aufgeführten nachrangigen Dienstleistungen; sie enthalten jedoch keinerlei Regelungen zu Inhalt und Ausgestaltung von Zuschlagskriterien. Derartige Vorschriften finden sich vielmehr in der VOB/A, VOL/A und VOF. Allerdings kann die VgV – im Gegensatz zu den Verdingungsordnungen – ohne Einbeziehung der Verdingungsausschüsse modifiziert werden, so dass sich schnelle Änderungswünsche der Bundesregierung immer wieder mal systemwidrig in der VgV wiederfinden. Mit dem vergaberechtlichen Transparenzgebot, der auch für die vergaberechtlichen Normen selbst gelten sollte, ist diese Vorgehensweise eher nicht vereinbar.
Auswirkung auf den Wettbewerb
Die Änderung wird nicht ohne Folgen für den Wettbewerb im Bereich nachrangiger Dienstleistungen sein. Insbesondere solche Anbieter, die sich neu auf dem Markt bewegen, werden es in Zukunft deutlich schwerer haben, einen öffentlichen Auftrag im Wettbewerb zu erhalten. Dies gilt insbesondere durch die Ergänzung in S. 2 der Neuregelung, wonach bei der Bewertung der bieterbezogenen Qualitätskriterien auch der Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden darf. Hiermit können nur Leistungen gemeint sein, die bereits gegenüber dem selben öffentlichen Auftraggeber erbracht wurden. Anderenfalls könnte der Auftraggeber den Erfolg der Leistungen gar nicht bewerten.
Wenn aber der Umstand, dass der Bieter (bzw. sein eingesetztes Personal) bereits für den Auftraggeber „erfolgreich“ tätig war, mit einem Anteil von bis zu 30 % bei der Auftragsbewertung zu Buche schlagen kann, wird es einem Newcomer nur schwer gelingen, sich gegen diesen Wettbewerbsvorteil zu behaupten. Der Einwand, dass Newcomer ja auch entsprechend erfahrenes Personal einsetzen könnten, berücksichtigt nicht, dass sich gerade junge Unternehmen oft nicht Personal mit entsprechender Erfahrung leisten können.
Es lässt sich also der Eindruck nicht verwehren, dass das Reformvorhaben von dem Wunsch öffentlicher Einrichtungen getragen wurde, an ihren langjährigen Vertragspartnern im Bereich sozialer Dienstleistungen festhalten zu können. Die Kriterien Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen wirken dafür geradezu maßgeschneidert.
B. Dynamische Verweisungsnorm für EU-Schwellenwerte
Die zweite Modifikation betrifft die EU-Schwellenwerte. Bislang hat § 2 VgV die durch die EU-Kommission vorgegebenen Schwellenwerte ausdrücklich genannt. Da die Kommission diese Werte jedoch alle zwei Jahre überprüft und bei etwaigen Eurokursschwankungen anpasst, musste die VgV gerade in der jüngeren Vergangenheit immer wieder geändert werden – und gab dann doch nur für kurze Zeit die tatsächlich aktuellen EU-Schwellenwerte wieder.
Damit soll nun Schluss sein. Statt einer ausdrücklichen Auflistung der EU-Schwellenwerte soll in § 2 VgV in Zukunft auf die maßgebliche EU-Richtlinie (2004/18/EG) in ihrer jeweils geltenden (d.h. durch VO der EU-Kommission modifizierten) Fassung verwiesen werden. Die durch die EU-Kommission festgelegten aktuellen EU-Schwellenwerte gelten dann in jedem Fall unmittelbar. Sie sollen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Bundesanzeiger „unverzüglich“ bekannt gegeben werden. Die Suche nach der aktuellsten Bekanntgabe bleibt damit allerdings dem Rechtsanwender überlassen. Hier wäre es evtl. etwas benutzerfreundlicher gewesen, eine Website vorzusehen, in der die jeweils aktuellen EU-Schwellenwerte aufgeführt sind. Ansonsten ist die Einführung der dynamischen Verweisungsnorm jedoch zu begrüßen.
Die Autorin Julie Wiehler, LL.M., ist Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Frhr. v.d. Bussche Lehnert Niemann Wiehler Rechtsanwälte & Notare. Sie berät und unterstützt Unternehmen und die öffentliche Hand bei öffentlichen Ausschreibungen sowie bei vergaberechtlichen Fragen in öffentlich geförderten Projekten.
Die Aussage, dass die neuen Reglungen zu mehr Qualität bei der Auftragsvergabe in § 4 VgV an dieser Stelle systemwidrig seien, vermag ich persönlich nicht zu teilen.
Die vorgesehene Regelung nutzt Spielräume, die die europäischen Vergaberegeln den nationalen Gesetzgebern belassen. Daher ist es auch vernünftig, wenn der Gesetzgeber und nicht ein Ausschuss, dessen Stellung unterschiedlich diskutiert wird, diesen Spielraum nutzt.
Dass die deutsche Vergaberechtsstruktur so sein muss, wie sie sich derzeit darstellt, ist nirgendwo festgeschrieben. Insoweit darf man – so jedenfalls meine Auffassung – durchaus nach der Legitimität des Umstandes fragen, dass es stets die Vergabe- und Vertragsausschüsse sein müssen, die Vergaberechtsvorschriften vorgeben.
Unabhängig von der Problematik, dass Erfolg bzw. erfolgreiches Arbeiten sicher nicht von jedem Auftraggeber gleich beurteil wird, bin ich nicht der Auffassung, dass zur Beurteilung nur Leistungen gemeint sein können, die gegenüber dem selben öffentlichen Auftraggeber erbracht wurden. Ich halte dies für eine der Abfrage von Refenrenzen vergleichbare Situation.