Das OLG Düsseldorf hat nun im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen der Vergabe einer Unterschwellenkonzession in einem obiter dictum die Ansicht geäußert, dass gewichtige Gründe dafür sprächen, auch im Unterschwellenbereich die Einhaltung einer Informations- und Wartepflicht durch den öffentlichen Auftraggeber zu verlangen. Diese Rechtsauffassung ist diskutabel.
Für die Vergabe von Konzessionen im Unterschwellenbereich sind die Verfahrensregeln der KonzVgV und des GWB nicht anwendbar. Somit gelten insbesondere nicht die in § 134 GWB geregelte Informations- und Wartepflicht und die Vertragsunwirksamkeit nach § 135 GWB. Für unterschwellige Konzessionen können aber bspw. bei einem grenzüberschreitenden Interesse Verfahrensanforderungen aus den Grundnormen des AEUV folgen, insbesondere des Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) sowie den sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz.
§ 134 BGB; §§ 935, 940 ZPO; Art. 3, 19 Abs. 4 GG
Streitgegenständlich war die von einer Stadt beabsichtigte Überlassung eines Grundstücks an einen gemeinnützigen Verein zum Ausbau und Unterhalt von Freizeitanlagen sowie deren kostenfreie Zurverfügungstellung für die Öffentlichkeit. Ein österreichischer Betreiber von Sport- und Freizeitanlagen war dagegen der Auffassung, dass die Stadt vor Abschluss eines solchen Überlassungsvertrages ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchführen müsse, an dem er sich beteiligen wolle. Er beschritt deshalb den ordentlichen Rechtsweg und beantragte den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung gegen die Stadt. Nach Zurückweisung des Antrages in erster Instanz schloss die Stadt mit dem Verein den Grundstücksüberlassungsvertrag. Der Verfügungskläger legte zeitgleich Berufung beim OLG Düsseldorf ein. Ohne Erfolg.
Der 27. Zivilsenat des OLG Düsseldorf, unter dem Vorsitz von Dicks, hielt den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits mangels hinreichender Glaubhaftmachung des Rechtsschutzinteresses für unzulässig. Aus diesem Grund haben die Düsseldorfer Richter nur nebenbei materielle Rechtsausführungen getroffen.
So meint das OLG Düsseldorf, dass die Überlassung des Grundstücks eine Dienstleistungskonzession darstelle, weil sich die Stadt dadurch Dienstleistungen in Form von Freizeitmöglichkeiten für ihre Bürger und Besucher beschafft. Der Betreiber trage wegen der Verwaltung und Instandhaltung der Anlagen auch in erheblichem Umfang das Betriebsrisiko. Unterhalb der EU-Schwellenwerte und selbst bei einem fehlenden grenzüberschreitenden Interesse an der Dienstleistungskonzession verlange der grundgesetzliche Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren.
Bei Verstößen hiergegen steht dem Rechtsschutzsuchenden daher der Zivilrechtsweg offen, um im Wege einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO ein Zuschlagsverbot erwirken zu können. Ist hingegen der Zuschlag bereits erteilt, kann Primärrechtsschutz nicht mehr erreicht werden, es sei denn, der geschlossene Vertrag ist unwirksam oder nichtig. Eine Vertragsnichtigkeit infolge von vermeintlichen Verstößen gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV (beihilferechtliches Durchführungsverbot) oder § 138 BGB (kollusives Zusammenwirken) hielten die Düsseldorfer Richter hier nicht für gegeben.
Vielmehr könne nach Auffassung des 27. Zivilsenats eine Vertragsnichtigkeit aber daraus folgen, dass die Stadt den österreichischen Freizeitanlagenbetreiber weder über den beabsichtigten Vertragsabschluss mit dem Verein informiert, noch im Anschluss daran eine angemessene Wartefrist eingehalten hat. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf besteht ein ungeschriebenes Gesetz, dass ein unter Verstoß gegen die Informations- und Wartepflicht geschlossener Vertrag gemäß § 134 BGB nichtig sei. Dies folge aus der europäischen und deutschen Rechtsprechung.
So würden die gemeinsamen Verfassungen der Unionsstaaten und die Konvention zum Schutz der Menschenrechte sowie die Grundfreiheiten einen effektiven und vollständigen Schutz gegen eine Willkür des öffentlichen Auftraggebers fordern. Hierzu zähle auch, dass zwischen der Unterrichtung abgelehnter Bieter und der Vertragsunterzeichnung eine angemessene Frist liegt, innerhalb der für den Bieter ein vorläufiger Schutz gewährt werden kann, wenn er für die volle Wirksamkeit der Entscheidung in der Sache erforderlich ist, so die Düsseldorfer Richter unter Hinweis auf den EuG (Urt. v. 20.09.2011 – T-461/08 Evropaïki Dynamiki / EIB).
Schließlich stritten auch die Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 04.11.2010 2 C 16/09) bei Beamten- und Richterbeförderungen sowie des OVG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 30.11.2010 OVG 1 S.107.10) zur Vergabe von Wochenmarktveranstaltungen für eine vorherige Informations- und Wartepflicht.
Das obiter dictum des OLG Düsseldorf dürfte auf Unternehmensseite auf Zustimmung, bei der öffentlichen Hand hingegen auf Ablehnung treffen. Die oberlandesgerichtliche Ansicht wird jedenfalls die Diskussion um die konkreten Verfahrensanforderungen bei der Vergabe unterschwelliger Konzessionen neu beleben.
Der EuGH fordert in seiner Teleaustria-Entscheidung (Urt. v. 07.12.2000 C-324/98) bei Konzessionsvergaben (von grenzüberschreitenden Interesse) eine Nachprüfungsmöglichkeit, ob das Verfahren unparteiisch durchgeführt wurde. Zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes müssen daher zumindest die Entscheidungen mit ungünstigen Folgen für konzessionsinteressierte Unternehmen auf etwaige Verletzungen der aus dem europäischen Primärrecht abgeleiteten Grundanforderungen nachgeprüft werden können (EU-Kommission, ABlEU v. 01.08.2006, C 179/7). Deshalb sind die Gründe für die Nichtberücksichtigung von Konzessionsbietern in der Entscheidung selbst oder auf Antrag nach der Mitteilung der Entscheidung darzulegen (EuGH, Urt. v. 15.10.1987 – C-222/86 Heylens). Die vom OLG Düsseldorf in Bezug genommene Entscheidung des EuG (Urt. v. 20.09.2011 – T-461/08 Evropaïki Dynamiki / EIB) ändert daran nichts, weil diese das vergaberechtliche Sonderregime einer Beschaffung der Europäischen Investitionsbank betraf – zumal eines (oberschwelligen) Auftrages – und daher nicht für (unterschwellige) Konzessionen verallgemeinerungsfähig sein dürfte. Für das Urteil des BVerwG (Urt. v. 04.11.2010 2 C 16/09) gilt ähnliches, weil die grundgesetzlich gesicherte Beamtenernennung nach Art. 33 Abs. 2 GG anderes regelt als eine Konzession.
Eine vor der Konzessionsvergabe erteilte Information an die nicht berücksichtigten Bieter mit anschließender Wartefrist ist aber nicht zwingend. Denn für die nicht berücksichtigten Bieter besteht auch nach der Konzessionsvergabe eine gerichtliche Nachprüfungsmöglichkeit im Wege des Sekundärrechtsschutzes. Die insbesondere unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG vertretene Gegenmeinung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2010 – OVG 1 S 107.10) überdehnt insoweit die europäische Rechtsprechung. Denn der EuGH fordert zwar einen effektiven, aber auch einen zum mitgliedstaatlichen Recht äquivalenten Rechtsschutz (EuGH, Urt. v. 22.01.2015 C-463/13 Stanley International Betting und Stanleybet Malta). In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist der deutsche Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, eine auch tatsächlich verwirklichbare Möglichkeit eines primären Rechtsschutzes bei unterschwelligen Konzessionsvergaben zu schaffen (BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006 – 1 BvR 1160/03). Vor allem muss er auch keine Verpflichtung des Konzessionsgebers zu einer rechtzeitigen Information der nicht berücksichtigten Bieter regeln, wie sie z.B. in den §§ 154 Nr. 4, 134 GWB für oberschwellige Konzessionsvergaben vorgesehen ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint zudem die Annahme einer Vertragsnichtigkeit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein ungeschriebenes Gesetz zweifelhaft. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein Gewohnheitsrecht, das den Abschluss eines unterschwelligen Konzessionsvertrages ohne Vorabinformation und Wartefrist unmissverständlich verwirft, nicht offensichtlich ist. Ebenso sind auch die Grundrechtsartikel grundsätzlich nicht als Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB zu werten.
Konzessionsgeber, die der Rechtssicherheit ihrer Entscheidungen einen hohen Stellenwert beimessen, sollten – bis zu einer gefestigten Rechtsprechung – vor dem Abschluss unterschwelliger Konzessionsverträge die nicht berücksichtigten Bieter aus Gründen der Vorsicht vorab informieren und eine angemessene Wartefrist (z.B. zehn Tage bei elektronischer Vorabinformation) einplanen. Andernfalls besteht nach der Rechtsmeinung des OLG Düsseldorf das Risiko, einen nichtigen bzw. unwirksamen Konzessionsvertrag abzuschließen.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht Holger Schröder verantwortet als Partner bei Rödl & Partner in Nürnberg den Bereich der vergaberechtlichen Beratung. Er betreut seit vielen Jahren zahlreiche Verfahren öffentlicher Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber zur Beschaffung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen von der Bekanntmachung bis zur Zuschlagserteilung. Er ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen und und referiert regelmäßig zu vergaberechtlichen Themen. Herr Schröder ist Lehrbeauftragter für Vergaberecht an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und ständiges Mitglied im gemeinsamen Prüfungsausschuss "Fachanwalt für Vergaberecht" der Rechtsanwaltskammern Nürnberg und Bamberg.
Grundstücksangelegenheiten sind nach 107 (1) 2. GWB nicht vergaberelevant?