Der Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Bei einem Angebot aus einem Vergabeverfahren nebst Anlagen und den diesem zugrunde liegenden technischen Spezifikationen und Preisen, handelt es sich regelmäßig um solche Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse. Das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens in Bezug auf sämtliche Angebotsunterlagen wird abstrakt-generell bereits durch die Vorgaben des Vergaberechts begründet, die als Wertungsnormen zu beachten sind. Dass es sich bei der VOB/A um Verwaltungsvorschriften handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
Der Antrag auf Informationszugang bezieht sich darüber hinaus nur auf vorhandene Informationen, die tatsächlich Bestandteil der Verwaltungsunterlagen der informationspflichtigen Stelle sind. Die Behörde trifft keine Informationsbeschaffungspflicht. Sie ist nicht gehalten, die begehrten Informationen durch Untersuchungen erst zu generieren. Eine inhaltliche Aufbereitung der vorhandenen Informationen durch die Behörde kann mit dem Informationsanspruch nicht verlangt werden. Es werden im Übrigen nur durch Informationsträger gespeicherte Daten erfasst, d.h. es bedarf einer Verkörperung der Information. An einer solchen fehlt es bei schlichtem „Wissen“ von Amtsträgern. Das menschliche Gedächtnis ist kein Speichermedium.
§§ 3, 4, 5 Abs. 4, 8 IFG NRW; § 14a Abs 9 VOB/A
Der Kläger begehrte von der Beklagten mehrere Auskünfte im Zusammenhang mit der Errichtung einer Lichtzeichensignalanlage (LSA) zur Kontrolle des Durchfahrtverkehrs nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW).
Der Kläger hatte am im Dezember 2018 Klage erhoben. Er machte u.a. geltend, dass ihm die beantragten Informationen zustünden. Er sei als natürliche Person anspruchsberechtigt i.S.v. § 4 Abs. 1 IFG NRW, die Beklagte sei auskunftspflichtig i.S.v. § 2 Abs. 1 IFG NRW und die Anträge bezögen sich auf Informationen i.S.v. § 3 IFG NRW. Der Kläger beantragte, die Beklagte unter Aufhebung von diversen Bescheiden zu verpflichten, ihm auf seine Anträge hin u.a. folgende Unterlagen zu überlassen bzw. folgende Auskünfte zu erteilen:
– eine Kopie der Vorlage und der Anlage 9 (Angebot eines Bieters aus einem Vergabeverfahren sowie weitere geschwärzte Passagen mit technischen Spezifikationen und Preisen dieses Bieters) zur Sitzungsniederschrift (Bericht) zu TOP B19 der Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses [Klageantrag zu 1.],
– Kopie der Ausschreibungsunterlagen zur Lichtzeichensignalanlage (Antrag vom 1. Januar 2018) [Klageantrag zu 2.].
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
Die Klage war im Hinblick auf die beiden Klageanträge unbegründet.
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Überlassung einer – ungeschwärzten – Kopie der Anlage 9 und damit des Angebots zu.
Gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.
Vorliegend ist der Informationsanspruch zunächst nicht aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen. Insbesondere enthalten § 14a Abs. 9 VOB/A 2019, wonach in öffentlichen Vergabeverfahren von Bauleistungen abgegebene Angebote und ihre Anlagen – auch bei freihändiger Vergabe – sorgfältig zu verwahren und zeitlich unbegrenzt – geheim zu halten sind, keine spezialgesetzliche Bestimmung i.S.v. § 4 Abs. 2 IFG NRW. Denn sie regeln nicht den Zugang zu Informationen, sondern schließen ihn aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12. 2020 Az. 10 C 24.19).
Zudem handelt es sich bei der VOB/A, die bei der Vergabe von Bauleistungen im Unterschwellenbereich wie hier – Anwendung findet, um Verwaltungsvorschriften, d.h. reines Innenrecht und damit nicht um Rechtsvorschriften i.S.v. § 4 Abs. 2 IFG NRW.
Dem Informationsanspruch steht jedoch der zwingende Versagungsgrund des § 8 IFG NRW (ist) i.V.m. § 14a Abs. 9 VOB/A entgegen. Nach § 8 Satz 1 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind (sinngemäß) alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Die Offenlegung der begehrten Informationen muss also die Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens schwächen und die des Konkurrenten fördern, mithin wettbewerbsrelevant sein (BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 Az. 7 C 2.09 -, Rn. 50).
Das schutzwürdige Interesse bemisst sich danach, ob ein verständiger Unternehmer Informationen der betreffenden Art geheim halten würde. Davon ist insbesondere bei solchen Informationen auszugehen, die den Kernbereich der betrieblichen Informationssphäre betreffen. Schutzwürdig sind insbesondere Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können. Auch konkrete Vertragsgestaltungen können geschützt sein.
Der Ausschlusstatbestand des § 8 Satz 1 IFG NRW setzt zusätzlich voraus, dass durch die Offenbarung der Informationen ein wirtschaftlicher Schaden droht. Ein Schaden ist jede Einbuße an einem Recht oder Rechtsgut. Wirtschaftlich ist der Schaden, wenn letztlich das Vermögen eine Einbuße erleidet. Im Fall der Offenbarung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses wird die Einbuße oftmals in der Schwächung der Wettbewerbssituation bestehen, die sich nur mittelbar auswirkt. Liegt ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung vor, folgt daraus in der Regel auch, dass der Schaden indiziert ist. Die in Anspruch genommene öffentliche Stelle bzw. der betroffene Dritte müssen konkret und substantiiert deutlich machen, inwiefern sich dessen Wettbewerbssituation durch die Offenbarung des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses nachhaltig verschlechtern würde. Dies ist der Beklagten hinsichtlich des Angebots aus dem Vergabeverfahren nebst Anlage, technischen Spezifikationen und Preisen gelungen. Die Informationen sind nur einem begrenzten Personenkreis – dem Unternehmen bzw. dessen Mitarbeitern sowie der Beklagten – zugänglich und damit nicht offenkundig. Die Offenlegung des Angebots wäre geeignet, ein exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen potentiellen Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Technische Spezifikationen und technische Details sowie Preise und Preiskalkulationen sind nach den vorstehenden Maßstäben schutzwürdig. Denn aus ihnen können sich für potentielle Konkurrenten am jeweiligen Markt nicht nur für den aktuellen Auftrag, sondern auch für zukünftige Aufträge Rückschlüsse auf die technische Herstellung des Produkts oder die Preisgestaltung des Unternehmens ergeben, die die Wettbewerbssituation des Konkurrenten insoweit verbessern kann, als dass er Kenntnisse erlangen könnte, durch die sein eigener Betrieb leistungsfähiger bzw. kostengünstiger würde. Durch solch zusätzliches Wissen könnte er in die Lage versetzt werden, Kunden des Unternehmens durch verbesserte eigene Angebote abzuwerben.
In welchem Umfang das Angebot derart schutzwürdige Daten enthielten, bedarf hier keiner weiteren Aufklärung. Denn das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens in Bezug auf sämtliche Angebotsunterlagen wird abstrakt-generell bereits durch die Vorgaben des Vergaberechts begründet, die im Rahmen von § 8 Satz 1 IFG NRW als Wertungsnormen zu beachten sind (OVG NRW, Urteil vom 21.11.2018 Az. 15 A 861/17, Rn. 114).
Dies gilt auch für freihändige Vergabeverfahren nach der VOB/A. Denn auch bei einer Freihändigen Vergabe sind gewisse Mindestverfahrensregeln zu beachten. Unter anderem gelten besondere Geheimhaltungsvorschriften. So sind gemäß § 14a Abs. 9 VOB/A 2019 bei Zulassung schriftlicher Angebote die Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu verwahren und geheim zu halten. Dabei gilt die Geheimhaltungspflicht schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen zeitlich unbegrenzt, d.h. auch nach Abschluss des konkreten Vergabeverfahrens. Das Gebot, die Angebote und ihre Anlagen insgesamt geheim zu halten, ist Ausfluss eines strengen Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsgrundsatzes. Dieser dient der Sicherung des geistigen Eigentums der Bieter an ihren Angebotsinhalten, der Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie der Gewährleistung des Wettbewerbs auch nach Öffnung der Angebote. Davon ausgehend unterliegt das Angebot insgesamt mit allen seinen Anlagen auch nach Abschluss des damaligen Vergabeverfahrens der Geheimhaltung. Dass es sich bei der VOB/A um Verwaltungsvorschriften handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
Da es sich bei der Preisgestaltung um den Kernbereich von Geschäftsgeheimnissen handelt, umfasst die Vertraulichkeitspflicht des Vergaberechts in Bezug auf Angebote insbesondere auch solche Unterlagen, die schutzwürdige Inhalte des Angebots, namentlich die Preisangabe wiedergeben (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.07.2018 Az. OVG 12 B 8.17, Rn. 52). Besteht demnach ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung des Angebots nebst Anlagen, ist nach den vorstehenden Maßstäben die Möglichkeit des Entstehens eines wirtschaftlichen Schadens regelmäßig – und so auch hier – indiziert.
Der Bescheid der Beklagten, mit dem diese den Antrag des Klägers auf Überlassung der Ausschreibungsunterlagen für die LSA zur Durchfahrtkontrolle abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat aus § 4 Abs. 1 IFG NRW keinen Anspruch auf Überlassung dieser Unterlagen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
Sind bei der Beklagten keine Unterlagen vorhanden, aus denen sich die technischen Anforderungen entnehmen lassen, die sie dem Bieter bezüglich der Konstruktion der LSA vorgegeben hat, geht der Informationsanspruch des Klägers ins Leere. Insbesondere trifft die Beklagte keine Pflicht, die vom Kläger begehrten Informationen nachträglich zu beschaffen. Das gilt auch, soweit die Beklagte es ggf. unter Verstoß gegen den Grundsatz der Aktenwahrheit und -vollständigkeit es pflichtwidrig unterlassen haben sollte, die technischen Anforderungen für die LSA zu dokumentieren, insbesondere keinen Vermerk über den Ortstermin gefertigt haben sollte.
Vorhanden i.S.v. § 4 Abs. 1 IFG NRW sind nur Informationen, die tatsächlich Bestandteil der Verwaltungsunterlagen der informationspflichtigen Stelle sind. Die Behörde trifft keine Informationsbeschaffungspflicht. Sie ist nicht gehalten, die begehrten Informationen durch Untersuchungen erst zu generieren. Eine inhaltliche bzw. statistische Aufbereitung der vorhandenen Informationen durch die Behörde kann mit dem Informationsanspruch nicht verlangt werden. Lediglich soweit sie die Antworten auf gestellte Fragen aus den vorhandenen Unterlagen mittels einer bloßen Übertragungsleistung heraussuchen muss, ist dies vom Informationsanspruch umfasst (OVG NRW, Beschlüsse vom 23.02.2022 – Az. 15 E 326/20 -, juris, Rn. 10).
Die vom Kläger begehrten Informationen sind auch nicht etwa deshalb vorhanden i.S.v. §§ 3 und 4 IFG NRW, weil davon auszugehen sein dürfte, dass die Beklagte bzw. deren Verwaltungsmitarbeiter über das entsprechende Wissen verfügen. Durch § 3 IFG NRW werden nur durch Informationsträger gespeicherte Daten erfasst, d.h. es bedarf einer Verkörperung der Information. An einer solchen fehlt es bei schlichtem Wissen von Amtsträgern, insbesondere ist das menschliche Gedächtnis kein Speichermedium i.S.v. § 3 Satz 2 IFG NRW (OVG NRW, Beschluss vom 23.02.2022 – Az. 15 E 326/20 -, juris, Rn. 113 ff.).
Die Entscheidung setzt sich detailliert und zutreffend mit der für die Praxis zunehmend relevante Frage auseinander, ob und inwieweit Privatpersonen und/oder Unternehmen Einsicht in Unterlagen aus einem Vergabeverfahren nehmen können. Die Bezugnahme in dem Urteil auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung und belegt eine Übertragbarkeit der Entscheidung auf vergleichbare Sachverhalte in Deutschland.
Das Gericht überträgt den zu § 2 GeschGehG entwickelte Definitionen der Begriffe des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses auf den vorliegenden Sachverhalt. Darüber hinaus verdeutlicht das Urteil, dass neben dem originären Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, auch konkrete Vertragsgestaltungen vom Anwendungsbereich des § 8 IFG NRW geschützt sein können. Das Gericht kommt mit überzeugenden Gründen zu dem Schluss, dass es sich bei einem Angebot aus einem Vergabeverfahren insgesamt um Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse handelt. Denn das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens in Bezug auf sämtliche Angebotsunterlagen wird abstrakt-generell bereits durch die Vorgaben des Vergaberechts begründet, die im Rahmen von § 8 Satz 1 IFG NRW als Wertungsnormen zu beachten sind. Diese binden die Beklagte über Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der allgemeinen Verwaltungspraxis auch im Außenverhältnis. Statt eines Anspruchs auf Gewährung des Informationszugangs, besteht vielmehr ein öffentliches Interesse an der Nichtbekanntgabe der Informationen. Die Geheimhaltungspflicht besteht über das Ende des konkreten Vergabeverfahrens hinaus fort, ohne dass § 14a Abs. 9 VOB/A 2019 eine zeitliche Begrenzung vorgeben würde.
Darüber hinaus stellt das Urteil dar, dass nur solche Informationen vorhanden i.S.v. § 4 Abs. 1 IFG NRW sind, die tatsächlich Bestandteil der Verwaltungsunterlagen der informationspflichtigen Stelle sind. Die Behörde trifft mithin gerade keine Informationsbeschaffungspflicht. Sie ist nicht gehalten, die begehrten Informationen durch Untersuchungen erst zu generieren. Es bedarf einer Verkörperung der Information als Speichermedium. Ist aber wie von der Beklagten mehrfach dargelegt gar keine Information bei ihr vorhanden, entfällt auch das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
Gleichwohl ist damit das letzte Wort keinesfalls gesprochen. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls dafür entscheidend, ob Informationszugang gewählt wirr oder nicht. Dies belegt anschaulich die Entscheidung des VG Berlin vom 08.12.2021 zum Az. 2 K 48/20 im Zusammenhang mit der sogenannten „Pkw-Maut“. Das Gericht hatte u.a. entschieden, dass die vergaberechtlichen Vertraulichkeitspflichten dem Antrag auf Einsicht in die Protokolle der Verhandlungsgespräche und Informationstermine nicht entgegenstehen. Ferner entschied das VG Berlin, dass die Wettbewerbs-relevanz mit Zeitablauf durchaus entfallen kann und im streitgegenständlichen Fall auch entfallen war, da das Vergabeverfahren abgeschlossen war, die Verträge gekündigt waren und die Vertragsinhalte vollständig veröffentlicht worden sind. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden zwar § 6 Satz 2 IFG geschützt, wenn der Geheimnisträger ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung hat. Ein solches Interesse ist aber nur anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, den Konkurrenten exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Hierfür muss die prognostische Einschätzung nachteiliger Auswirkungen im Fall des Bekanntwerdens der Informationen nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden. Der Vortrag der Beklagten genügte diesen Anforderungen nach Auffassung des VG Berlin nicht.
Der Zugang zu amtlichen Informationen über die Informationsfreiheitsgesetze der Länder bzw. des Bundes ist nicht grenzenlos. Bei Vergabeverfahren endet die Pflicht zur Geheimhaltung und zur vertraulichen Behandlung der Angebote nicht mit der Zuschlagserteilung. Auch darüber hinaus können Dritte nicht ohne weiteres Einsicht in die Unterlagen verlangen. Ob die Geheimhaltungspflicht allerdings – so das Urteil – „zeitlich unbegrenzt, d.h. auch nach Abschluss des konkreten Vergabeverfahrens“ per se fort gilt, ist keinesfalls eindeutig und dürfte von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängen. Auftraggebern ist daher anzuraten, auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens die entsprechenden Verfahrensunterlagen geheim zu halten bzw. in Zeiten der eVergabe sicherzustellen, dass nur ein beschränkter Kreis an Berechtigten Zugang zu den Informationen erhält.
Im Übrigen ist der Informationsanspruch von vornherein auf in den Akten vorhandene Informationen beschränkt. Den öffentlichen Auftraggeber bzw. die angefragte Behörde trifft mithin gerade keine Informationsbeschaffungspflicht. Dies gilt auch dann, wenn Informationen fehlen bzw. die Akte unvollständig ist. Von einem etwaigen Informationsanspruch werden nur durch Informationsträger gespeicherte Daten erfasst, d.h. es bedarf einer Verkörperung der Information. An einer solchen fehlt es bei schlichtem „Wissen“ von Amtsträgern, insbesondere ist das menschliche Gedächtnis kein „Speichermedium“ i.S.v. § 3 Satz 2 IFG NRW.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen ist auch im Zusammenhang mit dem Einsichtsrecht nach § 165 GWB im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren von Interesse. Denn die Vergabekammer hat die Einsicht in die Unterlagen bekanntermaßen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist. Wenn aber „Geschwärztes“ von den Nachprüfungsinstanzen nicht berücksichtigt werden darf (so das KG, Beschluss vom 18.05.2022 – Az. Verg 7/21; Adams auf Vergabeblog.de vom 18/07/2022, Nr. 50321; a.A. jeweils unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 31.01.2017 – Az. X ZB 10/16 jüngst VK Niedersachsen, Beschluss vom 22.08.2022 – Az. VgK-15/2022 und OLG Karlsruhe. Beschluss vom 07.09.2022 – Az. 15 Verg 8/22 mit zutreffender Besprechung von Wehner auf Vergabeblog.de vom 22/09/2022, Nr. 51075), stellt sich die Frage, welche Bedeutung dem Geheimnisschutz im Nachprüfungsverfahren zukünftig noch zukommen kann. Der seitens des Verwaltungsgerichts (freilich unter Verweis auf einen älteren Beschluss der VK Lüneburg vom 04.10.2011 – Az. VbK-26/2011) betonte strenge Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsgrundsatzes, welcher vorrangig der Sicherung des geistigen Eigentums der Bieter an ihren Angebotsinhalten, der Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie der Gewährleistung des Wettbewerbs auch nach Öffnung der Angebote dient, verträgt sich offenbar nur bedingt mit dem Grundrecht der Verfahrensbeteiligten im Nachprüfungsverfahren auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG im Sinne der Rechtsprechung des KG.
Der Beitrag wurde gemeinsam mit Frau ref. iur. Yael Gutmacher, Referendarin bei Lexton Rechtsanwälte, Berlin, verfasst.
Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
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