Auftraggeber behalten sich manchmal vor, bestimmte Erklärungen oder Nachweise erst nach Angebotsabgabe anzufordern. Nicht selten bestimmen sie dann eine Frist zur Vorlage von sechs Kalendertagen. Nach einer jüngeren Entscheidung des OLG Celle ist hier Vorsicht geboten.
VOB/A 2012 § 15 EG Abs. 2, § 16 EG Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz (nicht amtlich)
Sachverhalt
In den Bewerbungsbedingungen einer europaweiten Bauausschreibung behielt sich der Auftraggeber vor, nach Angebotsabgabe in Bezug auf die eingesetzten Nachunternehmer eine bestimmte Eigenerklärung zur Eignung anzufordern. Die Vergabestelle forderte den Bestbieter zunächst vergeblich auf, eine solche Erklärung innerhalb einer Frist von sechs Kalendertagen einzureichen. Erst nach einer zweiten Aufforderung in einem anschließenden Nachprüfungsverfahren reichte der Bieter die entsprechende Erklärung nach. Die Vergabekammer Lüneburg ließ dies ausreichen und entschied, dass das Angebot nicht auszuschließen war.
Die Entscheidung
Das OLG Celle bestätigte diese Entscheidung. Es kam dabei nicht darauf an, ob die zweite Aufforderung in analoger Anwendung des §16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A zwingend war, oder ob man der Entscheidungspraxis anderer Senate folgend – von einer Ermessensentscheidung des Auftraggebers ausgehen durfte
(vgl. zum Streitstand auch weitere Beiträge: OLG Dresden: Nachforderung bei vorliegenden Referenzen zulässig? (OLG Dresden, Beschl. v. 17.01.2014 Verg 7/13) in: Vergabeblog.de vom 18/05/2014, Nr. 19066; Regeln zum Angebotsausschluss gelten nicht für nachträglich geforderte Unterlagen (OLG Koblenz, Beschl. v. 19.01.2015 Verg 6/14) in: Vergabeblog.de vom 01/04/2015, Nr. 21900; Nachträglich geforderte Unterlagen: Ausschluss bei Nichtvorlage zwingend? (VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.11.2015 VK 1-26/15) in: Vergabeblog.de vom 31/01/2016, Nr. 24676).
Die Nachforderung sei im entschiedenen Fall nämlich jedenfalls ermessensfehlerfrei gewesen, da der Auftraggeber zum Einen den Angebotsausschluss nicht eindeutig angedroht habe und zum Anderen die gesetzte Frist für die Vorlage auch zu kurz gewesen sei.
Regelmäßige Mindestfrist von einer Woche?
Für Unterlagen, deren Anforderung sich der Auftraggeber nur vorbehält, ist eine Antwortfrist von weniger als einer Woche aus Sicht des Gerichts in der Regel unzumutbar. Allein der Vorbehalt in den Bewerbungsbedingungen erfordere nämlich nicht, dass ein Bieter diese bereit halte. Die per Fax am Freitag, 16:13 Uhr übersandte Aufforderung habe dem Bieter unter Berücksichtigung üblicher Geschäftsabläufe erst am folgenden Montag die Anforderung bei seinem Nachunternehmer ermöglicht. Die verbleibenden vier Werktage seien unangemessen kurz.
Durch die Anforderung sei auch nicht automatisch eine angemessene Frist in Gang gesetzt worden. Erforderlich war dem OLG Celle zufolge vielmehr eine erneute Nachforderung mit angemessener Fristsetzung, dies sei auch noch im Nachprüfungsverfahren möglich gewesen.
Rechtliche Würdigung
Eine großzügige Entscheidung! Immerhin handelte es sich nur um eine Eigenerklärung, die der Bieter auf die zweite Aufforderung hin zudem auch innerhalb eines einzigen Tages beibringen konnte.
Mangels Begründung erscheint die allgemeine Aussage, eine Frist von einer Woche sei regelmäßig zu kurz für die gesonderte Anforderung von Unterlagen nach Angebotsabgabe, auch nicht recht überzeugend. Eine rechtliche Grundlage ist nicht ersichtlich. Ganz im Gegenteil sieht der neue § 16 EU Nr. 4 VOB/A eine Nachforderung vorbehaltener Unterlagen innerhalb einer angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vor. Eine feste Mindest- oder Höchstfrist enthält die Norm im Gegensatz zum Fall der zukünftig in § 16a EU VOB/A geregelten Nachforderung gerade nicht.
Da § 16a EU VOB/A im Wortlaut nahezu unverändert gegenüber § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bleibt, dürfte die Frage, ob eine Nachforderung auch bei nach Angebotsabgabe geforderten Unterlagen zulässig oder gar verpflichtend ist, im Übrigen weiterhin nicht einheitlich beantwortet werden. Für eine verpflichtende Nachforderung spricht zumindest der Umkehrschluss daraus, dass die Vorschrift nur bei einem Angebotsausschluss nach § 16 EU Nr. 1 und 2 VOB/A eine Nachforderung ausdrücklich verbietet.
Möglicherweise wird es auf diese Streitfrage aber in Zukunft auch gar nicht mehr entscheidend ankommen, da sich bei jedem Fall der verspäteten oder fehlenden Vorlage die Frage stellen wird, ob die ursprüngliche Anforderungsfrist überhaupt angemessen war. War sie dies nicht, so ist der Entscheidung des OLG Celle zufolge schon deswegen eine erneute Anforderung erforderlich.
Praxistipp
Bei der Anforderung von Unterlagen nach Angebotsabgabe sollten Auftraggeber in jedem Fall eine angemessene und im Grundsatz eher großzügige Einreichungsfrist bestimmen.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
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