Der versehentlich falsch eingetragene Einheitspreis ist vergaberechtlicher Alltag. Diese instruktive Entscheidung zeigt, wie man es als Bieter besser nicht anstellen sollte, wenn man trotzdem den Auftrag haben will.
§§ 13 EG Abs. 1 Nr. 3, 15 EG Abs. 3, 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c VOB/A a. F.
Sachverhalt
Der Auftraggeber schrieb im offenen Verfahren Beton-/Stahlbetonarbeiten für den Neubau einer Schule aus. Ein Bieter hatte im Leistungsverzeichnis zu der Position 3.10.5 Betonstabstahl BSt500(A) alle Durchmesser als Bewehrung als Halbfertigteilhohlwände, BSt500S DIN 488 (A DIN 1045-1), alle Durchmesser, alle Längen mit einem Vordersatz von 68 Tonnen einen Einheitspreis von 1,01 /Tonne angeboten. Der Auftraggeber verlangte Aufklärung der Kalkulation hinter diesem Einheitspreis.
Der Bieter teilte mit, ihm sei bei der Eintragung des Preises bzw. der Kommastelle ein Fehler unterlaufen. Bei verständiger Auslegung des Angebots sei klar, dass ein Einheitspreis von 1.010,00 /Tonne gemeint gewesen sei. Der Auftraggeber schloss das Angebot daraufhin mit der Begründung aus, dass der Bieter sein Angebot gemäß § 119 Abs. 1 BGB wegen eines Erklärungsirrtums angefochten habe. Außerdem habe der Bieter durch die Erklärung, dass ein Einheitspreis von 1.010,00 /Tonne gemeint gewesen sei, gegen das Nachverhandlungsverbot verstoßen. Den dagegen gerichteten Nachprüfungsantrag wies die Vergabekammer Rheinland zurück.
Die Entscheidung
Der Vergabesenat bestätigt den Ausschluss, da das Angebot entgegen 13 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A a.F. (§ 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A) nicht die geforderten Preise enthalte. In Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung setzt das OLG Düsseldorf soweit es die Ausschlusssanktion des § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) VOB/A a.F. (§ 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A) angeht den unzutreffenden, also falschen Preis mit einem fehlenden Preis gleich. Unzutreffend sei ein Preis, wenn er nicht der Kalkulation des Bieters entspricht (Anm.: Damit hat es der Bieter in der Hand, denn über die Kalkulation bestimmt er in der Regel allein). Den Beleg dafür, dass der Einheitspreis von 1,01 /Tonne nicht der eigenen Kalkulation entspricht, habe der Bieter im Zuge der Angebotsaufklärung selbst geliefert.
Dann wendet das OLG Düsseldorf den Grundsatz Auslegung vor Aufklärung an. Zwar so der Senat verbiete das Nachverhandlungsverbot des § 15 Abs.3 VOB/A a.F. (§ 15 EU Abs. 3 VOB/A) jede Änderung des unzutreffenden Einheitspreises im Zuge der Angebotsaufklärung. Das stehe aber einer Auslegung der Preisangabe im Sinne des objektiv erkennbar Gewollten nicht entgegen. Das allerdings nur dann, wenn sich aus den Angebotsunterlagen eindeutig und zweifelsfrei ergebe, dass ein ganz bestimmter Einheitspreis gemeint gewesen sei.
Bei der anschließenden Auslegung kommt das OLG nicht zu einem eindeutigen und zweifelsfreien Ergebnis: Bei anderen LV-Positionen über Betonstabstahl (allerdings zu anderen Einsatzzwecken) habe der Bieter zwar Einheitspreise von um die 1.000 /Tonne angeboten, aber in keinem Fall exakt 1.010,00 /Tonne. Die Berücksichtigung des angeblich verrutschten Kommas führe ebenfalls nicht zu genau diesem behaupteten Einheitspreis, da nicht zwingend sei, ob sich der Bieter nun um ein, zwei oder drei Stellen vertan habe. Auch wenn man einen Irrtum um drei Stellen annehmen wollte, bliebe immer noch eine Bandbreite von 1.010,00 bis 1.019,99 als möglicherweise gemeinter Einheitspreis, die durch Auslegung nicht geschlossen werden könne.
Eine Nachforderung des Einheitspreises gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, 2. Halbsatz VOB/A a.F. (§ 16 EU Abs. 1 Nr. 3, 2. Halbsatz VOB/A) sei schließlich auch nicht zulässig, denn ein unzutreffender Preis sei eben kein fehlender Preis.
Rechtliche Würdigung
Die Zweifel des OLG Düsseldorf, ob das Komma bei der Preisangabe 1,01 /Tonne nun um ein, zwei oder drei Stellen verrutscht war, wirken reichlich spitzfindig. Angesichts der Einstandskosten und der zu den anderen Betonstabstahl-Positionen angebotenen Einheitspreise liegt es auf der Hand, dass der Bieter sich bei der um den Faktor 1.000 vertan hatte. Unter dieser Prämisse kam ein gewollter Einheitspreis von 1.010,00 bis 1.019,99 je Tonne in Betracht, bei einem Vordersatz von 68 Tonnen bestand also eine Ungewissheit von ca. 680 . Der vergebene Auftrag hatte nach der Bekanntmachung vom 19.04.2016 einen Wert von über 5,7 Mio. Bei dieser Relation, unterstellt, dass die Differenz nicht wettbewerbsrelevant war, hätte dem OLG etwas Großzügigkeit bei der Auslegung gut zu Gesicht gestanden.
Dem redlichen, aber etwas schusseligen Bieter gibt das OLG Düsseldorf mit seinen strikten Anforderungen an die Auslegung einer Preisangabe also eher Steine statt Brot. Denn die Auslegung dahin, dass eindeutig und zweifelsfrei ein anderer, bis auf die zweite Nachkommastelle bestimmbarer Preis gemeint war, wird nur selten möglich sein, etwa wenn genau dieser Preis an anderer Stelle (z. B. im Anschreiben) zufällig genannt wird, oder wenn anhand der Einheitspreise zu identischen Positionen in anderen LV-Titeln der tatsächlich gewollte Einheitspreis eindeutig und zweifelsfrei festgestellt werden kann. In allen anderen Fällen ist der Ausschluss nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf unumgänglich.
Praxistipp
Erfährt der Bieter durch ein Aufklärungsverlangen, dass er versehentlich einen falschen Preis eingetragen hat, muss er schnell entscheiden, ob er an dem Angebot festhalten will oder nicht. Wenn nicht, sollte er den Irrtum (wie im Fall) einräumen und zur Sicherheit sein Angebot und nicht nur die falsche Preisangabe! wegen des Erklärungsirrtums klar und unmissverständlich anfechten. Die Anfechtung muss, um wirksam zu sein, unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB: ohne schuldhaftes Zögern) erklärt werden.
Will der Bieter aber am Angebot festhalten, sollte er den Irrtum in keinem Fall offenlegen, sondern eine möglichst plausible Erklärung für den angezweifelten Einheitspreis liefern. Im entschiedenen Fall wäre das dem Bieter vermutlich schwer gefallen. Da der Bieter aber im Prinzip bis zur Grenze der Unauskömmlichkeit frei darin ist, wie er die Einheitspreise kalkuliert, ist es den Versuch allemal wert.
Dr. Martin Kunde ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Carl Hilger Becker & Partner Rechtsanwälte PartG mbB in Düsseldorf. Er berät Bieter und Auftraggeber im Vergaberecht und privaten Baurecht.
Die formelle Sichtweise des OLG Düsseldorf finde ich konsequent, nachdem der Senat die Möglichkeit einer Auslegung und Korrektur des falschen Preises mit dem restlichen Angebotsinhalt geprüft und abgelehnt hat. Das Gegenstück zu der aktuellen Entscheidung ist m.E. eine Entscheidung des OLG München aus dem Jahr 2010. Dem Münchener Vergabesenat lag ein Fall vor, in dem ein Eintragungsfehler – 1000fach überhöhter Preis – wegen mehrfacher Eintragung des richtigen Preises an anderen Stellen so offensichtlich war, dass eine Korrektur zugelassen werden durfte (OLG München, Beschluss vom 29.07.2010 – Verg 9/10).
Dem Bieter fällt ein irrig niedriger Preis auch nicht auf die Füße, wenn der Auftraggeber den Eintragungsfehler – wie hier – mit der Urkalkulation feststellen kann und muss. Der Auftraggeber muss das Angebot laut der besprochenen Entscheidung zwingend ausschließen.
Ist der Fehler nicht nachvollzieh- bzw. anfechtbar, kann den Bieter unter Umständen noch der BGH retten, sollte ihn der Auftraggeber an dem irrig niedrig kalkulierten Angebot festhalten wollen. Die Erteilung des Zuschlags kann unter engen Voraussetzungen eine Verletzung der vorvertraglichen Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB darstellen, die ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht des Bieters begründet und auch einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers ausschließt (BGH, Urteil vom 11.11.2014 – X ZR 32/14).