Fordert ein öffentlicher Auftraggeber den Nachweis eines Zertifikates als Entsorgungsfachbetrieb, stellt sich die Frage nach deren Inhalt. Von der Rechtsprechung ist bereits entschieden, dass sich das Zertifikat auf diejenige Niederlassung beziehen muss, die die Leistung auch erbringen soll, auch wenn dies von der Vergabestelle nicht ausdrücklich gefordert wurde. Fraglich ist aber, ob das Zertifikat sich auch auf bestimmte Leistungen (Sammeln, Befördern, Lagern, Behandeln, Verwerten etc.) und/oder bestimmte Abfallarten beziehen muss, wenn dies von der Vergabestelle ebenfalls nicht ausdrücklich gefordert wurde. Hierzu hat das OLG München in seinem Beschluss vom 30.04.2014 Stellung genommen.
§ 19 Abs. 3 Nr. 3a VOL/A-EG
Sachverhalt
Die Vergabestelle hat im offenen Verfahren Entsorgungsdienstleistungen ausgeschrieben. Nach der Bekanntmachung und nach den Bewerbungsbedingungen hatten die Bieter auf Anforderung eine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb über die Leistung der Verwertung von Metall vorzulegen. Nach dem Angebot der Antragstellerin sollten mit der Verwertung des Metalls ein zertifizierter Nachunternehmer beauftragt werden. Ein Zertifikat des Nachunternehmers war dem Angebot nicht beigefügt. Die Vergabestelle forderte die Antragstellerin nach Angebotsabgabe auf, für den von ihr benannten Unterauftragnehmer den Nachweis der Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb für die Verwertung von Alteisen zu übermitteln. Die Antragstellerin übermittelte der Vergabestelle ein Zertifikat des Nachunternehmers für abfallwirtschaftliche Tätigkeiten; der Abfallschlüssel (AS) 20 01 40 Abfallverzeichnisverordnung (AVV) (Metalle) war vom Zertifikat nicht umfasst. Die Vergabestelle schloss deshalb das Angebot der Antragstellerin aus. Hiergegen wendete sich die Antragstellerin.
Die Entscheidung
In einer zweistufigen Eignungsprüfung hat die Vergabestelle zunächst formal zu prüfen, ob der Bieter die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise vorgelegt hat. Das heißt umgekehrt, dass hier eine Ablehnung nur dann ausgesprochen werden darf, wenn der Bieter solche Unterlagen nicht vorgelegt hat, welche aus der Bekanntmachung klar und eindeutig ersichtlich als gefordert erkennbar waren. Die Bekanntmachung selbst enthält keinen ausreichenden Grad an Konkretisierung, um den Ausschluss der Antragstellerin zu rechtfertigen. Allerdings hat die Vergabestelle sich hierdurch vorbehalten, zum Nachweis der Eignung eine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb nachzufordern. Eine Verletzung des Transparenzgebotes liegt hierin (noch) nicht, da die Bieter damit hinreichend darüber informiert werden, dass ein solcher Nachweis ihnen eventuell abverlangt werden wird und er sich im Laufe des Verfahrens hierauf noch ausreichend einstellen kann.
Auf der nächsten Stufe der Konkretisierung hätte jedoch für den Bieter ausreichend deutlich werden müssen, welche konkreten Anforderungen an ihn gestellt werden. Dies ist hier nicht ausreichend klar erfolgt, als die Vergabestelle die Antragstellerin nach Angebotsabgabe aufgefordert hat, ein Zertifikat als Entsorgungsfachbetrieb vorzulegen. Der Aufforderung fehlte die notwendige Konkretisierung auf die AS 20 01 40 AVV. Hierdurch wird gegen das Transparenzgebot verstoßen. Die Vergabestelle ist nicht von Gesetzes wegen gehalten, auf der Vorlage des Zertifikates für den AS 20 01 40 AVV zu bestehen. Eine spätere Konkretisierung wäre auch nur dann zulässig gewesen, wenn diese bis zur Angebotsabgabe erfolgt wäre. Ausreichend war es demnach, irgendein Zertifikat als Entsorgungsfachbetrieb vorzulegen, so dass die Antragstellerin zu Unrecht vom Verfahren ausgeschlossen wurde.
Praxistipp
Fordert eine Vergabestelle ein Zertifikat als Entsorgungsfachbetrieb, muss sich dieses auf diejenige Niederlassung beziehen, die die ausgeschriebene Leistung durchführen soll. Werden von der Vergabestelle für das Entsorgungsfachbetriebezertifikat keine konkrete Leistungen und/oder Abfallarten gefordert, ist es ausreichend irgendeine Zertifizierung vorzulegen. Allein das Fehlen einer darüber hinausgehenden Zertifizierung führt nicht zum Ausschluss des Angebotes. Jedoch hat die Vergabestelle im Rahmen der Eignung zu prüfen, ob der Bieter auch unter Berücksichtigung der Zertifizierung fachkundig und technisch leistungsfähig ist.
Der Autor Dr. Dominik R. Lück ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Köhler & Klett Rechtsanwälte in Köln. Dort ist er Leiter des vergaberechtlichen Fachbereichs und verfügt über langjährige Erfahrung im Vergaberecht und in den Bereichen des Umweltrechts, insbesondere des Abfallrechts.
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