Hans-Peter Müller gehört zu den bekanntesten Gesichtern im Vergaberecht, denn er begleitet dessen Genese seit vielen Jahren unmittelbar: Seit 1988 ist er im Bundeswirtschaftsministerium und dort seit 20o1 im Vergaberechtsreferat tätig. Er war und ist zuständig für die Sektorenverordnung (SektVO), für Querschnittsthemen der Vergabeverordnung (VgV) sowie die Vergabe- und Vertragsordnungen VOL und VOF. Darüber hinaus betreut er das Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen (Verordnung PR Nr. 30/53), Insider sagen, niemand kenne es so gut wie er. Ehrenamtlich engagiert er sich u. a. im Beirat des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW). In einer kleinen Serie wollen wir Ihnen unsere Beiratsmitglieder vorstellen.
Lieber Herr Müller, wie sind Sie eigentlich zum Vergaberecht bzw. öffentlichen Auftragswesen gekommen?
Hans-Peter Müller: Im Grunde genommen war es dem reinen Zufall geschuldet, dass ich im Vergaberecht gelandet bin. Im Jahr 2001 endete meine Amtszeit als Vizepräsident des NATO-Industrieplanungsausschusses und damit insgesamt meine 5-jährige Abordnung nach Brüssel. Damals wurde ich angefragt, ob ich mir nicht eine Mitarbeit im Vergaberechtsreferat vorstellen könne. Da der freie Dienstposten in Bonn zu besetzen war und meine Präferenz Bonn war, sagte ich zu, ohne zu wissen, was auf mich zukommen würde. Im Nachhinein für mich eine gute Entscheidung.
… und wollten Sie je wieder davon weg? Was macht das Thema für Sie so spannend?
Hans-Peter Müller: In mittlerweile 15 Jahren „Reformtätigkeit“ durfte ich erfahren, wie spannend und vielseitig das Vergaberecht ist. Zudem durfte ich viele aufgeschlossene Menschen kennenlernen. Das bindet. Es gibt zudem nicht viele Stellen im Bundeswirtschaftsministerium, auf denen man „gesetzgeberisch“ tätig sein kann. Ich kann hier viel Kreativität in meine Arbeit einbringen. Auch das ist ein bindender Faktor. Kurzum: Mir macht meine Arbeit viel Spaß.
Vor allem aber hatte und habe ich immer wieder Gelegenheit auch meine Art von Humor zum Ausdruck zu bringen. Wenn ich nur daran denke, dass es mir gelungen ist, mit der Erarbeitung der SektVO (die Abkürzung habe ich damals vorgeschlagen) einen Bereich im Vergaberecht zu schaffen, der „prickelnde“ Vergaben ermöglicht.
Sie sind Mitglied im Beirat des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW). Aus welchem Grund engagieren Sie sich ehrenamtlich für das Netzwerk?
Hans-Peter Müller: Ich freue mich, im Rahmen dieses Interviews meine Eindrücke zum DVNW mitteilen zu können. Dabei möchte ich betonen, dass dies ausschließlich persönliche Äußerungen von mir sind.
Als ich im Rahmen meiner beruflichen Aufgaben im Bereich des Vergaberechts zum ersten mal mit dem Vergabeblog und dem damals noch in den Kinderschuhen steckenden DVNW Bekanntschaft machte, glaubte ich, das große Potenzial zu erkennen, welches in diesem elektronischen Medium steckte, um das Vergaberecht insgesamt aber im Besonderen die Betroffenen zu einer mehr oder weniger „Familie“ zusammenzubringen, in der man über alles reden und diskutieren kann. Dieses Potenzial hat sich mehr als bewahrheitet. Es wird auch nicht nur diskutiert, nein man erhält überaus kompetente Antworten auf praktische und theoretische Problemstellungen.
Deshalb freut es mich umso mehr, dass ich mit meinem ehrenamtlichen Engagement im Beirat des DVNW etwas zur weiteren Entwicklung des DVNW beitragen darf.
Was glauben Sie, ist der größte Nutzen des DVNW für seine Mitglieder?
Hans-Peter Müller: Das DVNW ist aus meiner Sicht DAS elektronische Medium zum Vergaberecht in Deutschland, indem nicht nur diskutiert wird, sondern praktische und theoretische Fragestellungen kompetent gelöst werden. Darüber hinaus bietet das DVNW ja mittlerweile eine ganze Fülle von Informationen und Themen jenseits des reinen Austauschs, wenn ich nur an die neuen Seminarangebote denke, die einem das vergaberechtliche Leben doch sehr angenehm machen.
Aber auch die veranstalteten Kongresse und vor allem der Deutsche Vergabetag in seiner ganzen Fülle und den vielseitigen Angeboten sind ungemein hilfreich, das Vergaberecht im Positiven weiter zu entwickeln.
Das neue Vergaberecht für den Oberschwellenbereich ist jetzt seit dem 18. April 2016 in Kraft. Ihr vorläufiges Zwischenfazit?
Hans-Peter Müller: Um ein aussagefähiges Zwischenfazit zu ziehen, scheint es mir noch etwas früh zu sein. Erste Eindrücke lassen sich jedoch schildern:
Aus Rückmeldungen vieler Beteiligter weiß ich, dass die neue Struktur und Systematik sowie der größere Umfang der Regelwerke GWB und VgV noch gewöhnungsbedürftig sind. Dennoch fühlen sich viele Anwender mit den ausführlicheren Regelungen wohl sicherer als in der Vergangenheit. Dass für den Baubereich weiterhin ein Sonderweg beschritten wird, ist für viele nicht nachvollziehbar.
Zu zwei Einzelfragen sind mittlerweile Nachprüfungsentscheidungen ergangen. So hat die Vergabekammer des Bundes einen Fall zur Inhouse-Problematik (§ 108 GWB) zu entscheiden gehabt, in dem sie sich recht eng an den neuen Voraussetzungen abgearbeitet hat. Ein weiterer Fall betraf die eingeschränkte Registrierung nach § 9 VgV. Obwohl der öffentliche Auftraggeber entgegen der Vorgabe des § 9 Vgv eine verpflichtende Registrierung für Bewerber vorsah, hatte der Verstoß für ihn keine Konsequenzen. Da nämlich die Registrierung für alle Teilnehmer vorgeschrieben war, konnte die Vergabekammer weder eine Diskriminierung noch einen (drohenden) Schaden für den Antragsteller feststellen.
Leider gab es in der praktischen Anwendung auch Anlaufschwierigkeiten. Dies betrifft einerseits die Verwendung der neuen EU-Standardformulare sowie andererseits die bisher stets verlangte Registrierung der Bewerber. Hier hat das Bundeswirtschaftsministerium zwischenzeitlich interveniert um die Probleme zu beseitigen.
Wo besteht aus Ihrer Sicht der größte Reformbedarf im Vergaberecht?
Hans-Peter Müller: Ich glaube, das Vergaberecht ist noch nicht einfach genug. Wir haben immer noch sehr viele Einzelvorschriften. Es wird langsam Zeit, dass wir es hinbekommen, ein einheitliches Regelwerk in Form eines Vergabegesetzes zu schaffen.
Vielen Dank für das Interview!
Alle Mitglieder des DVNW Beirats finden Sie hier.
Über das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW):
Das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW) vereint Experten und Entscheider im Vergaberecht und Public Sector. Dazu zählen öffentliche Einkäufer aus Bund, Ländern und Kommunen, überregional tätige Organisationen und NGOs, ebenso wie global aufgestellte Unternehmen und leistungsstarke Mittelständler. Das DVNW repräsentiert damit wie kein zweites Netzwerk den Public Sector in Deutschland. Das DVNW ermöglicht und fördert als unabhängige Plattform den Wissens- und Erfahrungsaustausch seiner Mitglieder und ist u. a. Veranstalter des Deutschen Vergabetages. Der ehrenamtliche Beirat des DVNW berät und unterstützt das DVNW in fachlicher Hinsicht.
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