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Bauleistungen

Förderung und vorzeitiger Maßnahmenbeginn – Das konkrete Zuwendungsverhältnis ist entscheidend! (VG Magdeburg, Urt. v. 25.03.2024 – 3 A 155/21)

EntscheidungSieht der Zuwendungsgeber in der Förderrichtlinie klare Begrenzungen hinsichtlich des vorzeitigen Maßnahmenbeginns bspw. wie vorliegend eine Begrenzung der Beauftragung eines Ingenieurbüros auf die HOAI-Leistungsphase 6 vor, sind diese Vorgaben vom Zuwendungsempfänger einzuhalten. Anderenfalls liegt ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn vor. Entscheidend ist, sofern eine entgegenstehende Verwaltungspraxis nicht ersichtlich ist, der (eindeutige) Wortlaut der Förderrichtlinie.

LHO-SA §§ 23, 44; §§ 48, 49a VwVfG

Sachverhalt

Die Klägerin (Zuwendungsempfängerin) wendet sich gegen die verfügte Rückforderung von Fördermitteln durch die Beklagte (Zuwendungsgeberin). Die Klägerin beantragte eine Förderung in Höhe von EUR 240.000,- aus dem Aufzugsprogramm Sachsen-Anhalt. Geplant waren Maßnahmen der Barrierereduzierung zur Verbesserung des Zugangs zu Wohngebäuden mit 24 Wohnungen.

Die Zuwendungsempfängerin versicherte im vorgegebenen Antragsformular, dass mit dem Vorhaben noch nicht begonnen wurde und dies auch nicht vor Erhalt des Zuwendungsbescheides erfolgen würde. Die Förderrichtlinie gab eindeutig vor, dass die Planung bis einschließlich Leistungsphase 6 der HOAI-Leistungsphasen als förderunschädlich galt. Die Zuwendungsgeberin bewilligte die Zuwendung als nicht rückzahlbaren Zuschuss im Wege der Projektförderung.

In dem später vorgelegten Verwendungsnachweis gab die Klägerin an, auch Ausgaben für die vor dem bewilligten Projektbeginn abgeschlossenen Verträge bzw. Aufträge abgerechnet zu haben. Vorgelegt wurden insbesondere auch Rechnungen eines Ingenieurbüros datiert auf einen Zeitpunkt vor Bewilligung und einer Vergütung von 2 % für die Leistungsphase 7.

Die Zuwendungsgeberin nahm den Zuwendungsbescheid gestützt auf § 48 VwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und forderte die Erstattung bereits ausgezahlter EUR 216.000,- nebst Verzinsung. Zur Begründung würde ausgeführt, die Klägerin habe mit dem Vorhaben vorzeitig begonnen.

Die Klägerin beantragt die Aufhebung des Rücknahme- und Rückforderungsbescheides. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung

Die Klage blieb erfolglos! Der Rücknahme- und Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Zuwendungsempfängerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage der Rücknahme ist § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der eine Geldleistung gewährt, darf nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 2-4 VwVfG zurückgenommen werden, dessen Voraussetzungen erfüllt sind.

Maßgebend sind wegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG die Verwaltungs- bzw. Förderrichtlinien. Zu den in den Förderrichtlinien enthaltenen Zuwendungsvoraussetzungen gehörte, dass Bauvorhaben, mit deren Ausführung bereits vor Erteilung der Förderzusage begonnen worden ist, nicht gefördert werden dürfen. Als Vorhabenbeginn ist demnach der Abschluss von Liefer- und Dienstleistungsverträgen anzusehen, die der Ausführung zuzurechnen sind. Planung bis einschließlich Leistungsphase 6 der HOAI, Bodenuntersuchungen, das Herrichten des Grundstücks und der Grunderwerb galten dabei nicht als Beginn des Bauvorhabens. Überdies steht der Abschluss von Liefer- und Leistungsverträgen der Förderung dann nicht entgegen, wenn dem Antragsteller vertraglich ein Rücktrittsvorbehalt eingeräumt ist und im Falle des Rücktritts keine weiteren Lasten entstehen. Auch in diesem Falle dürfte mit einer Ausführung der Leistungen hingegen nicht (vorzeitig) begonnen werden.

Die Zuwendungsempfängerin hat durch die im Subventionsantrag abgegebene Erklärung deutlich gemacht, dass sie vom Inhalt der geltenden Förderrichtlinien Kenntnis genommen hat. Die in der Förderrichtlinie genannten Rechtsgrundlagen einschließlich haushaltsrechtlicher Bestimmungen sind damit ordnungsgemäß zum Bestandteil des Antrags und der Zuwendungsentscheidung gemacht worden.

Nach Ziff. 1.3 Satz 1 VV-LHO zu § 44 LHO dürfen Zuwendungen zur Projektförderung nur für solche Vorhaben gebilligt werden, die noch nicht begonnen worden sind. Mit der Beschränkung auf die Leistungsphase 6 in der hier einschlägigen Förderrichtlinie hat die Beklagte eine klare Linie gezogen und ermessenslenkende Vorgaben gemacht, weshalb sich nicht auf die Verwaltungspraxis in anderen Bundesländern berufen werden kann. Eine entgegenstehende Verwaltungspraxis der Zuwendungsgeberin selbst war nicht ersichtlich. Bei der Gewährung von Subventionen darf der Subventionsgeber die Einhaltung strenger Form- und Fristerfordernisse zur Voraussetzung machen.

Mit der Beauftragung des Ingenieurbüros nach der Leistungsphase 7 ohne Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts oder anderer Nebenbestimmungen, vom Vertrag ohne weiteres Abstand zu nehmen verstieß die Zuwendungsempfängerin eindeutig gegen die Förderrichtlinien hinsichtlich des Verbots des vorzeitigen Maßnahmebeginns. Daher ergibt sich der Rückzahlungsanspruch aus § 49a Abs. 1 S. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA.

Rechtliche Würdigung

Das VG Magdeburg hatte sich in vorliegendem Fall mit der praxisrelevanten und wiederholt auftretenden Problematik des vorzeitigen Maßnahmebeginns bei der Verwendung von Fördermitteln zu befassen.

Richtigerweise stellte das VG fest, dass es für die Auslegung weder auf einen allgemeinen Sprachgebrauch, noch auf eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB, sondern auf die Verwaltungspraxis ankommt. Dies hat das OVG Nordrhein-Westfalen in der Entscheidung vom 08.09.2023 (siehe ) bereits klargestellt.

In vorliegendem Fall war jedoch gerade nicht ersichtlich, dass der Zuwendungsgeber in der Verwaltungspraxis von den Fördermittelrichtlinien abweicht bzw. abgewichen ist. Vielmehr wurde die Fördermittelrichtlinie konsequent (und richtig) angewandt.

Zutreffenderweise stellt das VG darüber hinaus fest, dass hinsichtlich der Verwaltungspraxis nicht auf andere Bundesländer abgestellt werden darf, wenn der Zuwendungsgeber zum Zwecke der Schaffung klarer Zustände genaue Bestimmungen gefasst hat. Denn durch klare Begrenzungen in der Förderrichtlinie möchte der Zuwendungsgeber gerade verbindliche ermessensleitende Vorgaben für seinen Zuwendungsfall schaffen.

Praxistipp

Die Entscheidung des VG Magdeburg verdeutlicht, dass dem Fördermittelempfänger im Zuwendungsverhältnis ein umsichtiges Vorgehen anzuraten ist. Hinsichtlich des Vorliegens eines (vorzeitigen) Maßnahmebeginns und der einzelnen HOAI-Leistungsphasen kann keine pauschale Antwort gegeben werden. Vielmehr bedarf es einer Einzelfallbetrachtung der Förderrichtlinien und ggf. der Verwaltungspraxis zur Auslegung der Vorgaben durch die Förderrichtlinien. In der Praxis wird dies nach meinen Erfahrungen häufig nicht konsequent beachtet.

Der Förderungsempfänger sollte die Förderrichtlinien insbesondere dann, wenn eine Bestätigung der Kenntnisnahme gefordert wird sorgfältig lesen, um eine unerwartete Rückforderung der Zuwendung zu vermeiden. Insbesondere ist im Hinblick auf einen vorzeitigen Maßnahmebeginn auf die Vorgaben hinsichtlich der HOAI-Leistungsphasen zu achten. Denn sieht der Förderungsgeber genaue Bestimmungen (etwa durch die klare Grenzziehung bei Leistungsphase 6) vor, hat ein Förderungsempfänger im Falle einer Ausschreibung die Vorgaben der Bestimmungen zu wahren. Hat der Zuwendungsgeber derart klare Bestimmungen gefasst, darf der Förderungsempfänger auch nicht auf die Verwaltungspraxis anderer Bundesländer vertrauen.

Absichern könnten sich Zuwendungsempfänger dadurch, dass ein kostenfreier Rücktritt von etwaigen Verträgen vorgesehen wird. Es genügt ausdrücklich nicht, dass seitens des Zuwendungsempfängers die Bereitschaft besteht, sich unter Inkaufnahme der Begründung von Schadensersatzansprüchen zu Gunsten des Zuwendungs-gebers, vom Vertrag zu lösen.

Kontribution

Der Beitrag wurde gemeinsam mit Herrn Malte Hennig, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin, verfasst.

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Über Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG

Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.

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