In der aktuellen Ausgabe des Ministerialblattes NRW wurde ein gemeinsamer Runderlass des Finanzministeriums, des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, des Ministeriums für Inneres und Kommunales und des Ministeriums Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr vom 06.08.2015 zur „Beschaffung von Leistungen zum Zweck der Unterbringung, Sicherheit, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen“ veröffentlicht.
Die NRW-Regierung reagiert damit auf den Zustrom von Flüchtlingen. Sie lockert die Vorgaben bei Maßnahmen unterhalb der Schwellenwerte und gibt Hilfestellungen für Maßnahmen oberhalb der Schwellenwerte.
Der Runderlass gilt sowohl für das Land als auch für Gemeinden und Gemeindeverbände. Er tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft und ist bis zum 31.03.2016 befristet.
a)
Unterhalb der Schwellenwerte können die unterschiedlichen erforderlichen Leistungen im Rahmen einer freihändigen Vergabe beauftragt werden. Dies gilt abweichend von den kommunalen Vergabegrundsätzen und dem entsprechenden Erlass für Stellen des Landes unabhängig vom Schwellenwert.
Es sind lediglich mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, was auch formlos erfolgen kann. Sofern nur ein Unternehmen aus besonderen Gründen in Betracht komme, könne auch dieses freihändig beauftragt werden.
Des Weiteren kann bei Bauvergaben auf die Eintragung der Bieter in das Präqualifizierungsverzeichnis und auf Bescheinigungen zur Bestätigung von Eigenerklärungen verzichtet werden, wenn keine Zweifel an deren Richtigkeit und der Eignung des Unternehmens bestehen. Dies ist dann aber im Vergabevermerk darzulegen.
b)
Oberhalb der Schwellenwerte empfiehlt die Landesregierung, das Vorliegen entsprechender Ausnahmen (Grundstückskaufverträge und Mietverträge gem. § 100 Abs. 5 GWB, Dringlichkeit) zu prüfen. Ebenso wie im Rundschreiben des Bundeswirtschaftsministeriums vom 24.08.2015 geht die Landesregierung davon aus, dass aktuell Anlass für die Annahme von Dringlichkeit bestehe, weist aber darauf hin, dass die verkürzten Verfahrensfristen teilweise durchaus noch eingehalten werden könnten.
Da die Beschaffung von Zeltstädten, Wohncontainern, etc. zur Unterbringung von Flüchtlingen sowohl Liefer- als auch Bauleistungen umfasst, äußert die Landesregierung ihre Einschätzung zur vergaberechtlichen Zuordnung. Da in aller Regel die Wohncontainer zu einem funktionsfähigen Bauwerk zusammengefügt und an Versorgungsleitungen (Strom, Wasser, Abwasser) angeschlossen werden müssen, geht die Landesregierung bei einer einheitlichen Beauftragung (Lieferung und Anschluss) an ein Unternehmen davon aus, dass „in aller Regel von einer Bauleistung im Sinne der VOB/A auszugehen sein“ werde. Dies hat zur Folge, dass hier der höhere Schwellenwert i.H.v. 5.186.000 Euro (netto) einschlägig ist.
Werde die Liegenschaft vor der Anmietung / dem Ankauf von einem Bauträger errichtet, liege bereits dann ein öffentlicher Bauauftrag mit der Folge der Anwendung der Vergabevorschriften vor, wenn die öffentliche Hand dem Bauträger hinsichtlich des Baus Vorgaben mache.
Hinweis der Redaktion
Der Erlass kann im Mitgliederbereich des Deutschen Vergabenetzwerks DVNW, dort in der Bibliothek abgerufen werden. Noch kein Mitglied? Hier geht es zur Mitgliedschaft.
Beachten Sie: Das Thema ist auch ein Schwerpunkt unseres 2. Deutschen Vergabetages am 15./16.10.2015 in Berlin. Zu Programm & Anmeldung.
Dr. Alexander Fandrey
Der Autor Dr. Alexander Fandrey ist Rechtsanwalt bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Düsseldorf. Er berät nahezu ausschließlich öffentliche Auftraggeber und Fördermittelempfänger in allen Fragen des Vergabe- und Zuwendungsrechts. Er ist Referent bei Seminaren, Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen sowie eines monatlichen Newsletters zum Landesvergaberecht NRW.
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