Personen, die mit dem öffentlichen Vergaberecht in Kontakt kommen, interessieren im Hinblick auf Vergabeverstöße und ihre Folgen in der Regel Themen wie die Prüfung des Rechnungsprüfungsamts bzw. Rechnungshofs, das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer oder das Rückforderungsverfahren des Zuwendungsgebers. Betroffen ist an dieser Stelle in erster Linie das Unternehmen oder die Einrichtung, die den öffentlichen Auftrag zu vergeben beabsichtigte.
Selten bis gar nicht befassen sich diese Personen mit den Konsequenzen der Vergabeverstöße für sie selbst als Beschäftigte. Übersehen wird an diesem Punkt jedoch, dass die nicht unwesentlichen Folgen für die öffentlichen Auftraggeber gleichzeitig verheerende Konsequenzen für den mit den öffentlichen Vergabeverfahren beschäftigten Mitarbeiter bedeuten können. Das kann deshalb der Fall sein, weil öffentliche Auftraggeber nur durch die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter handlungsfähig sind und am Markt agieren können. Das Verhalten der Mitarbeiter wird grundsätzlich den öffentlichen Auftraggebern zugerechnet, jedoch kann der Auftraggeber im Innenverhältnis zum Beschäftigten unter Umständen Regress nehmen.
Umso wichtiger ist es, sich zu vergegenwärtigen und bewusst zu machen, was Vergabeverstöße für den einzelnen Beschäftigten bedeuten und welche Folgen sie nach sich ziehen können. Das ist ein anderer Blickwinkel als derjenige aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers.
I. Begriff des Beschäftigungsverhältnisses
Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses bezeichnet allgemein eine berufliche Tätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dies kann ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis als z.B. Beamter, Soldat oder Richter oder ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis sein. Darunter sind grundsätzlich versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gemeint. Der Begriff entstammt im engeren Sinne dem § 7 SGB IV, wobei das Beschäftigungsverhältnis in der Regel bei Personen vorliegt, die gegen Arbeitsentgelt oder zur beruflichen Ausbildung beschäftigt sind, wobei lediglich die nichtselbständige Arbeit darunterfällt. Erforderlich ist, dass die Arbeit in persönlicher Abhängigkeit von einem Arbeitgeber verrichtet wird.
Am Begriff des Beschäftigungsverhältnisses und den davon umfassten Personengruppen wird bereits deutlich, dass Vergabefehler nicht nur erhebliche Folgen für Beamte und öffentlich Beschäftigte haben können, weil diese grundsätzlich für einen öffentlichen Auftraggeber in der Durchführung der Vergabeverfahren arbeiten, sondern im Rahmen von Beschäftigungen in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, die bspw. zwischen Beschäftigten und Anstalten des öffentlichen Rechts geschlossen werden können, die in der Regel ebenfalls dem öffentlichen Vergaberecht unterworfen sind.
II. Durch Beschäftigte begangene Vergabefehler
Die Gefahr von Vergabefehlern besteht bei denjenigen Beschäftigten, die mit der Durchführung von öffentlichen Vergabeverfahren bei den öffentlichen Auftraggebern betraut sind, die insbesondere für die vergabekonforme Durchführung verantwortlich sind. Das sind in der Praxis üblicherweise Beschäftigte der Vergabestelle, des Beschaffungsamts, des Einkaufs und ähnliche Personengruppen.
Vergabefehler können zunächst auf alle erdenklichen Arten durch die Nichteinhaltung der Vergabebestimmungen des europäischen sowie des nationalen Vergaberechts durch die Beschäftigten begangen werden. Vergabefehler können durch unzulässige Direktvergabe, die Wahl der falschen Vergabeart, die Nichtbeachtung der Fristen, vergabewidrige Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, fehlerhafte Wertung und Missachtung der Stillhalte- und Wartefristen passieren.
Um nachzuvollziehen, warum Vergabeverstöße auch den einzelnen Beschäftigten betreffen, sind die Grundlagen der Haftung von Beschäftigten von Bedeutung.
III. Haftung für Vergabefehler in Beschäftigungsverhältnissen
Es gibt also die ganze Bandbreite an Vergabefehlern, die jeder im Bereich des öffentlichen Vergaberechts kennt, die durch Beschäftigte begangen werden können. In den Folgen muss jedoch zum einen nach den unterschiedlichen Arten von Beschäftigungsverhältnissen und zum anderen nach dem Grad des Verschuldens bezüglich des Vergabefehlers differenziert werden. Für Richter und Soldaten wird die genannte Konstellation weniger relevant, für Beamte, im öffentlichen Dienst und im Arbeitsverhältnis stehende Beschäftigte jedoch umso mehr.
1. Privatrechtliches Arbeitsverhältnis
Verletzt der Schuldner nach § 280 Abs. 1 BGB eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.
Grundsätzlich ist jeder für sein eigenes Handeln verantwortlich. § 276 Abs. 1 S. 1, 2 BGB regelt, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist.
§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB enthält allgemein für Schuldverhältnisse zudem eine gesetzliche Vermutung, dass ein Schadenersatz nicht in Betracht kommt, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Das heißt, es wird zunächst vermutet, sodass er sich entlasten muss. Abweichend davon regelt § 619a BGB für Arbeitsverhältnisse, dass das Vertretenmüssen nicht vermutet wird, sondern es positiv nachzuweisen ist.
Im Rahmen der Haftung von Schäden, die in Ausführung betrieblicher Verrichtungen dem Arbeitgeber vom Beschäftigten zugefügt hat, besteht im Rahmen des Vertretenmüssens das Rechtsinstitut des innerbetrieblichen Schadensausgleichs.
Früher hat die Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass eine Beschränkung der Haftung eines Arbeitnehmers nur bei gefahrgeneigter Arbeit besteht. Heutzutage ist es ständige Rechtsprechung, dass die Haftungsbeschränkung alle Arbeiten umfasst, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden (BAG GS 1/89 vom 27. September 1994; BAGE 70, 337 -AP Nr. 101 zu § 611 BGB-Haftung des Arbeitnehmers; BAG 8 AZR 159/03 vom 22. April 2004; Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 1994, Aktenzeichen: GS 1/89). Dies sind solche Tätigkeiten, die dem Mitarbeiter arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt.
Menschen passieren nun einmal Fehler, also auch Pflichtverletzungen in Form von Vergabefehlern, so sorgfältig sie auch versuchen zu arbeiten. Der innerbetriebliche Schadensausgleich bestimmt daher den Umfang der Haftung des Arbeitnehmers. Die Haftung des Arbeitnehmers wird nach dem Grad seines Verschuldens beurteilt. Wäre das nicht der Fall, würde der Arbeitnehmer stets unter dem Risiko arbeiten, bei jeder leichten Unachtsamkeit sich und seine Familie finanziell zu ruinieren. Das Schadensrisiko ist jedoch ein Teil des Betriebsrisikos des Arbeitgebers. Dieser muss sich dieses im Rahmen seiner Verantwortung für die Organisation des Betriebs und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zurechnen lassen (Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 1994, Aktenzeichen: GS 1/89.).
Der konkrete Umfang der Haftungsbeschränkung beurteilt sich nach dem Grad des Verschuldens, der sich aus einer Abwägung der Gesamtumstände im Einzelfall ergibt.
Hierzu sind Fallgruppen aufgestellt worden:
Für vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis besteht keine Haftungsbeschränkung, hier haftet der Arbeitnehmer vollumfänglich. Dabei bedeutet Vorsatz im konkreten Fall grundsätzlich das Wissen und Wollen des Verletzungserfolgs. Beim Vorsatz wird in unterschiedliche Grade differenziert.
Unter dem „dolus directus 1. Grades“ wird die Absicht, also das zielgerichtete Wollen des Verletzungserfolgs verstanden.
Beim „dolus directus 2. Grades“ hat der Betroffene das Wissen, dass seine Handlungen zur Herbeiführung des Verletzungserfolgs führen wird. Er sieht ihn als sicher voraus.
Die dritte Form des Vorsatzes ist der „Eventualvorsatz“. In diesem Fall hält der Betroffene die Herbeiführung des Verletzungserfolgs ernsthaft für möglich und nimmt sie billigend in Kauf bzw. findet sich mit ihr ab.
Im Rahmen der fahrlässig begangenen Pflichtverletzung wird unterschieden in grobe, mittlere und leichteste Fahrlässigkeit. Bei Vorliegen von grober sowie mittlerer Fahrlässigkeit hat das Bundesarbeitsgericht eine Quotelung der entstandenen Schäden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingeführt.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dem das nicht einleuchtet, was jedem besonnen handelnden Menschen ersichtlich sein müsste. Hierbei wird beurteilt, was der Beschäftigte nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen erkennen und erbringen konnte (BAG, Urteil vom 12. November 1998, Az.: 8 AZR 221/97, AP Nr. 117.). Bei diesem Grad des Verschuldens haftet der Beschäftigte grundsätzlich für den gesamten entstandenen Schaden, der dem Arbeitgeber verursacht worden ist. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine Haftungsbeschränkung jedoch dann verhältnismäßig sein kann, wenn zwischen der Vergütung des Beschäftigten und dem Schaden ein deutliches Missverhältnis besteht. Ein solches Missverhältnis besteht aber dann nicht, wenn der zu ersetzende Schaden unterhalb der Haftungsobergrenze von drei Bruttoeinkommen liegt (BAG, Urteil vom 15. November 2001, Az.: 8 AZR 95/01.).
Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt es ebenfalls nicht zu einer Freistellung von der Haftung bei einem Schaden. Die Quotelung orientiert sich nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsaspekten. Kriterien sind die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes und durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Höhe seines Arbeitsentgelts und unter Umständen auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers wie Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienverhältnisse und bisheriges Verhalten.
Bei leichtester Fahrlässigkeit liegt nur die mildeste Stufe für ein unerhebliches und zu vernachlässigendes Verschulden vor. Bei derartigen, teilweise geringfügigen Pflichtverletzungen, die jedem Beschäftigten im Laufe seiner beruflichen Karriere passieren, entfällt grundsätzlich die Haftung gegenüber dem Arbeitgeber vollständig.
2. Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Nach einigem Hin-und-Her in der Vergangenheit bestehen für den öffentlichen Dienst die Regelungen des § 3 Abs. 6, 7 TVöD, die im Bereich der Bundesverwaltung auf die beamtenrechtlichen Regelungen des Bundes verweisen und für den Bereich der Landesverwaltung § 3 Abs. 7 TV-L.
In § 3 Abs. 6, 7 TVöD heißt es:
„Die Schadenshaftung der Beschäftigten, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied eines Mitgliedverbandes der VKA ist, ist bei dienstlich oder betrieblich veranlassten Tätigkeiten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Für die Schadenshaftung der Beschäftigten des Bundes finden die Bestimmungen, die für die Beamtinnen und Beamten des Bundes gelten, entsprechende Anwendung“.
§ 3 Abs. 7 TV-L verweist auf Länderebene ebenfalls auf die beamtenrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Schadenshaftung.
Diese beamtenrechtlichen Bestimmungen sind in § 75 BBG sowie § 48 BeamtStG geregelt. Die Haftung des Beschäftigten ist hier auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
Das heißt im Ergebnis, der innerbetriebliche Schadensausgleich beinhaltet im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen der Beamten und im öffentlichen Dienst Stehenden keine Haftung für mittlere und einfache Fahrlässigkeit, wie es im privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses der Fall ist, sondern nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.
3. Mögliche Folgen von Pflichtverletzungen für den Beschäftigten
Der innerbetriebliche Schadenausgleich in Beschäftigungsverhältnisses betrifft eine Haftungsbegrenzung verbunden mit einer Quotelung der Haftung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem bei Pflichtverletzungen. Diese findet im Rahmen der oben genannten Konstellationen insbesondere bei Regressansprüchen in Form von Schadenersatzansprüchen des Arbeitgebers gegenüber dem Beschäftigten Anwendung.
Daneben steht parallel die mögliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen Pflichtverletzung in Form des Vergabefehlers im Raum. Es ist zwar insbesondere vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vom konkreten Einzelfall abhängig, jedoch wird der Arbeitgeber bei erheblichen Pflichtverletzungen mit nicht unwesentlichen Vermögenseinbußen regelmäßig zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses berechtigt sein.
IV. Praktische Relevanz bei Vergabefehlern
1. Vorsätzliche Vergabefehler
Wie oben ausgeführt besteht weder in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen noch in Beamtenverhältnissen oder in öffentlichen Dienstverhältnissen eine Haftungsbeschränkung für vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen.
Vorsatz erfordert zumindest teilweise kriminelle Energie des jeweiligen Beschäftigten und äußert sich in Beschäftigungsverhältnissen in der Regel in Form von Straftaten. Diese werden selbstverständlich nicht von Haftungsbeschränkungen umfasst.
Für vorsätzlich begangene Vergabefehler bei einem öffentlichen Vergabeverfahren haftet der Beschäftigte unbeschränkt mit allen Konsequenzen.
Er setzt sich zunächst einem Strafverfahren aus. Im Rahmen der Verwendung öffentlicher Mittel und damit im Zusammenhang mit öffentlichen Vergabeverfahren kann aber durchaus auch das Strafbarkeitsrisiko der Haushaltsuntreue bestehen. In der strafrechtlichen Literatur und Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass die Auftragsvergabe als spezieller Fall der Verwendung öffentlicher Mittel die Wahrnehmung vermögensrechtlicher Aufgaben beinhaltet, bei der sowohl Missbrauchs- als auch Treuebruchshandlungen begangen und als sog. Haushaltsuntreue i.S.v. § 266 StGB gewertet werden können (Fischer, StGB Komm., 55. Aufl. 2008, Rdnr. 47 zu § 266, m.w.N.). Auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs nach § 263 StGB kommt in Betracht, wenn Bereicherungsabsichten im Spiel sind. Aus Angst, Vergabefehler begangen zu haben und sie sodann vertuschen zu wollen, können Beschäftigte sich auch an den Vergabedokumentationen zu schaffen machen und eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB begehen.
Darüber hinaus wird dem Beschäftigten seitens des Arbeitgebers die Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses sogar in Form einer außerordentlichen Kündigung drohen, die bei vorsätzlicher Pflichtverletzung insbesondere aufgrund des Vertrauensbruchs kaum zu vermeiden sein wird.
Zudem macht er sich vollumfänglich schadenersatzpflichtig, weil die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs nicht greifen.
Zu beachten ist entsprechend den obigen Ausführungen, dass eine vorsätzliche Pflichtverletzung eben nicht nur bei Absicht des Beschäftigten vorliegt, vielmehr genügt darüber hinaus das sichere Wissen um den Vergabefehler sowie seine billigende Inkaufnahme. Das ist bereits dann der Fall, wenn der mit durch Durchführung eines Vergabeverfahrens betraute Beschäftigte einen Vergabefehler aufgrund seines Handelns ernstlich für möglich hält und diesen billigend in Kauf bzw. sich damit abfindet, weil ihm beispielsweise eine weitere Recherche zu dem vergaberechtlichen Problem neben den vielen anderen zu erledigenden Arbeiten zu viel Mühe bereitet und er das Vergabefahren einfach nur „hinter sich haben möchte“.
2. Grob fahrlässige Vergabefehler
Noch viel eher kann ein Beschäftigter bei der Durchführung eines öffentlichen Vergabeverfahrens in die grobe Fahrlässigkeit rutschen, bei der grundsätzlich erst einmal auch keine Haftungsbeschränkung gegenüber dem Arbeitgeber in Betracht kommt. Lediglich in Einzelfällen kann eine Beschränkung der Haftung verhältnismäßig sein, wenn die konkreten Umstände ein Missverhältnis zwischen Vergütung und Schaden aufzeigen.
Geht es im Einzelfall um die Einhaltung und praktische Umsetzung wesentlicher vergaberechtlicher Vorschriften, deren Einhaltung auch unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des betreffenden Mitarbeiters jedem besonnen handelnden Beschäftigten einleuchten muss, dann verletzt er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße, wenn er an dieser Stelle einen Vergabefehler begeht. Ist ein Beschäftigter bspw. mit einem Vergabeverfahren für Beschaffungen betraut, die öffentlich gefördert werden, und führt keine Vergabedokumentation bzw. einen Vergabevermerk, darf der Zuwendungsgeber aufgrund der nicht nachvollziehbaren Dokumentation die Fördermittel zurückfordern. Zumindest einem langjährigen Beschäftigten, der wiederkehrend mit Abrechnungen von Förderprojekten und Durchführung von Vergabeverfahren zu tun hat, muss einleuchten, dass eine fehlende Vergabedokumentation aus Nachlässigkeit, die jeder besonnen handelnde Mensch erstellt hätte, dazu führt, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in so ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt, dass es wahrscheinlich zu einer Rückforderung und zum Verlust der Fördermittel kommt. In diesem Fall handelt der Beschäftigte grob fahrlässig und die Haftung wird zunächst grundsätzlich nicht beschränkt.
In diesen Fällen wird der Beschäftigte in Regress genommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls über eine Kündigung nachgedacht werden können.
3. Mittlere fahrlässige Vergabefehler
Wie ausgeführt richtet sich die Quotelung bei der mittleren Fahrlässigkeit nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsaspekten. Kriterien sind die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes und durch Versicherung deckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die Höhe seines Arbeitsentgelts und unter Umständen auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers wie Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienverhältnisse und bisheriges Verhalten.
Denkbar ist hier beispielsweise die Durchführung eines Vergabeverfahrens, bei dem sich der Beschäftigte im Hinblick auf die Vergabekonformität auf vertretene Mindermeinungen stützt, denen ein Gericht oder eine Nachprüfungsinstanz im Ergebnis aber nicht folgt, sodass es zur Schadenersatzpflicht oder zur Aufhebung eines Vergabeverfahrens und somit zum Stillstand der Beschaffung für den öffentlichen Auftraggeber kommt.
In der Regel wird hier im schlimmsten Fall zwar eine Quotelung der Haftung, jedoch abhängig von den Umständen des konkreten Einzelfalls keine Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses drohen.
4. Leicht fahrlässige Vergabefehler
Bei derartigen unerheblichen und zu vernachlässigenden Vergabefehlern ist die Haftung in der Regel ausgeschlossen. Als Beispiele von derartigen Pflichtverletzungen werden gerne die Kaffeetasse oder Produktionserzeugnisse, die dem Beschäftigten aus der Hand fallen, oder die kleinen Unachtsamkeiten im Straßenverkehr während der Dienstfahrt genannt. In Bezug auf Vergabefehler denkbar ist hier beispielsweise der Tipp- oder Klickfehler bei der Eingabe der Ausschreibung im EU-Amtsblatt, der bei der Vielzahl der durchzuführenden Vergabeverfahren nun einmal jedem unterlaufen kann.
Konsequenzen für den Beschäftigten werden hier grundsätzlich ausgeschlossen sein.
V. Praxistipp und Fazit
Selbstverständlich, aber doch immer wieder erforderlich anzumerken ist, dass in erster Linie natürlich Vergabefehler durch Beschäftigte gänzlich zu vermeiden sind, um nicht in die Nähe der Haftung und der übrigen Konsequenzen zu gelangen.
Selbst wenn ein Vergabefehler, was sich bei der täglichen vielen Arbeit nie vollständig verhindern lässt, begangen wird, dann ist in zweiter Linie darauf zu achten, dass eine ausführliche und ordnungsgemäße Vergabedokumentation vorgehalten wird. Selbst wenn Dokumentationen Vergabefehler nicht ausräumen, so bewahrheitet sich für den Beschäftigten bei ausführlicher Dokumentation doch regelmäßig das Motto „wer schreibt, der bleibt“.
Zuletzt kann nur der Mitteilung der EU-Kommission vom 03.10.2017 zur „funktionierenden öffentlichen Auftragsvergabe in und für Europa“ Nachdruck verliehen und darauf hingewiesen werden, dass eine Professionalisierung öffentlicher Käufer stattfinden bzw. fortgesetzt werden muss, um oben dargestellte Konstellationen rund um Vergabefehler in Beschäftigungsverhältnissen zu vermeiden. Es ist nicht tragbar, dass nach einer Studie (Bandiera, Prat, Valletti, 2008) fehlende professionelle Kompetenzen in der öffentlichen Auftragsvergabe ein noch größeres Problem als die Korruption darstellen:
83 % der in der öffentlichen Auftragsvergabe verschwendeten Ressourcen gehen danach auf mangelnde Professionalisierung und fehlende Anreize zurück und nur 17 % auf Korruption.
In diesem Sinne wird abschließend auf die im Rahmen des 6. Deutschen Vergabetages zur Abstimmung aufgeworfene Frage und die entsprechende Antwort verwiesen, ob ein Ausbildungsweg „öffentlicher Beschaffer“ in Deutschland benötigt wird, die zu 71 % mit „Ja“ beantwortet wurde: .
Der Autor Michael Pilarski ist als Volljurist bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – NBank – in Hannover tätig. Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs- und Vergaberecht. Er hat die Einhaltung des Zuwendungs- und Vergaberechts durch private und öffentliche Auftraggeber, die Förderungen aus öffentlichen Mitteln erhalten, geprüft und Zuwendungsempfänger bei zuwendungs- und vergaberechtlichen Fragestellungen begleitet. Nunmehr ist er in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement beschäftigt. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Lüneburg bei, ist zugelassener Rechtsanwalt und übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht.
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