Öffentliche Auftraggeber können Bieter im Fall einer mangelhaften Erfüllung eines früheren öffentlichen Auftrags grundsätzlich von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen. Die VK Nordbayern hat in einem aktuellen Beschluss nochmals klargestellt, dass ein wirksamer Ausschluss voraussetzt, dass der Auftraggeber den zugrunde liegenden Sachverhalt sorgfältig ermittelt und den betroffenen Bieter zuvor umfassend angehört hat. Außerdem kann eine getroffene Ausschlussentscheidung nicht nachträglich mit Gründen gerechtfertigt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gar nicht bekannt waren.
Sachverhalt
Der Auftraggeber schrieb Bauleistungen zur Abdichtung eines Daches aus. Die Antragstellerin reichte das preislich günstigste Angebot ein. Im Zuge der Eignungsprüfung erhielt der Auftraggeber jedoch Hinweise darauf, dass die Antragstellerin in einem früheren Projekt die Leistungen nur mangelhaft ausgeführt habe, was zu einer Teilkündigung des Vertrags führte.
Der Auftraggeber hörte die Antragstellerin daraufhin an, beschränkte diese Anhörung aber lediglich auf bereits ergriffene Selbstreinigungsmaßnahmen. Die Antragstellerin erklärte, dass sämtliche Mängel inzwischen behoben worden seien. Die Teilkündigung sei zudem nicht gerechtfertigt gewesen, weil Grund dafür eine unzureichende Ausführungsplanung durch den Auftraggeber sei. Außerdem habe sie inzwischen ihre personellen Ressourcen verstärkt.
Trotz dieser Stellungnahme entschied der Auftraggeber, die Antragstellerin aufgrund von Zweifeln an ihrer Zuverlässigkeit und wegen mangelnder Selbstreinigungsmaßnahmen vom laufenden Vergabeverfahren auszuschließen. Dabei stützte er sich maßgeblich auf die erfolgte Teilkündigung.
Im anschließenden Nachprüfungsverfahren brachte der Auftraggeber zur Rechtfertigung des Ausschlusses zudem weitere, zuvor nicht bekannte Mängel vor, die erst im Rahmen einer Ersatzvornahme entdeckt worden waren.
Die Entscheidung
Die VK Nordbayern gab dem Nachprüfungsantrag statt und erklärte den Ausschluss für unwirksam. Die Vergabekammer verpflichtete den Auftraggeber, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer fortzuführen und knüpft einen rechtmäßigen Ausschluss wegen Schlechtleistung an folgende Voraussetzungen:
- Der öffentliche Auftraggeber hat den der Ausschlussentscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt umfassend zu ermitteln und eine eigenständige rechtliche Bewertung vorzunehmen. Die Ergebnisse zu eingehend zu dokumentieren.
- Der Bieter ist umfassend anzuhören. Eine Anhörung darf sich nicht allein auf etwaige Selbstreinigungsmaßnahmen beschränken. Vielmehr muss der betroffene Bieter sich umfassend sowohl zu den Tatsachen als auch zur rechtlichen Bewertung der zugrundeliegenden Schlechtleistung und zur Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses äußern können.
- Der Auftraggeber muss eine Ermessensentscheidung treffen, im Rahmen derer alle relevanten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Im Rahmen der Ermessensausübung und Eignungsprognose sind insbesondere auch diejenigen Gesichtspunkte, die zugunsten des Bieters sprechen könnten, einzustellen.
Diese Voraussetzungen waren nach Auffassung der Vergabekammer im konkreten Fall nicht erfüllt, sodass die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des §124 Abs. 1 Nr. 7 GWB beurteilungsfehlerhaft erfolgt sei. So habe der Auftraggeber die Antragstellerin nicht ordnungsgemäß angehört, als er ausschließlich nach Maßnahmen zur Selbstreinigung fragte. Zudem sei die Sachverhaltsermittlung unzureichend gewesen und der Auftraggeber habe keine umfassenden Ermessenserwägungen angestellt.
Die Vergabekammer entschied außerdem, dass eine bereits getroffene Ausschlussentscheidung nicht nachträglich mit Gründen gerechtfertigt werden kann, die zum Zeitpunkt der Entscheidung noch unbekannt waren. Die nachgeschobenen Argumente fanden daher im Nachprüfungsverfahren keine Berücksichtigung.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung der VK Nordbayern verdeutlicht, dass ein Ausschluss wegen Schlechtleistung bei früheren öffentlichen Aufträgen kein Selbstläufer ist. Vielmehr ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlussgrundes eigenständig und umfassend zu prüfen sowie das Ergebnis sorgfältig zu dokumentieren. Insbesondere genügt es nicht, lediglich auf eine zuvor erfolgte Kündigung oder eine vergleichbare Maßnahme hinzuweisen. Vielmehr ist rechtlich zu bewerten, ob diese Maßnahme tatsächlich berechtigt war und ob dem Bieter schwerwiegende Vertragsverletzungen zur Last gelegt werden können.
Der Ausschluss eines Bieters wegen früherer Schlechtleistungen ist dabei eine Ermessensentscheidung, bei der die konkreten Umstände des Einzelfalls sorgfältig abzuwägen sind. Dazu gehört insbesondere die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses. Zwingend erforderlich ist zudem eine umfassende Anhörung des betroffenen Bieters im Vorfeld der Entscheidung. Diese Anhörung darf sich dabei nicht allein auf einzelne Aspekte wie etwa bereits ergriffene Selbstreinigungsmaßnahmen beschränken, sondern muss dem Bieter die Möglichkeit geben, zu sämtlichen relevanten Tatsachen sowie zur rechtlichen Bewertung (einschließlich der Verhältnismäßigkeit eines etwaigen Ausschlusses) umfassend Stellung zu nehmen.
Schließlich stellt die VK Nordbayern zutreffend fest, dass der Auftraggeber die Rechtmäßigkeit eines bereits erfolgten Ausschlusses nicht nachträglich mit neuen Tatsachen oder Argumenten begründen kann, die zum Zeitpunkt der Ausschlussentscheidung noch nicht bekannt waren. Solche nachgeschobenen Argumente können keine Berücksichtigung finden, da der betroffene Bieter hierzu nicht angehört wurde und diese Aspekte folglich auch nicht Teil der ursprünglichen Ermessensentscheidung gewesen sein können. Die Vergabekammer weist jedoch zugleich darauf hin, dass die Ausschlussgründe nicht „verbraucht“ sind. Es steht dem Auftraggeber daher frei, die Voraussetzungen für einen Ausschluss – nach ordnungsgemäßer Anhörung und sorgfältiger Dokumentation – erneut zu prüfen.
Praxistipp
Für öffentliche Auftraggeber folgt aus der Entscheidung der VK Nordbayern, dass ein Ausschluss wegen früherer Schlechtleistungen sorgfältig vorbereitet werden muss.
Dabei ist sicherzustellen, dass sämtliche relevanten Tatsachen vollständig ermittelt und dokumentiert sind. Dazu gehört insbesondere, die Rechtmäßigkeit früherer Vertragskündigungen oder vergleichbarer Maßnahmen eigenständig zu prüfen und das Ergebnis nachvollziehbar zu dokumentieren.
Bevor eine abschließende Ermessensentscheidung getroffen werden kann, ist der betroffene Bieter auf Grundlage der eigenen Feststellungen umfassend anzuhören. Ihm muss ausdrücklich Gelegenheit gegeben werden, sich sowohl zu den konkreten Vorwürfen als auch zur Verhältnismäßigkeit eines beabsichtigten Ausschlusses zu äußern.
Alle entscheidungsrelevanten Tatsachen müssen zum Zeitpunkt der Ausschlussentscheidung vorliegen und dokumentiert sein. Werden im weiteren Verlauf neue Erkenntnisse bekannt, sind diese zunächst gesondert zu bewerten und der Bieter erneut dazu anzuhören. Erst danach kann eine neue, eigenständige Ermessensentscheidung getroffen werden. Eine nachträgliche Rechtfertigung oder das spätere Nachschieben neuer Argumente zur Stützung der ursprünglichen Ausschlussentscheidung ist vergaberechtlich unzulässig.
Sven Reinecke
Sven Reinecke ist Rechtsanwalt und berät im Vergabe-, Beihilfe- und Fördermittelrecht. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Unterstützung von Auftraggebern und Unternehmen in vergaberechtlichen Streitigkeiten sowie der Gestaltung und Umsetzung komplexer Beschaffungsvorhaben. Zudem berät er zur Vertragsgestaltung und zu rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Durchführung und Einhaltung laufender Verträge.














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