Ein Bürgermeister, der Vergaben der Gemeinde abspricht und die entsprechenden Vergaberichtlinien nicht einhält, begeht ein innerdienstliches Dienstvergehen. Sofern der Gemeinde dadurch ein substanzieller Schaden entsteht, eine strafrechtliche Verurteilung des Bürgermeisters in Rede steht und das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine gesetzestreue Gemeindearbeit beschädigt ist, kann dies zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen (vorliegend angenommen bei einem Schaden von über EUR 50.000 und einer Verurteilung wegen Untreue zu 11 Monaten auf Bewährung).
Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 2 S. 1 BayDG, Art. 15 Abs. 1 S. 2 KWBG, Art. 38 Abs. 1 GO, § 31 Abs. 2 KommHV
Sachverhalt
Mit Disziplinarklage erstrebt der Kläger, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis und damit aus dem Bürgermeisteramt zu entfernen.
Der Beklagte ist ehrenamtlicher 1. Bürgermeister der Gemeinde K. Das Landratsamt K leitete ein Disziplinarverfahren gegen ihn ein. Mit Schreiben vom gleichen Tag übertrug es die Disziplinarbefugnisse auf die Landesanwaltschaft als Disziplinarbehörde. Mit rechtskräftigem Strafbefehl wurde gegen den Beklagten eine Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung wegen Untreue und eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 270 Tagessätzen zu je EUR 60 wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache bei Ausschreibungen verhängt.
Hintergrund der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen war ein Bewilligungsbescheid. Ausweislich des Bewilligungsbescheides war Voraussetzung für die Auszahlung der Subvention die Einhaltung der einschlägigen Vergabevorschriften bei der Vergabe mehrerer Gewerke zur Erstellung eines Dorfladens. Entsprechend des Verweises auf Ziffer 3. der ANBest-K greifen die Vergabegrundsätze, die das Staatsministerium des Inneren im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen auf Grund § 31 Abs. 2 KommHV bekanntgegeben hat, wobei die Vergabevorschriften der VOB/A bzw. VOL/A – wie Sie wussten – unberührt bleiben. Demnach war die Vergabe der jeweiligen Bauaufträge an eine öffentliche Ausschreibung gemäß § 3 Abs. 1 VOB/A geknüpft und entsprechend § 2 VOB/A waren die einzelnen Bauleistungen jeweils nach Erholung von unterschiedlichen Angeboten an das wirtschaftlichste Angebot zu vergeben. Mit dem Bewilligungsbescheid wurde zugleich mitgeteilt, dass Vergabeverstöße gegen die vorgenannten Auflagen zu einem Widerruf führen und mit einer Rückforderung der Zuwendung einhergehen. Folglich war der Beklagte verpflichtet, im Rahmen des Vergabeverfahrens die Vergabevorschriften einzuhalten, damit die bewilligte Subvention auch ausbezahlt werden kann. Das dem Projekt Dorfladen zugrundeliegende Vergabeverfahren unterlag Preisabsprachen und erheblichen ungerechtfertigten Einschränkungen und Manipulationen des Vergabeverfahrens. Der Beklagte verletzte seine Vermögensbetreuungspflichten, indem er bewusst im Rahmen des Vergabeverfahrens den notwendigen Anforderungen und Verpflichtungen zuwider handelte.
Der Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 08.10.2019 abgewiesen (siehe Probst, ). Mit Beschluss vom 10.01.2020 wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück.
Der Beklagte beantragt, die Disziplinarklage abzuweisen. Er habe keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Um die Kosten für die Gemeinde so günstig wie möglich zu halten, habe er bei den in Rede stehenden Gewerken weit unter dem üblichen Marktpreis angeboten. Ein Schädigungsvorsatz sei damit nicht gegeben.
Die Entscheidung
Die zulässige Disziplinarklage führt zu der Entscheidung, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, da er wegen eines schweren innerdienstlichen Dienstvergehens das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
Das Amtsgericht verhängte gegen den Beklagten eine Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung wegen Untreue und eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 270 Tagessätzen zu je EUR 60 wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache bei Ausschreibungen. Es steht für das Gericht fest, dass der Beklagte diese ihm im Strafbefehl vorgeworfenen Sachverhalte begangen hat. Schließlich wurde auch mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgericht bestätigt, dass die ursprünglich bewilligten Zuwendungen zu Recht wegen der Vergabeverstöße nicht zur Auszahlung kommen und widerrufen werden durften. Damit ist der Gemeinde ein Vermögensschaden in Höhe von EUR 54.843,00 entstanden. Das Gericht hat keinen Zweifel an einem Vorsatz des Beklagten. Soweit dieser vorbringt, sein einziges Ziel wäre gewesen, den Dorfladen kostengünstig zu erstellen, ändert diese Absicht bzw. Motivation nichts daran, dass hierfür vorsätzlich im Wege einer aktiven Gestaltung bzw. Manipulation der Vergaben die entsprechenden rechtlichen Vorgaben nicht eingehalten wurden. Dem Beklagten musste auch bewusst sein, dass bei einem Verstoß gegen die Kernvorgaben einer rechtmäßigen Vergabe die staatliche Subvention gefährdet ist. Dies hat er zumindest billigend in Kauf genommen. Der Beklagte hat damit durch sein Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) begangen.
Beamte sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn sie durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme ist nach pflichtgemäßem Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Eine Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Dabei bewirken schwerwiegende Vorsatzstraftaten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.
Der hier letztlich abgeurteilte Tatvorwurf beinhaltet eine (nicht eigennützige) Untreue und eine wettbewerbsbeschränkende Absprache bei Ausschreibungen. Bei einer Untreue zu Lasten der Gemeinde handelt es sich um eine massive Verletzung von Kernpflichten durch den Beklagten (vgl. BayVGH vom 13.07.2011, Az. 16a D 09.3127). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls hat der Beklagte auch im eigenen Interesse bzw. dem seiner Firma gehandelt. Selbst wenn er das zu seinen Gunsten vorgebrachte finanzielle und tatsächliche Engagement erbracht haben sollte, befreit ihn dies nicht von seiner Verpflichtung die Vergabevorschriften zu beachten. Zu den Kernpflichten eines 1. Bürgermeisters gehört insbesondere die strikte Beachtung der Gesetze. Der (gute) Zweck kann nicht die Mittel heiligen. Daher wirkt sich auch der Umstand nicht entlastend aus, dass der Dorfladen mit erheblichem Engagement von Bürgern verwirklicht wurde. Eine solche Mitwirkung und die Beachtung einschlägiger Vorschriften schließen sich zum einen nicht aus. Insbesondere ist für das Gericht auch nicht ersichtlich, weshalb die Anbieter bei einem korrekten Ausschreibungsverfahren gehindert gewesen wären, die gleichen, angeblich günstigen Angebote zu machen. Vielmehr hätte hier auch noch die Möglichkeit bestanden, dass ein Dritter gegebenenfalls ein noch günstigeres Angebot abgibt, und damit den von der Gemeinde so gewünschten Bau des Dorfladens noch kostengünstiger ermöglicht.
Im Übrigen reicht auch bereits der Anschein, dass der Beklagte mit seiner Firma als Auftragnehmer von einer Ausschreibung profitierte, welche er selbst als 1. Bürgermeister unter massiver Missachtung der einschlägigen Vergaberichtlinien als Auftraggeber vornahm. Dieser (zumindest) Anschein der Vermengung von kommunalen und privaten Interessen führt schon deshalb zu einem massiven Vertrauensverlust in die Integrität der öffentlichen Verwaltung, weil der Verdacht einer korruptiven Beziehung im Raum steht, selbst wenn der Beklagte tatsächlich aus dieser Geschäftsbeziehung keinen Gewinn bezogen haben sollte. Der Beklagte hätte als Bürgermeister aufgrund der offensichtlichen Interessenkonflikte nicht für die Gemeinde tätig werden dürfen, soweit er auch als Mietbieter direkt oder indirekt im Vergabeverfahren involviert war.
Gerade die korrekte Einhaltung der entsprechenden Vergaberichtlinien hat u.a. den Zweck die Rechtmäßigkeit sowie die Uneigennützigkeit einer Vergabe zu gewährleisten und zu dokumentieren, sowie eine entsprechende Transparenz diesbezüglich auch im Hinblick auf eine spätere Überprüfbarkeit zu schaffen. Wenn nun ein maßgeblicher Vertreter der Behörde die Aufträge selbstherrlich mitvergibt, systematisch bewusst und vorsätzlich die einschlägigen Regeln außer Acht lässt um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, das bei Einhaltung der Regeln vielleicht so nicht erreichbar wäre, verstößt dieser in schwerwiegender Weise gegen seine Verpflichtungen. Dem Beklagten wurde strafrechtlich weder Bestechlichkeit noch Vorteilsnahme zur Last gelegt. Gleichwohl liegt es in der Natur der selbstgeschaffenen Intransparenz und der offensichtlichen Interessenkonflikte zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im obigen Sinne bei einer Vergabe, dass der Anschein eines Korruptionsdeliktes bzw. einer korruptiven Verbindung entsteht, sofern auch der Beklagte persönlich Nutznießer der rechtswidrigen Vergabeentscheidung ist.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts betrifft den bereits im Urteil vom 08.10.2019 besprochenen Sachverhalt. Damals ging es um die Frage der Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung, diesmal um die endgültige Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Interessant ist, dass die Gemeinde ungeachtet der weithin bekannten Gerichtsverfahren und Vorgänge offensichtlich die Verdienste des 1. Bürgermeisters höher bewertete als die Einhaltung der (vergabe)rechtlichen Bestimmungen. Im März 2020 wurde der Beklagte für die Dauer von 6 Jahren wiedergewählt.
Öffentlich-rechtlich ist der Fall ebenso eindeutig, wie die Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtig. Unabhängig von der Nichtexistenz eines Vergabestrafrechts lässt das Verhalten des 1. Bürgermeisters nur dessen Entfernung aus dem Amt zu. Da der 1. Bürgermeister gegen den Strafbefehl, auf dessen Feststellungen sich das Verwaltungsgericht maßgeblich bei seiner Entscheidung stützt, keinen Einspruch erhoben hat, durfte das Verwaltungsgericht die dortigen Feststellungen als zutreffend unterstellen. Denn wenn der Beklagte – so auch das Gericht – insoweit Probleme gesehen hätte, hätte es nahegelegen, dass er Einspruch gegen den Strafbefehl erhebt bzw. erheben lässt. Dies ist hier nicht geschehen. Vielmehr hat der Beklagte den Strafbefehl, der zudem auf umfangreichen Ermittlungen basierte, rechtskräftig werden lassen.
Das Verwaltungsgericht weist zudem zutreffend darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen hat, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist. Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 BayDG am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist nach der neueren Rechtsprechung jedoch auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet dies eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von Dienstvergehen. So wird verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme zweifelsohne bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, komme dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme allerdings keine indizielle oder präjudizielle Bedeutung zu (vgl. BVerwG vom 05.07.2016, Az. 2 B 24/16). Vielmehr habe das Verwaltungsgericht eigenständig und ohne präjudizielle Bindung an strafrechtliche Bemessungserwägungen zu entscheiden, ob der betroffene Beamte durch das innerdienstlich begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist. Dies hat das Verwaltungsgericht Regensburg vorliegend mit überzeugenden Ausführungen, u.a. im Hinblick auf das evident vergaberechtswidrige Verhalten des 1. Bürgermeisters, getan und die richtige Entscheidung getroffen.
Praxistipp
Sämtliche Personen (z.B. auf Seiten des Einkaufs oder von Vergabestellen), welche mit öffentlichen Vergabeverfahren befasst sind, tun gut daran, die damit einhergehenden Pflichten erst zu nehmen und sich nicht leichtfertig darüber hinwegzusetzen. Es braucht nicht wie vorliegend einer massiven und vorsätzlichen Missachtung der vergaberechtlichen Grundsätze von Gleichbehandlung und (fairem) Wettbewerb, um sich des Vorwurfs eines Rechtsverstoßes ausgesetzt zu sehen. Ein Informationsgefälle bei Ausschreibungen kann ebenso bereits ausreichend sein wie ein möglicher Interessenkonflikt. Um hier dienst- und arbeitsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, ist Vorsicht und umsichtige Beachtung der vergaberechtlichen Normen der beste Schutz.
Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG
Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
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