Die Möglichkeiten, welche innovative Vergabeverfahren der öffentlichen Beschaffung bieten, standen im Mittelpunkt des diesjährigen „Tages der öffentlichen Auftraggeber“ am 07. Februar in Berlin. Die jährlich vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) ausgerichtete Veranstaltung für Fach- und Führungskräfte aus dem Bereich Public Procurement hatte diesmal das Thema: „Leistung und Service bestimmen den Preis – Beschaffung komplexer Lösungen mit innovativen Ansätzen und Instrumenten“. So war u.a. die Frage, welche innovativen Lösungen sich in der Praxis bereits bewährt haben und wie diese wirksam eingesetzt werden können, Gegenstand einer Expertendiskussion. Außerdem erhielten die Teilnehmer Informationen zur Innovationspartnerschaft als Vergabeinstrument und innovativen Vertragsmodellen in der öffentlichen Beschaffung.
In der Podiumsdiskussion zum Thema „Womit sollte der öffentliche Einkauf zukünftig rechnen?“ wurde zudem deutlich, dass bei der innovativen Beschaffung das Leistungsergebnis (Outcome) wichtig ist. Beim Weg zur Zielerreichung sollte der Auftraggeber dem Lieferanten mehr Freiraum für eine flexiblere Gestaltung lassen. Denn Innovationen entstehen erst durch Entwicklung und nicht durch strikte Vorgaben bei der Auftragsbeschreibung.
Erfahrungen mit dem Vergabeinstrument „Innovationspartnerschaft“ präsentierte Esther van Engelshoven, Vergabestelle Land Schleswig-Holstein. Die Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH nutzt die Innovationspartnerschaft bei einem Projekt zur Beschaffung von Zügen mit innovativem Antrieb. Laut Engelshoven erfordert diese Methode zwar zunächst einen höheren Aufwand als ein klassisches Vergabeverfahren. Dieser sei jedoch vor allem bei Projekten gerechtfertigt, bei denen der Bedarf nicht durch eine bereits auf dem Markt befindliche Lösung befriedigt werden kann.
Prof. Dr. Michael Eßig, Professur für Materialwirtschaft und Distribution, Universität der Bundeswehr München, stellte das Performance Based Contracting (PBC) vor. Ein Vorteil von PBC besteht laut Eßig darin, dass im Rahmen eines anreizbasierten Vertrages Lieferanten und Dienstleister ein hohes Interesse daran haben, eine hervorragende Qualität zu liefern. Eßig appellierte an die öffentlichen Auftraggeber, ein Angebot nicht nur auf Basis des Preises zu bewerten, sondern auf die Wirtschaftlichkeit zu achten. Denn die Berücksichtigung von sozialen Kriterien und eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote führen zu umwelt- und sozialverträglicheren Lösungen.
Sieger im Wettbewerb „Innovation schafft Vorsprung“ für öffentliche Auftraggeber waren die Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Verliehen wurde der Award auf dem „Tag der öffentlichen Auftraggeber“ vom Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Uwe Beckmeyer, und Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des BME. Mit dem Preis werden beispielhafte Leistungen öffentlicher Auftraggeber bei der Beschaffung von Innovationen und der Gestaltung innovativer Beschaffungsprozesse ausgezeichnet. Der vom BME initiierte Preis steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi).
Dr. Silvius Grobosch: „Innovationen zu realisieren, stellt zunächst eine Herausforderung dar, ist auf lange Sicht aber eine große Chance und ein wesentlicher Beitrag zur Modernisierung der Verwaltung. Die ausgezeichneten Konzepte zeigen innovative Beschaffung auf hohem Niveau. Da beide Konzepte von derselben Institution umgesetzt wurden hat sich die Jury dazu entschieden, in diesem Jahr den Award nicht streng getrennt nach Kategorien zu vergeben, sondern die Institution auszuzeichnen, die innovative Beschaffung insgesamt in mehreren Bereichen komplett umgesetzt hat.“
Die Berliner Stadtreinigung (BSR) ist als kommunales Entsorgungsunternehmen für die Aufgaben der Abfallwirtschaft in Berlin zuständig. Im Berliner Stadtgebiet kommen fahrbare Abfall- und Wertstoffbehälter vor allem für den Rest- und Bioabfall aus thermoplastischem Kunststoff zum Einsatz (aktuell ca. eine halbe Million Behälter). Um die Leistungserbringung zu garantieren, ist die dauerhafte, sichere Verfügbarkeit der Behälter entscheidend.
Ziel der BSR war es, gemeinsam mit potenziellen Auftragnehmern im wettbewerblichen Dialog Lösungen zu erarbeiten und bei gleichzeitiger Qualitäts- und Prozessoptimierung die Kosten deutlich zu senken. Für die konkrete Umsetzung wurde ein Zehn-Schritte-Plan im Projekt-Team entwickelt.
Die Ausschreibung wurde erfolgreich beendet. Zwei Bieter erhielten eine Rahmenvereinbarung. Durch technische Modifikationen der Behälter, die spezielle Ausschreibungsmethode und angepasste Vertragsbedingungen konnten im Vergleich zu den Altverträgen Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich erzielt werden. Außerdem wurden Prozessverbesserungen und -einsparungen durch optimierte Bestellabläufe und optimierte Logistik realisiert.
Die BSR hat 2017 ein Beschaffungsvolumen von knapp 173 Millionen Euro (netto) verwaltet. Pro Jahr werden zirka 46.000 Bestellungen abgewickelt, davon entfallen ungefähr 30.000 dezentral auf Rahmenverträge. Als Entscheidungsgrundlage für den strategischen Einkauf werden passende und aussagekräftige Kennzahlen benötigt. Zur Optimierung der Verfügbarkeit, Darstellung und Handhabbarkeit der Kennzahlen hat die BSR erfolgreich ein Einkaufs-Dashboard eingeführt, das sich als zentrales Instrument sowohl für den operativen als auch den strategischen Einkauf entwickelt und alte zeitintensive Prozesse abgelöst hat.
Das Dashboard ist mit seinen unterschiedlichen aktiven Sichten ein zentrales übersichtliches Instrument zum Aufzeigen von Handlungsbedarf im operativen und strategischen Bereich des Einkaufs geworden. Zudem bietet es unterstützende Informationen für die anfordernden Fachbereiche. Es ist ein optimales Hilfsmittel zur Vorbereitung neuer Ausschreibungen oder zur Vorbereitung von Lieferantengesprächen.
Weitere Infos zu den Gewinnerkonzepten finden Sie hier. Infos zur Ausschreibung „Innovation schafft Vorsprung 2019“ hier.
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