Eine Bietergemeinschaft, die nur zu dem Zweck der Umgehung eines Doppelbewerbungsverbotes (Loslimitierung) in einem Los ein drittes Mitglied aufnimmt, während sie in einem anderen Los mit nur zwei Mitgliedern auftritt, ist als ein und derselbe Bieter anzusehen.
Das KG Berlin hatte in der vorausgegangene Eilentscheidung (24.10.2013 Verg 11/13, Besprechung Dr. Herten-Koch) eine generelle Kartellrechtswidrigkeit von Bietergemeinschaften konstatiert und damit für viel Wirbel gesorgt. In der Hauptsacheentscheidung vom 20.02.2014 kam es hierauf jedoch nicht mehr an, da der Nachprüfungsantrag bereits wegen eines Verstoßes gegen das Doppelbewerbungsverbot durch die fragliche Bietergemeinschaft Erfolg hatte.
§§ 16 Abs. 1 Nr. 1 b), 13 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 VOB/A-EG
Leitsatz (amtlich)
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- Der Senat hält an seiner Auffassung (vgl. Beschluss vom 24.10.2013, Verg 11/13) fest, dass die Vergabebestimmung „Angebote sind nur für ein separates Los [Los 1 oder Los 2] zulässig. Mehrfachangebote sind nicht zulässig“ regelmäßig dahin auszulegen ist, dass die Bewerbung zweier Bietergemeinschaften jeweils auf das eine und auf das andere Los untersagt ist, wenn die Mitglieder der beiden Bietergemeinschaften zumindest teilweise identisch sind (Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, vom 28.5.2003 VII Verg 8/03). (…)
Sachverhalt
Eine Gebäudesanierung wurde in zwei Losen ausgeschrieben. Angebote waren nur für ein separates Los zulässig, Mehrfachangebote hingegen unzulässig. Auf Los 2 bewarb sich eine Bietergemeinschaft XY, die aus zwei Mitgliedern X und Y bestand. Die Bietergemeinschaft XY sollte im Los 2 den Zuschlag erhalten. Bietergemeinschaft XYZ, die aus denselben Mitgliedern wie Bietergemeinschaft XY zuzüglich eines kleineren Partners Z bestand, bemühte sich erfolglos um Los 1.
Ein Wettbewerber beantragte, den Auftraggeber zu verpflichten, den Zuschlag im Los 2 an sich selbst zu erteilen. Hilfsweise sollte das Angebot der Bietergemeinschaft XY ausgeschlossen und die Wertung wiederholt werden.
Die Entscheidung
Das KG Berlin sieht die beiden Bietergemeinschaften als ein und denselben Bieter an. Da sich dieser Bieter entgegen den Vergabebestimmungen auf beide Lose beworben hatte, war die Bietergemeinschaft XY im streitigen Los 2 wegen Änderungen der Vergabeunterlagen auszuschließen (§§ 16 Abs. 1 Nr. 1 b), 13 Abs. 1 Nr. 5 s 1 VOB/A-EG). Zweck des Doppelbewerbungsverbotes sei es, ein Tätigwerden des Auftragnehmers in beiden Baustellenbereichen zu verhindern, weil er hierdurch personell überfordert sein könnte. Dieser Zweck würde durch eine Beteiligung einer teilidentischen Bietergemeinschaft, die sich nur durch ein drittes, kleineres Mitglied unterscheide, umgangen.
Im konkreten Fall hatten die beteiligten Unternehmen ursprünglich vorgesehen, in beiden Losen zu dritt aufzutreten, davon jedoch später Abstand genommen. Hierzu hatte das 3. (kleinere) Mitglied Z vorgebracht, sich aus technischen Gründen nicht an der Bietergemeinschaft XY beteiligt zu haben. Das ließ der Senat jedoch bereits im vorhergehenden Eilrechtsbeschluss nicht gelten, denn das Unternehmen hätte ausweislich seines Internetauftritts auch die Leistungen aus dem Los 2 erbringen können. Die Begründung sei daher vorgeschoben.
Das Gericht ließ auch nicht gelten, dass die Vergabestelle vermeintlich die Vergabebedingungen hinsichtlich des Verbots der Doppelbewerbung geändert haben wollte. Ein entsprechendes Telefonat sowie die Existenz eines entsprechenden Telefaxes konnte die Vergabestelle nämlich nicht beweisen (die ausführliche Beweiswürdigung des Gerichts ist lesenswert). Außerdem hätte eine derartige Information an alle Bieter versandt werden müssen. Dass dies nicht geschehen war, spräche gegen die Existenz einer Änderung der Vergabeunterlagen.
Im Ergebnis war daher das Angebot der Bietergemeinschaft XY auszuschließen und über die Vergabe des Loses 2 neu zu entscheiden. Den weitergehenden Antrag auf Zuschlagserteilung sah das Gericht allerdings nicht als begründet an, weil das Gericht gemäß § 114 GWB lediglich über eine Rechtsverletzung zu befinden habe und nicht ohne Not in die Ermessensentscheidung der Vergabestelle bei der Angebotswertung eingreifen dürfe.
Die Entscheidung enthielt neben den vielen anderen Interessanten Punkten auch einen Schwenk in das Prozessrecht. Im Raum stand die Frage, ob sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hatte, weil die Vergabestelle nach dem aus ihrer Sicht erfolglosen Eilverfahren den Ausschluss der Bietergemeinschaft und die Zuschlagserteilung an den Antragsteller angekündigt hatte. Hierin sah das KG jedoch kein erledigendes Ereignis. Das Rechtsschutzziel des Antragstellers sei noch nicht erfüllt. Denn zum einen habe die Bietergemeinschaft wegen ihres Ausschlusses ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet, so dass die Ausschlussentscheidung nicht rechtskräftig geworden sei. Zum anderen bezweifelt das Gericht die Ernsthaftigkeit der Ankündigung der Vergabestelle, den Zuschlag an den Antragsteller vergeben zu wollen, da die Vergabestelle bis zuletzt die Abweisung des Nachprüfungsantrags in der Hauptsache verfolgt hat. Hierin läge ein unauflöslicher Widerspruch.
Rechtliche Würdigung
Das KG Berlin liegt mit seiner am Sinn und Zweck der vergaberechtlichen Regelungen orientierten Rechtsprechung auf einer Linie mit den anderen Vergabesenaten. Es soll für die Frage, ob ein Bieter vorliegt, nicht auf die – formaljuristisch getrennt zu betrachtenden – Bietergemeinschaften ankommen, sondern auf die dahinter stehenden Unternehmen.
Dabei ist das KG ohne weiteres von der Zulässigkeit der Loslimitierung ausgegangen. Es begnügt sich mit dem Interesse des Auftraggebers an einem Schutz vor personeller Überforderung. Auch wenn diese Begründung etwas schmal ausfällt es wird nicht geprüft, ob in dem konkreten Bauvorhaben überhaupt eine Gefahr personeller Überforderung denkbar war so ist das Interesse der Vergabestellen an einer Loslimitierung grundsätzlich anerkennenswert. Zum einen sind die Vergabestellen vom rechtlichen Ansatz her frei bei der Festlegung ihres Beschaffungsbedarfs und der Art und Weise, wie dieser gedeckt werden soll (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2013, Verg 35/12, Besprechung Dr. Pfarr, MLE). Zum anderen liegt das Interesse an einer Loslimitierung in der Losaufteilung selbst begründet, die es mit sich bringt, dass die Eignung der Bieter lediglich losweise überprüft wird. Daher ist durchaus der Fall denkbar, dass bei fehlender Loslimitierung ein Bieter den Zuschlag auf zwei Lose erhalten würde, für die er zwar jeweils einzeln betrachtet geeignet ist, er aber mit beiden Losen überfordert wäre. Eine losübergreifende Eignungsprüfung ist nicht vorgesehen, so dass der Rückgriff auf eine Loslimitierung legitim ist.
Auf den ersten Blick lässt sich die Begründung des KG Berlin für die Unzulässigkeit einer Bewerbung teilidentischer Bietergemeinschaften auf verschiedene Lose auch auf Nachunternehmer übertragen. Denn auch ein überforderter Nachunternehmer, der in zwei Losen tätig wird, kann die zügige Auftragsausführung vereiteln. Andererseits lässt sich ein Nachunternehmer bei verschuldeten Verzögerungen vergleichsweise leicht kündigen und ersetzen, so dass eine unterschiedliche Behandlung von Bietergemeinschaftsmitgliedern und Nachunternehmern gerechtfertigt ist.
Offen bleibt die Frage, ob und wenn ja bis zu welcher Größe eines Unternehmens die Beteiligung an zwei Bietergemeinschaften zulässig sein kann. Das KG Berlin tendiert dazu, jegliche doppelte Beteiligung abzulehnen, da auch die personelle Überlastung eines kleineren Mitglieds die planmäßige Ausführung des Gesamtauftrags gefährden könnte. Das ist konsequent. Auch verzögerte Leistungen geringen Umfangs können im Einzelfall erhebliches Störpotential für die gesamte Baustelle entfalten.
Praxistipp
Der vom KG Berlin gesteckte Rahmen für die Zulässigkeit von Mehrfachbeteiligungen (teil-) identischer Bietergemeinschaften ist eng bzw. kaum vorhanden. Nach dem Zweck des Doppelbewerbungsverbots, nämlich dem Schutz vor personell überlasteten Auftragnehmern, dürften zulässige Konstellationen nur in Einzelfällen möglich sein. Unternehmen, die sich in unterschiedlichen Konstellationen mit mehreren Bietergemeinschaften um mehrere Lose bewerben, obwohl ein Doppelbewerbungsverbot besteht, sollten hierfür sachliche Gründe aufweisen können. Denkbar ist die Konstellation, dass mehrere Unternehmen auf den Zusammenschluss mit einem anderen Unternehmen wegen dessen besonderer Expertise angewiesen sind. Dieser Fall ließe sich jedoch durch eine Nachunternehmerschaft lösen.
Auftraggeber können alternativ zu einer Loslimitierung über eine Zuschlagslimitierung nachdenken, bei der zwar Angebote für alle Lose abgegeben werden können, aber der Zuschlag nur auf ein Los pro Bieter möglich ist. Hierdurch wird der Wettbewerb verbreitert, zugleich jedoch der Aufwand für alle Beteiligten erhöht. Jedenfalls sollten Auftraggeber die Entscheidung für eine Los- bzw. Zuschlagslimitierung in der Vergabedokumentation begründen.
Sonja Stenzel
Die Autorin Sonja Stenzel ist Rechtsanwältin in Berlin und bei der BG Kliniken – Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung gGmbH tätig.
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