Während in den letzten Jahren die vergaberechtliche Spruchpraxis regelmäßig die Frage diskutierte, ob bei der Vergabe von Postdienstleistungen Lose für Postleitzahlregionen oder nach Sendungsarten gebildet werden müssen, macht der technische Fortschritt hier nicht halt. Neue Möglichkeiten wie Hybridpost über die Nutzung sog. Lettershops oder das E-Post-System bieten dem öffentlichen Auftraggeber Chancen, seine Postlogistik zu optimieren. Sie stellen ihn aber auch vor neue vergaberechtliche Herausforderungen.
Dieser Beitrag ordnet E-Post, Hybridpost & Co. ein in das vergaberechtliche Anforderungsprofil der Losvergabe und zeigt öffentlichen Auftraggebern, worauf diese bei der Strukturierung ihrer Vergabe diesbezüglich achten müssen, um die Vergabe von Postdienstleistungen optimal durchzuführen.
1. Neue technische Möglichkeiten für öffentliche Auftraggeber
Zum besseren Verständnis sollen zunächst die neuen technischen Möglichkeiten dargestellt werden: Während beim klassischen Postversand der Brief beim Absender ausgedruckt, kuvertiert und anschließend zum Empfänger transportiert wird, legt der Brief im System der Hybridpost einen Teil der Strecke in elektronischer Form zurück. Die Daten verlassen die Sphäre des Absenders elektronisch und werden erst andernorts ausgedruckt und anschließend auf herkömmliche Weise zugestellt. Der Vorteil liegt zum einen in Synergieeffekten: Durch die Verlagerung des Postausgangsprozesses von dem öffentlichen Auftraggeber zu einem Druckdienstleister können Effizienzvorteile realisiert werden, z. B. Druck- und Portokosteneinsparungen. Zum anderen kann der Ausdruck näher am Empfänger erfolgen, sodass die Umweltbelastung reduziert wird. Derartige Leistungen bieten sog. Lettershops an, die sich für den Weitertransport der Sendungen wiederum der bekannten Postdienstleister, sei es der Postcon, der PIN Mail, eines anderen privaten Zustelldienstes oder noch klassisch der Deutsche Post AG, bedienen.
Hybridpostdienste werden von einer Vielzahl von Briefdienstleistern angeboten. Eine Besonderheit bietet das E-Post-System der Deutschen Post AG. Neben der Hybridpost bietet die Deutsche Post AG ihren Kunden auch eine rein elektronische Zustellung an eine E-Post-Adresse an. Die Sendung selbst wird in diesem Fall nicht ausgedruckt, sondern gelangt als elektronische Nachricht in das digitale Postfach des Empfängers und bietet dabei zwar einen höheren Verschlüsselungsstandard als eine unverschlüsselte E-Mail, allerdings erfolgt – anders als bei De-Mail-Angeboten – keine vollständige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Die beim konventionellen Versand sowie beim Hybridversand anfallenden Druck- und Transportkosten entfallen, sodass der Versand kostengünstiger erfolgen kann.
Ob eine rein elektronische oder eine physische Zustellung einer Sendung erfolgt, bestimmt sich danach, ob im E-Post-System eine digitale E-Post-Adresse des Empfängers gespeichert ist. Bislang verfügen allerdings nur sehr wenige Personen über ein derartiges digitales Postfach, sodass die rein elektronische Zustellung über das E-Post-System der Deutschen Post AG bislang eine zu vernachlässigende Bedeutung für den Markt für die Beförderung von Briefsendungen hat (deutlich unter 1 %). Praktisch relevant ist daher bislang alleine das oben beschriebene Modell der Hybridpost unter Einbindung eines Lettershops.
2. Das Gebot der Losvergabe
Es fragt sich nun, ob die oben aufgeführten Dienstleistungen (Druck, physische Zustellung und/oder elektronische Zustellung) in einem Gesamtlos vergeben werden dürfen. Diese Frage beantwortet sich nach den Grundsätzen des Vergaberechts:
Ein wichtiger Pfeiler des deutschen Vergaberechts ist die Förderung des Mittelstandes. Dies manifestiert sich insbesondere im Gebot der Losvergabe (§ 97 Abs. 4 GWB): Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Der öffentliche Auftraggeber muss sich also in besonderer Weise mit dem Gebot einer Losvergabe und den dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzen, wenn er hierauf verzichten will. Es bedarf einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen. Für das Maß eines Überwiegens lassen sich nach der Rechtsprechung keine allgemeinen Regeln aufstellen. Der mit einer Losvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsmehraufwand kann eine Gesamtvergabe für sich allein nicht rechtfertigen, weil es sich dabei um einen Losvergaben immanenten und damit typischerweise verbundenen Mehraufwand handelt, der nach dem Zweck des Gesetzes grundsätzlich in Kauf zu nehmen ist (vgl. VK Bund, Beschluss vom 09.05.2014 – Az. VK 1-26/14). Dem Losaufteilungsgebot kommt auf ehemaligen Monopolmärkten – und hierzu zählt auch der Postsektor – eine besondere Bedeutung für die Ermöglichung und die Förderung von Wettbewerb zu (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2011 – Az. X ZB 4/10, juris Rn. 51). Das spezifische Marktumfeld im Postsektor hat in der Vergangenheit folgerichtig zu zahlreichen Entscheidungen zur Losaufteilung geführt, bei denen insbesondere die Frage der Gebietslosbildung diskutiert wurde (z.B. VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.06.2013 – 1 VK 12/13).
Dis Diskussion wird nun mit den technischen Neuerungen auf eine neue Ebene gehoben. Nachfolgend sollen daher sowohl die Nutzung von Lettershops, welche die ausgedruckten Briefsendungen an ein Zustellunternehmen übergeben, als auch die Bündelung der physischen und der elektronischen Zustellung im E-Post-System bewertet werden.
3. Bewertung der Bündelung von Druck und Zustellung
Zunächst soll der Blick auf die Bündelung der Druck- und der damit zusammenhängenden Dienstleistungen wie Konfektionierung, Adressierung und digitaler Freimachung auf der einen Seite und der physischen Zustellung der Sendungen auf der anderen Seite gerichtet werden. Bei diesen Leistungen handelt es sich vergaberechtlich jeweils um Fachlose. Denn es existieren jeweils eigene Märkte (vgl. BNetzA, Beschluss vom 14.12.2016 – Az. BK5-16/029, S. 8). Grundsätzlich hat also gemäß § 97 Abs. 4 GWB eine Losaufteilung stattzufinden, sofern nicht wirtschaftliche oder technische Gründe für eine Gesamtvergabe überwiegen. Für eine Bündelung könnte insbesondere angeführt werden, dass eine schnelle und schnittstellenfreie Abwicklung ermöglicht würde. Diese Argumentation verkennt aber die Marktsituation: Da sowieso einerseits Druckdienstleister und andererseits Briefdienstleister miteinander kooperieren müssen, um das Endprodukt – die Zustellung der gedruckten und bearbeiteten Sendungen – zu gewährleisten, sind die Vorteile einer Gesamtvergabe äußerst überschaubar. In einem jüngst von der Vergabekammer des Bundes (VK Bund, Beschluss vom 09.05.2017 – Az. VK 2-34/17) entschiedenen Fall betonte die Vergabekammer, dass dieses Vorgehen vor allem auch deshalb vergaberechtswidrig sei, weil der mit der Gesamtleistung (Druck- und Versand) beauftragte Druckdienstleister selbst nicht an das Vergaberecht gebunden ist. In der Folge drohe eine Umgehung des Vergaberechts.
Will ein öffentlicher Auftraggeber also Druck- und die damit zusammenhängenden Dienstleistungen wie Konfektionierung, Adressierung und digitale Freimachung auf der einen Seite auslagern und die Zustellung der Sendungen auf der anderen Seite beauftragen, so hat er hier zumindest zwei Fachlose zu bilden.
4. Bewertung der Bündelung der klassischen und elektronischen Zustellung im E-Post-System
Zu demselben Ergebnis kommt die Bewertung, wenn ein öffentlicher Auftraggeber beabsichtigt, die digitale Übermittlung an den Empfänger und die klassische Zustellung der ganz überwiegenden (mehr als 99 %), digital nicht übertragbaren Sendungen zusammen zu beauftragen. Hier setzt sich das Bieterfeld wie folgt zusammen: Während die klassische Zustellung der Postsendungen von mehreren Dienstleistern angeboten werden kann, ist nur einer dieser Dienstleister, die Deutsche Post AG, in der Lage, Sendungen rein elektronisch zu versenden.
Besonderes Gewicht für die bei Losbündelung gebotene Interessenabwägung kommt daher der Folgebetrachtung zu. Würde eine Paketvergabe erfolgen, so würde dies den Markt unangemessen verengen: Die Deutsche Post AG ist aktuell der einzige Postdienstleister, der eine elektronische Zustellung im Produktportfolio hat. Anders als bei klassischen E-Mail-Postfächern müssen sowohl der Versender als auch der Empfänger im E-Post-System der Deutschen Post AG angemeldet sein. Ein Versand außerhalb dieses Systems ist nicht möglich. Vergleichbare Angebote von Mitbewerbern werden in absehbarer Zeit nicht aufgebaut werden. Denn durch den Aufbau eines eigenen rein elektronischen Zustellsystems durch alternative Briefdienste ließe sich eine Zustellung an systemfremde Empfänger (z. B. an eine E-Post-Adresse) gerade nicht sicherstellen. Dies wäre vergleichbar einer Situation, in der Teilnehmer in verschiedenen Mobilfunknetzen keine netzwerkübergreifende Kommunikation wegen fehlender Zusammenschaltung durchführen könnten. Auch vor diesem Hintergrund ist die Akzeptanz in der Bevölkerung, für mehrere Postdienstleister jeweils ein elektronisches Postfach für den Empfang einzurichten, nicht gegeben. Eine Öffnung dieses Leistungsportfolios für Mitbewerber der Deutsche Post AG ließe sich nur dadurch erreichen, dass die Deutsche Post AG den Mitbewerbern Zugang zu ihrem E-Post-System einräumt, wozu Monopolisten oft schon kartellrechtlich verpflichtet sind (§ 19 Abs. 2 S. 4 GWB, Art. 102 AEUV), zudem sieht § 28 PostG Pflichten zum Angebot von Teilleistungen vor. Solange dies nicht erfolgt, wird die Nutzung der von der Deutsche Post AG angebotenen elektronischen Zustellung auch in Zukunft äußerst überschaubar bleiben. Darf ein öffentlicher Auftraggeber, der beispielsweise unter Umweltschutz- und Innovationsgesichtspunkten eine elektronische Zustellung seiner Sendungen nutzen will, gleichwohl die im E-Post-System gebündelten Zustellvarianten (klassische und elektronische) in einem Gesamtlos ausschreiben?
Diese Frage kann wie beschrieben nur dann bejaht werden, wenn für die Gesamtvergabe ein Rechtfertigungsgrund besteht. Die mit einer Paketvergabe untrennbar verknüpfte Marktverengung lässt sich nicht mehr mit dem sonst stets betonten Leistungsbestimmungsrecht rechtfertigen. Denn das Leistungsbestimmungsrecht wird besonders in den Fällen kritisch von der Rechtsprechung beäugt, in denen – wie hier – nur noch ein Anbieter zur Leistungserbringung in der Lage ist. Zwar kann das Leistungsbestimmungsrecht dazu führen, dass nur ein Unternehmen die abgefragten Leistungen erbringen kann. In derartigen Fällen ist sogar die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung zulässig (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 b VgV). Derartige Fälle sollen aber aufgrund des steten Wettbewerbsgedankens auf das erforderliche Minimum reduziert werden. Dies wird bereits in der europäischen Vergaberichtlinie, dort in Erwägungsgrund 50 zu Art. 32 der RL 2014/24/EU, ausdrücklich gefordert.
Begrenzt wird die Freiheit des Auftraggebers zur Definition seines Leistungsbedarfs daher durch die neue und häufig übersehene Vorschrift des § 14 Abs. 6 VgV: Eine Alleinstellung eines Unternehmens wird nur dann vergaberechtlich akzeptiert, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Auch die Rechtsprechung knüpft deshalb hohe Anforderungen hieran und verlangt, dass angesichts der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb derartige Einschränkungen nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen. Diese Hürde wird hier im Falle einer Paketvergabe gerissen. Denn die von § 14 Abs. 6 VgV geforderte Prüfung auf eine wettbewerbsfreundliche Alternative ist schnell gefunden: die Bildung von zwei Fachlosen.
Bei der Bildung von Fachlosen würde der Anteil der Sendungen elektronisch ausgesteuert, die über das E-Post-System der Deutsche Post AG unmittelbar an eine E-Post-Adresse zugestellt werden könnten (Anteil < 1 %). Das Los über die übrigen Sendungen (Anteil > 99 %) würde dann wie gewohnt in den Wettbewerb gestellt. Inwieweit sich die elektronische Aussteuerung angesichts der dafür anfallenden Grundkosten trotz der äußerst geringen Marktdurchdringung für den öffentlichen Auftraggeber wirtschaftlich lohnt, muss er im Vorfeld prüfen. Alternativ kann er auch auf diese Aufteilung verzichten und die Gesamtleistung wie bisher konventionell vergeben.
5. Fazit
Die neuen technischen Möglichkeiten auf dem Briefmarkt gehen für öffentliche Auftraggeber einher mit vergaberechtlichen Anforderungen. Im Vordergrund steht dabei das Gebot der Losvergabe. Danach sind getrennte Fachlose zu bilden für:
– den Druck der Postsendungen
– die klassische (physische) Zustellung dieser Sendung (auch im Rahmen von Hybridpost) und
– die elektronische Zustellung (z. B. an eine E-Post-Adresse) – sofern gewollt.
Durch diese Aufteilung in einzelne Fachlose wird gewährleistet, dass auch weiterhin Wettbewerb im Postsektor besteht. Für den Ausschreibenden birgt dies die Chance günstigere Preise erzielen und bessere Angebote erhalten zu können. Die Nutzung des E-Post-Systems führt nicht dazu, dass die Pflicht zur Ausschreibung der klassischen Briefbeförderung entfällt. Stattdessen ist diese Zustellform in einem separaten Fachlos auszuschreiben, falls ein öffentlicher Auftraggeber diese Zustellform angesichts der marginalen Abdeckung der Empfänger überhaupt ausdrücklich abfragen will.
Dr. Alexander Fandrey
Der Autor Dr. Alexander Fandrey ist Rechtsanwalt bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Düsseldorf. Er berät nahezu ausschließlich öffentliche Auftraggeber und Fördermittelempfänger in allen Fragen des Vergabe- und Zuwendungsrechts. Er ist Referent bei Seminaren, Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen sowie eines monatlichen Newsletters zum Landesvergaberecht NRW.
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