Der seit Jahresbeginn 2015 geltende, bundesweit einheitliche Mindestlohn ist auch für Vergabeverfahren von Bedeutung. Doch was bedeutet dies konkret für Auftraggeber und Unternehmen? Wie ist das Verhältnis zu anderen Bestimmungen, die Lohnuntergrenzen festschreiben, insbesondere zu landesrechtlich geregelten, vergabespezifischen Mindestentgelten? Dieser Beitrag gibt einen kurzen Überblick in zwei Teilen: Dieser erste Teil beleuchtet den neuen Mindestlohn aus vergaberechtlicher Sicht. Der zweite wird im Vergleich dazu die Regelungen der landesrechtlichen Mindestentgelte am Beispiel des baden-württembergischen LTMG erläutern.
Was ist Inhalt des MiLoG?
Das „Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns“, oder kurz: „Mindestlohngesetz“ bzw. „MiLoG“, ist eigentlich dem Arbeitsrecht zuzuordnen. Es hat mit Wirkung zum 1. Januar 2015 einen branchenunabhängigen, bundesweit geltenden Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf Zahlung eines Mindestlohns von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde eingeführt. Das Mindestarbeitsbedingungsgesetz (MiArbG) und die dort vorgesehenen „Mindestarbeitsentgelten“ gemäß § 4 Abs.3 MiArbG sind gleichzeitig entfallen.
Worin liegt der Unterschied zu anderen, arbeitsrechtlichen Lohnuntergrenzen?
Vor Inkrafttreten des MiLoG waren Untergrenzen für Löhne faktisch nur in Tarifverhandlungen zu erreichen. Für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und Arbeitgeber galten dabei nur bundesweite Tarifverträge, die nach den Bestimmungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) für allgemeinverbindlich erklärt wurden bzw. die durch Rechtsverordnung für bestimmte Branchen verbindlich festgesetzt wurden. Das MiLoG hat Tariflöhne nicht abgeschafft – aber es bestimmt für diese nun eine Untergrenze. Für die nach dem AEntG für allgemeinverbindlich erklärten bzw. festgesetzten Tariflöhne und für Tarifverträge repräsentativer Tarifvertragsparteien erlaubt die Übergangsregelung des § 24 MiLoG allerdings eine schrittweise Anpassung bis Ende 2017.
Die Bedeutung des MiLoG für Vergabeverfahren: Eignungsebene
Für Vergabeverfahren sind diese arbeitsrechtlichen Bestimmungen insoweit relevant, als öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Eignung auch die Zuverlässigkeit bzw. Gesetzestreue von Bewerbern prüfen müssen (vgl. § 97 Abs. 4 GWB). Anerkannt ist, dass zu den schwer wiegenden Verfehlungen, die die berufliche Zuverlässigkeit eines Bewerbers in Frage stellen können, auch Verstöße gegen das AEntG gehören. Das wird zukünftig wohl auch für Verstöße gegen das MiLoG gelten. Ab einer Geldbuße von 2.500 Euro droht Bewerbern der Ausschluss in Vergabeverfahren und für einen „angemessenen Zeitraum“ eine Vergabesperre (vgl. § 21 Abs. 1 AEntG, § 19 Abs. 1 MiLoG).
Verhängung von Vergabesperren
Eine Vergabesperre kann einen Bieter zwar nicht an der Teilnahme an einem Vergabeverfahren hindern (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17.04.2013, Az.: 11 W 20/13), sie wirkt aber während ihrer Dauer wie eine vorweggenommene (negative) Zuverlässigkeitsprüfung (vgl. KG, Urteil vom 17.01.2011 – 2 U 4/06 Kart). Die Rechtsprechung hat Sperren zwischen sechs Monaten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.07.2012, Az.: Verg 27/12) und in Einzelfällen bis zu drei Jahren zugelassen (vgl. KG, Urteil vom 17.01.2011, Az.: 2 U 4/06 Kart). Die Bedeutung einer Vergabesperre wird allerdings dadurch relativiert, dass der Bewerber gemäß § 19 Abs. 5 MiLoG in jedem Fall vor einem Ausschluss gehört werden muss. Er kann so – insbesondere bei erfolgreichem Nachweis von Selbstreinigungsmaßnahmen – die Wiederherstellung seiner Zuverlässigkeit nachweisen.
Prüfungspflichten und weitere Maßnahmen öffentlicher Auftraggeber nach MiLoG und AEntG
Das AEntG und das MiLoG verpflichten alle öffentlichen Auftraggeber (außer Sektorenauftraggeber und Baukonzessionäre), sich bei dem Gewerbezentralregister über rechtskräftige Bußgeldentscheidungen, die zum Ausschluss berechtigen würden, zu informieren oder von Bewerbern eine Eigenerklärung darüber abzufordern, dass die Voraussetzungen für einen entsprechenden Ausschluss nicht vorliegen (vgl. § 19 Abs. 3 MiLoG, § 21 Abs. 3 AEntG). In Bezug auf den ausgewählten Bieter ist diese Gewerbezentralregisterauskunft ab einer Auftragssumme von 30.000 Euro sogar zwingend. Darüber hinaus kann ein Angebotsausschluss auch außerhalb der Eignungsebene in Betracht kommen – etwa, wenn Bieter entsprechende Kalkulationsvorgaben des Auftraggebers nicht beachten oder einen ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis nicht plausibel erklären können, ohne eine Mindestlohnunterschreitung zugeben zu müssen (vgl. dazu Beiträge „OLG Düsseldorf: Härtere Zeiten für Dumping-Angebote? (Beschluss v. 08.09.2011 – Verg 80/11)“ der Autorin bei: Vergabeblog.de vom 06/12/2011, Nr. 11489 sowie „Ausschluss auch bei (nachträglich) unklarer Kalkulationsvorgabe! (VK Bund, Beschl. v. 21.10.2014 – VK 2-81/14)“ der Autorin bei: Vergabeblog.de vom 07/01/2015, Nr. 21168)
Fazit
Der arbeitsrechtlich geregelte Mindestlohn zielt nicht primär auf Vergabeverfahren ab. Auf der Eignungsebene müssen öffentliche Auftraggeber jedoch das Vorliegen hinreichend schwerer Verstöße gegen das MiLoG (wie auch schon zuvor in Bezug auf das AEntG) prüfen. Darüber hinaus kann der Mindestlohn nach MiLoG auch im Rahmen der Auskömmlichkeitsprüfung oder bei Kalkulationsvorgaben relevant werden.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
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