In jüngster Zeit gab es mehrere gerichtliche Entscheidungen, bei denen das Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen im Fokus stand. So auch in einer Entscheidung des VG Düsseldorf vom 22.10.2014. In einer kommunalabgabenrechtlichen Streitigkeit hat das Gericht entschieden, dass im Rahmen der Aufgabenstellung diejenigen Kosten gebührenrechtlich ansatzfähig sind, die betriebsnotwendig sind. Im Falle von Fremdleistungen seien dies nur solche Kosten, die nach dem öffentlichen Preisrecht gefordert oder angenommen werden dürfen und deren Bemessung dem Äquivalenzprinzip entspricht.
Ein Grundstückseigentümer klagte gegen seinen Abfallentsorgungsbescheid vom Januar 2014. Dieser sei rechtswidrig. Die Kommune habe, um den Bindungen des Preisrechts zu umgehen, die Gründung zweier neuer Gesellschaften veranlasst, um die Vereinbarung eines Verbrennungsentgelts abseits vom Marktpreis zu ermöglichen. Im Ergebnis sei hierdurch keine nachprüfbare Kalkulation der Gebühr gewährleistet.
Die Kommune beauftragte bis zum Jahr 2013 die H.GmbH – an der sie über eine Beteiligungsgesellschaft beteiligt war – unmittelbar mit der Verbrennung von Abfall. Die Verbrennungskosten flossen als Fremdleistungen in die Gebührenkalkulation ein. Die Beauftragung, und damit die Kontrolle der Kostenansätze der Verbrennung, unterlag dem öffentlichen Preisrecht (VO PR Nr. 30/53). Um den Vorgaben des Preisrechts zu entgehen beschloss das Kommunalparlament ab 2014 nur noch eine mittelbare Beauftragung durch die Kommune, indem eine neugründete Gesellschaft zwischengeschaltet wurde. Die neugegründete Gesellschaft übernahm inhaltsgleich alle Rechte und Pflichten aus dem ehemaligen unmittelbaren Vertrag zwischen der Kommune und der MVA.
Das VG sah die Klage als begründet an. Es sah einen Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsgebot nach § 6 Abs. 1 S. 3 KAG-NRW. Grundsätzlich seien die Verbrennungskosten als Fremdleistung ansatzfähig. Diese Kosten müssten jedoch betriebsnotwendig sein. Betriebsnotwendig seien nur die preisrechtlich zulässigen Kosten. Schon die Vereinbarungen der Kommune mit der MVA bis 2013 seien dem Preisrecht nicht gerecht geworden. Dies gelte auch für die ab 2014 geschlossene (mittelbare) Vereinbarung.
Das VG führte hierzu drei bemerkenswerten Argumente ins Feld:
1. Da die ursprünglichen Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung zwischen der Kommune und der H.GmbH en bloc nur durchgereicht wurden, sei der ursprüngliche Auftrag, der auch vergaberechtlich keinen neuen, ausschreibungspflichtigen Auftrag darstelle, erhalten geblieben. Somit bliebe die Identität des Auftragsverhältnisses erhalten und es gelte die preisrechtliche Bindung fort! Es bestehe kein Anlass, die preisrechtliche Bindung aufzuheben, wenn sich die Neustrukturierung lediglich als interne Neuorganisation darstelle. In diesem Fall sei nicht die Anwendung des Preisrechts sondern der Dispens rechtfertigungsbedürftig!
2. Selbst wenn ein eigenständiger mittelbarer Auftrag vorläge, hätte die Kommune nur die preisrechtlich zulässigen Verbrennungskosten berücksichtigen dürfen. Nach dem Rechtsgedanken des § 42 AO, der nach dem § 12 Abs. 1 KAG-NRW auch im Bereich kommunaler Gebühren zu berücksichtigen ist, kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Gesetz nicht umgangen werden. Das VG stellte fest, dass eine rechtliche Gestaltung, die ersichtlich allein dem Zweck dient, eine abgabenrechtlich unzulässige Abgabe aufrechtzuerhalten, nicht schutzwürdig ist. Schließlich führe die fehlende Berechnung gemäß Preisrecht dazu, dass die Verbrennungskosten nicht in die Gebührenermittlung eingestellt werden können.
3. Zur Nichtigkeit der Beitragssatzregelung führende Fehler bei der Aufwandsermittlung lägen nicht nur dann vor, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt werde. Vielmehr führten Fehler der Beitragskalkulation auch dann zur Unwirksamkeit der Satzung, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht. Genau diese methodischen Fehler hat das VG infolge der Neukonstruktion zur mittelbaren Beauftragung der H.GmbH angenommen.
Fazit
Das öffentliche Preisrecht kann und will Kommunen nicht in ihrer Freiheit beschneiden oder einschränken. Gleichwohl, so lässt sich der Entscheidung entnehmen, kann bei der Einbeziehung von Fremdleistungen in die Gebührenkalkulation eine preisrechtliche Kontrolle geboten sein, insbesondere um das Äquivalenzprinzip zu gewährleisten. Die Wahl einer Konstruktion beim Einkauf von Fremdleistungen, die die Umgehung des öffentlichen Preisrechts zur Folge haben soll, kann einen Missbrauchstatbestand im Sinne des Kommunalabgabenrechts darstellen.
Der Autor Hans-Peter Müller war über 20 Jahre im für die VO PR Nr. 30/53 federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für deren Inhalt und Anwendung zuständig. Zudem wirkte er maßgeblich im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien 2004 und 2014 in nationales Recht mit. Er ist Mitherausgeber des Standardkommentars „Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller“ zum Preisrecht und er fungierte im April 2016 als Sachverständiger des Bundes vor dem zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen eines Verwaltungsstreitverfahrens zum Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen. Mittlerweile ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Kunz Rechtsanwälte, Koblenz/Mainz.
0 Kommentare