Mit Inkrafttreten des Handelsabkommens zwischen der EU und Vietnam sind ab dem 1. August Exporte aus der EU nach Vietnam erleichtert. Zölle auf 99 Prozent aller zwischen beiden Seiten gehandelten Waren werden mit der Zeit abgeschafft. Geschäfte in Vietnam werden für europäische Unternehmen einfacher, da sie zu gleichen Bedingungen wie die lokale Konkurrenz investieren und sich um öffentliche Aufträge bemühen können. „Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Abkommen auch für die Bevölkerung Vietnams die Chance bietet, von einer florierenden Wirtschaft zu profitieren und einen Wandel und eine Stärkung ihrer Rechte als Arbeitnehmer und Bürger zu erleben“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
„Die europäische Wirtschaft muss jetzt jede Gelegenheit nutzen, um nach der Corona-Krise wieder zu alter Stärke zu gelangen. Handelsabkommen ermöglichen es unseren Unternehmen, neue aufstrebende Märkte zu erschließen und Arbeitsplätze für die Menschen in Europa zu schaffen“, so von der Leyen weiter.
EU-Handelskommissar Phil Hogan ergänzte „Vietnam ist nun eines von 77 Ländern, die zu bilateral vereinbarten Präferenzbedingungen Handel mit der EU betreiben. Das Abkommen stärkt die Wirtschaftsbeziehungen der EU zu der dynamischen Region Südostasien und birgt ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial, das zum Aufbau nach der Corona-Krise beitragen wird. Es zeigt aber auch, was Handelspolitik bewirken kann. Vietnam hat dank unserer Handelsgespräche bereits große Anstrengungen bei den Arbeitnehmerrechten unternommen, und ich vertraue darauf, dass es die dringendsten Reformen durchführen wird.“
Im Rahmen des neuen Abkommens gehen die wirtschaftlichen Vorteile mit Garantien für die Achtung der Arbeitnehmerrechte, des Umweltschutzes und des Pariser Klimaschutzübereinkommens einher. Diese werden durch nicht rechtsverbindliche und durchsetzbare Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung sichergestellt.
Das Abkommen mit Vietnam ist das umfassendste Handelsabkommen, das die EU mit einem Entwicklungsland geschlossen hat. Es trägt dem Entwicklungsbedarf des Landes in vollem Umfang Rechnung. Vietnam wird eine längere Frist von 10 Jahren eingeräumt, um seine Zölle auf Importe aus der EU abzuschaffen. Viele wichtige EU-Exportwaren wie Arzneimittel, Chemikalien oder Maschinen können jedoch bereits ab dem Inkrafttreten zollfrei importiert werden. Für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse wie Rindfleisch oder Olivenöl werden in drei Jahren keine Zölle mehr erhoben, für Milchprodukte, Obst und Gemüse in höchstens fünf Jahren. Umfassende Bestimmungen über die gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Zusammenarbeit ermöglichen es, den Marktzugang für EU-Unternehmen durch transparentere und schnellere Verfahren zu verbessern.
Das Abkommen enthält spezifische Bestimmungen zum Abbau regulatorischer Hindernisse für den Export von Kraftfahrzeugen aus der EU und gewährt für 169 traditionelle europäische Lebensmittel und Getränke (wie Roquefort-Käse, Portwein und Sherry, Irish Cream oder den Schinken Prosciutto di Parma), die als geografische Angaben anerkannt sind, Schutz vor Nachahmung.
Gleichzeitig kommt in dem Abkommen ein starkes Engagement beider Seiten für die Umwelt und für soziale Rechte zum Ausdruck. In ihm werden hohe Standards für den Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz aufgestellt und ein „Wettlauf nach unten“, um den Handel zu fördern oder Investitionen anzuziehen, wird verhindert.
Im Rahmen des Abkommens haben die beiden Vertragsparteien zugesagt, die acht grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu ratifizieren und umzusetzen sowie die Grundsätze der IAO in Bezug auf die Grundrechte am Arbeitsplatz zu achten, zu fördern und wirksam umzusetzen, das Übereinkommen von Paris und andere internationale Umweltübereinkommen umzusetzen und die Erhaltung der Tierwelt und der biologischen Vielfalt sowie eine nachhaltige Forstwirtschaft und Fischerei zu fördern sowie die unabhängige Zivilgesellschaft in die Überwachung der Umsetzung dieser Zusagen auf beiden Seiten einzubeziehen. Vietnam hat hier bereits Fortschritte erzielt, indem es im Juni 2019 das IAO-Übereinkommen Nr. 98 über Kollektivverhandlungen und im Juni 2020 das IAO-Übereinkommen Nr. 105 über Zwangsarbeit ratifiziert hat. Außerdem nahm das Land im November 2019 ein überarbeitetes Arbeitsgesetzbuch an und bestätigte, dass es das noch verbleibende grundlegende IAO-Übereinkommen über Zwangsarbeit bis 2023 ratifizieren wird.
Das Handelsabkommen ist zudem institutionell und rechtlich mit dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Vietnam verknüpft, sodass im Falle gravierender Menschenrechtsverletzungen geeignete Maßnahmen getroffen werden können.
Vor Inkrafttreten des Handelsabkommens haben ihm die EU-Mitgliedstaaten im Rat zugestimmt und es im Juni 2019 unterzeichnet. Das Europäische Parlament stimmte dem Abkommen im Februar 2020 zu.
Hintergrund
Vietnam ist nach Singapur der zweitgrößte Handelspartner der EU im Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN). Der Warenhandel belief sich auf 45,5 Mrd. Euro (2019) und der Handel mit Dienstleistungen auf etwa 4 Mrd. Euro (2018).
Die wichtigsten Güter, die aus der EU nach Vietnam exportiert werden, sind Spitzentechnologieprodukte wie elektrische Maschinen und Ausrüstungen, Flugzeuge und Fahrzeuge sowie Arzneimittel. Die wichtigsten Exportgüter Vietnams in Richtung EU sind elektronische Waren, Schuhe, Textilien und Bekleidung sowie Kaffee, Reis, Meeresfrüchte und Möbel.
Mit insgesamt 7,4 Mrd. Euro Direktinvestitionen (2018) gehört die EU zu den größten ausländischen Investoren in Vietnam. Die meisten EU-Investitionen fließen in die industrielle Verarbeitung und Fertigung.
Das Abkommen mit Vietnam ist nach dem Abkommen mit Singapur das zweite Handelsabkommen, das die EU mit einem ASEAN-Mitgliedstaat geschlossen hat. Es stellt einen wichtigen Meilenstein für das Engagement der EU in Asien dar, wo bereits Abkommen mit Japan und Südkorea bestehen.
Quelle: EU Kommission
0 Kommentare