Am 28.03.2014 wurde die neue Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe im Amtsblatt der EU veröffentlicht (Richtlinie 2014/24/EU). Die Richtlinien treten 20 Tage später in Kraft und sind innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Eines der mit der Richtlinie verfolgten Ziele ist die Vereinfachung des Verfahrens der Eignungsprüfung zum Nutzen sowohl der öffentlichen Auftraggeber als auch der Bewerber und Bieter. Der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Beibringung einer Vielzahl von Dokumenten, die die Ausschluss- und Eignungskriterien betreffen, wird – nach den Erwägungsgründen des Richtlinientextes – auf Anbieterseite als eines der Haupthindernisse für die Beteiligung an Vergabeverfahren angesehen. Um diesem Hindernis entgegenzuwirken, führt die Richtlinie in Art. 59 die Eignungsnachweisführung mittels standardisierter Eigenerklärung – European Single Procurement Document bzw. Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) – ein.
Neues Mittel des „vorläufigen Eignungsnachweises“
Dabei wird die im nationalen Recht bereits verankerte Eigenerklärung mit der Idee eines einheitlichen Dokuments verknüpft, in dem diese Eigenerklärung abgegeben werden kann. Das zu verwendende Standardformular wird – wie die Bekanntmachungsformulare – europaweit vereinheitlicht. Gemäß Art. 59 Abs. 1 der Richtlinie akzeptieren die Auftraggeber die EEE als vorläufigen Nachweis dafür, dass keine Ausschlussgründe vorliegen, die Eignungskriterien und (bei Teilnahmewettbewerben) die weiteren objektiven Regeln und Kriterien zur Auswahl der Bewerber erfüllt sind. Die Zulassung und das Akzeptieren dieses vorläufigen Eignungsnachweises mittels EEE kann vom Auftraggeber nicht ausgeschlossen werden. Die Neuregelungen zur EEE sind zwingend in nationales Recht umzusetzen. Die EEE tritt damit neben die bereits möglichen Formen des Eignungsnachweises mittels Einzelnachweisen oder Präqualifizierung (PQ). Da für die Vergabe von Bauleistungen in § 6 EG Abs. 3 aE VOB/A die Eigenerklärung bislang lediglich für einzelne Angaben vorgesehen war, steht hier eine systematische Erweiterung an. Hingegen ist nach dem System der VOL/A zwar die Eigenerklärung derzeit schon durchaus anerkennt, allerdings fehlt es hier an der Verpflichtung des Auftraggebers, sich die Eigenerklärungen durch Nachweise bestätigen zu lassen. Im Überblick werden folgende Mittel zum Nachweis der Eignung zugelassen:
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Verlangen „zusätzlicher Unterlagen“
Aufgrund der Eigenschaft der EEE als „vorläufiger Nachweis“ spielen die sog. „zusätzlichen Unterlagen“, die letztlich die Inhalte der abgegebenen Eigenerklärungen bestätigen, eine zentrale Rolle innerhalb der Neuregelungen. So sind bereits in der EEE selbst der öffentliche Auftraggeber oder der für die Ausstellung der zusätzlichen Unterlagen zuständige Dritte zu nennen. Zudem muss die EEE eine förmliche Erklärung enthalten, dass der Wirtschaftsteilnehmer in der Lage sein wird, auf Anfrage und unverzüglich diese zusätzlichen Unterlagen beizubringen.
Der Auftraggeber ist während des Vergabeverfahrens jederzeit berechtigt, Bewerber bzw. Bieter aufzufordern, sämtliche oder einen Teil der zusätzlichen Unterlagen beizubringen. Voraussetzung ist, dass dies zur angemessenen Durchführung des Verfahrens erforderlich ist, was jedenfalls bei zweistufigen Verfahren (nicht offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog, Innovationspartnerschaft) und dort bei den zur Auswahl im Teilnahmewettbewerb vorgesehenen Bewerbern der Fall ist (Erwägungsgrund 84 Abs. 2 der Richtlinie).
Eine Pflicht des Auftraggebers zusätzliche Unterlagen zu verlangen, besteht vor der Auftragsvergabe nur noch beim Bestbieter. Ausnahmen gelten dabei nur für bestimmte Fälle von Einzelauftragsvergaben, die auf Rahmenvereinbarungen beruhen (Art. 59 Abs. 4 UAbs. 2 i.V.m. Art. 33 Abs. 3 und Abs. 4 lit. a der Richtlinie).
Besonders praxisrelevant sind die Ausnahmen vom vorbeschriebenen Recht bzw. von der vorbeschriebenen Pflicht des Auftraggebers zum Verlangen der zusätzlichen Unterlagen:
So müssen die Bewerber bzw. Bieter keine zusätzlichen Unterlagen oder sonstigen dokumentarischen Nachweise vorlegen, sofern und soweit der Auftraggeber die Bescheinigungen oder die einschlägigen Informationen direkt über eine gebührenfreie nationale Datenbank in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erhalten kann (Art. 59 Abs. 5 UAbs. 1 der Richtlinie). Für diese Zwecke haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Datenbanken mit relevanten Informationen über Wirtschaftsteilnehmer, die von ihren öffentlichen Auftraggebern genutzt werden, unter den gleichen Bedingungen auch von öffentlichen Auftraggebern anderer Mitgliedstaaten genutzt werden können. Für den Fall einer solchen direkten Abrufbarkeit über eine Datenbank muss die EEE selbst die zu diesem Zweck benötigten Informationen, wie z.B. die Internetadresse der Datenbank, Identifikationsdaten und ggf. die erforderliche Einverständniserklärung enthalten (Art. 59 Abs. 1 UAbs. 4 der Richtlinie).
Daneben müssen nach Ablauf einer weiteren Übergangsfrist und zur Stärkung der eVergabe die Bewerber bzw. Bieter auch dann keine zusätzlichen Unterlagen vorlegen, wenn der Auftraggeber, der den Auftrag vergeben oder die Rahmenvereinbarung geschlossen hat, bereits im Besitz dieser Unterlagen ist (Art. 59 Abs. 5 UAbs. 2 der Richtlinie). Um den ursprünglich verfolgten Zweck der Richtlinie (Vereinfachung des Verfahrens der Eignungsprüfung zum Nutzen sowohl der Auftraggeber als auch der Bewerber bzw. Bieter) zu erreichen, erscheint es geboten, Bewerber bzw. Bieter, die sich auf den „Besitz“ des Auftraggebers bzw. der Vergabestelle in diesem Sinne berufen wollen, zu verpflichten, in der EEE konkrete Angaben zu dem/den Vergabeverfahren zu machen, bei dem/denen sie die Unterlagen angeblich bereits eingereicht haben (Mitwirkungspflicht). Im Idealfall enthält das einheitliche Formblatt dafür einen Eintragungsort.
Festlegung eines Standardformulars durch die Kommission
Die EEE wird auf der Grundlage eines Standardformulars erstellt, das die Kommission noch festzulegen hat (Art. 59 Abs. 2 der Richtlinie). Die EEE wird dabei ausschließlich in elektronischer Form ausgestellt.
Die konkrete Ausgestaltung des Standardformulars durch die Kommission bleibt derzeit noch abzuwarten. Systematisch und strukturell wird es sich dabei um ein Formular handeln, das vergleichbar ist mit dem bereits heute im nationalen Recht verwendeten Formblatt 124 des Vergabe- und Vertragshandbuchs für die Baumaßnahmen des Bundes VHB (ausgenommen Maßnahmen der Straßen und Wasserbauverwaltungen), Ausgabe 2008, Stand August 2012. Inhaltlich wird das Standardformular den in der Richtlinie verbindlich festgelegten Katalog von Eignungskriterien (Art. 58 der Richtlinie) und Eignungsnachweisen (Art. 60 i.V.m. Anhang XII der Richtlinie) abbilden müssen.Auswirkungen der Umsetzung der EEE ins nationale Recht
Alle an der öffentlichen Auftragsvergabe werden sich mit Einführung und Umsetzung der EEE auf ein weiteres zwingend zu verwendendes Standardformular einrichten müssen.
Für alle Auftraggeber, die bei Vergaben bislang das Formblatt 124 des VHB verwendet und das Verlangen der entsprechenden bestätigenden Bescheinigungen gemäß § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 VOB/A ausgeübt haben, ergeben sich darüber hinaus wenig Auswirkungen. Im nationalen Recht erfüllt – bei ordnungsgemäßer Verwendung – bereits heute die Verwendung des Formblatts 124 des VHB inkl. der Abforderung der dort genannten Unterlagen von den Bietern der engeren Wahl im Wesentlichen die Funktion der EEE.
Die Vergaben nach VOL/A und VOF müssen in ihrer Systematik nun von der in der Praxis häufig bloß geforderten Eigenerklärung abkehren und zusätzliche Zeiträume in den Vergabeworkflow einplanen, um – zumindest vom Bestbieter – die entsprechenden Bestätigungen abzuverlangen.
Bestehende nationale Präqualifikationsverzeichnisse, die die europarechtlichen Anforderungen erfüllen, werden neben der Nachweisführung mittels EEE nach wie vor eigene rechtliche und praktische Bedeutung haben. Die Richtlinie hat in Art. 64 hierfür nicht nur die entsprechende Rechtsgrundlage erhalten, sondern mit den Neuregelungen zur EEE sogar eine (mögliche) erweiterte Bedeutung der bestehenden Verzeichnisse geschaffen. So können (europarechtskonforme) Präqualifikationsverzeichnisse etwa als „nationale Datenbank“ für die zusätzlichen Unterlagen zur EEE i.S.v. Art. 59 Abs. 5 UAbs. 1 der Richtlinie dienen, auf die Bewerber bzw. Bieter innerhalb ihrer EEE verweisen.
Die Autoren Dr. Susanne Mertens, LL.M, und Henrik Baumann, HFK Rechtsanwälte LLP, begleiten Auftraggeber und Auftragnehmer in allen Phasen des Beschaffungsprozesses. Ihre Beratung umfasst außerdem die für die Beschaffung im Bereich Verteidigung und Sicherheit relevanten Rechtsgebiete des Öffentlichen Preisrechts sowie des Exportkontroll- und Zollrechts.
Ist jede Sprache (Landessprache ) zulässig für den Bieter? Kann also die EEE in der eigenen Amtssprache abgegeben werden, oder muss es zwingend in Deutsch sein bei einem deutschen Verfahren?
Danke im Voraus.