Am 21.10.2011 hat der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung entschieden, dass das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern nationale “Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung” sein soll. Bereits letzten Montag, am 30. Januar 2012, konnte die Kompetenzstelle in einem Festakt im Beschaffungsamt in Bonn eröffnet werden. In dieser Rolle arbeitet das Beschaffungsamt darauf hin, nachhaltige Kriterien verstärkt in den öffentlichen Einkauf einzubetten. Zielgruppe der Kompetenzstelle sind sowohl die Vergabestellen von Bund, Ländern und Kommunen, als auch potentielle Bieter, Nichtregierungsorganisationen und andere Experten zum Thema nachhaltiger Einkauf.
Nachfragemacht als Motor nutzen
Dass das Beschaffungsamt den Zuschlag als Kompetenzstelle, um den sich nicht wenige Behörden bemüht hatten, für sich verbuchen kann, wird nicht zuletzt dem Engagement des Behördenleiters, Direktor Klaus-Peter Tiedtke zu verdanken sein (Interview im Vergabeblog). Er hatte sich stets dafür eingesetzt, das Nachhaltigkeit in diesem Sinne mehr sein müsse als der bloße schöne Schein derselben: „Wir brauchen mehr als Scheingefechte, wenn es um die Umsetzung des Prinzips Nachhaltigkeit geht. Wir brauchen konkrete Lösungswege und einen konkreten Instrumentenkoffer. Beides wollen wir als Kompetenzstelle zur Verfügung stellen“, so Tiedtke.
Zudem kann das Beschaffungsamt als Einkäufer von Produkten und Dienstleistungen mit einer jährlichen Nachfragemacht von mehr als 1 Mrd. Euro als Motor wirken, um die öffentliche Beschaffung ökologischer und sozial kompatibler zu gestalten. (Foto: Staatssekretärin Rogall-Grothe, BMI, eröffnete die Kompetenzstelle und betonte die Vorbildrolle des Beschaffungsamts).
Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil
Tiedkte stellt heraus, dass durch eine konsequente Umstellung der öffentlichen Beschaffung auf Nachhaltigkeit den anbietenden Unternehmen durch nachhaltiges Handeln und Produzieren auch Wettbewerbsvorteile entstehen: „Unternehmen sollen wissen, dass man mit Nachhaltigkeit Geld verdienen kann. Als Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung unterstützen wir Bieter wie Vergabestellen deshalb darin, messbare Kriterien in öffentliche Vergabeverfahren zu integrieren“, so Tiedtke.
Breites Beratungsangebot
Gleichwohl klafft zumindest gegenwärtig noch eine breite Kluft zwischen Theorie und Praxis. Denn Nachhaltigkeit umzusetzen stellt viele öffentliche Einkäufer vor – nachvollziehbare – Herausforderungen: Welche Nachhaltigkeitskriterien gibt es überhaupt? Wie kann ich sie überprüfen? Was muss ich vergaberechtlich beachten?
Das erste Standbein der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung ist deshalb die fachkundige Beratung von Beschaffern in Bund, Ländern und Kommunen. Diese geschieht individuell per Telefonhotline oder E-Mail, aber auch mittels maßgeschneiderten Beratungen vor Ort. Die angebotenen Schulungen sollen zusätzlich sensibilisieren und informieren. Leitfäden und Informationsbroschüren sollen darüber hinaus praktische Hilfestellung zur Umsetzung des nachhaltigen Einkaufs geben. Ein regelmäßiger Newsletter wird über neuste Entwicklungen informieren.
Internetplattform
Das zweite Standbein der Kompetenzstelle wird eine webbasierten Informationsplattform zur nachhaltigen Beschaffung sein. Dazu sollen vorhandene Informationsplattformen der Ressorts und Geschäftsbereichsbehörden unter einem zentralen Eingangsportal verknüpft werden, um allen Akteuren der öffentlichen Beschaffung eine Kommunikations- und Vernetzungsdrehscheibe zu bieten. Mittels der Informationsplattform wird so der Weg für ein nationales Expertennetzwerk geebnet werden. Hierfür ist besonders der Austausch mit der Wirtschaft und den Nichtregierungsorganisationen erwünscht.
Gutes Beispiel
Auch intern handelt das Beschaffungsamt nachhaltig. Im Rahmen seines Masterplans Nachhaltigkeit hat die Behörde ihren Fuhrpark teilweise auf E-Fahrzeuge umgestellt. Betankt werden die Fahrzeuge mit Öko-Strom an der behördeneigenen E-Tankstelle, die ebenfalls am 30.1.12 von Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im BMI, feierlich eröffnet wurde (Foto oben, v.r.n.l.: Klaus-Peter Tiedtke, Direktor des Beschaffungsamts, Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe, Rüdiger Wagner, Umweltdezernent der Stadt Bonn und Peter Weckenbrock, Geschäftsführer SWB).
Das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, ein Zusammenschluss aus über 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbänden in Deutschland, begrüßte die Ernennung des Beschaffungsamtes zur Kompetenzstelle. „Die Kompetenzstelle ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, um der täglichen Ausbeutung mit Steuergeldern ein Ende zu setzen“, so Volkmar Lübke, Koordinator des Netzwerks. Bereits seit Jahren weist dieses auf Verletzungen von Umwelt- und Sozialstandards bei der Herstellung von Produkten sowie bei Dienstleistungen hin, die auch von öffentlichen Einrichtungen in Anspruch genommen werden. Die im CorA-Netzwerk zusammengeschlossenen Organisationen reichen laut einer aktuellen Pressemitteilung der Kompetenzstelle die Hand zum Dialog, um diese, z.B. in einem einzurichtenden Beirat, “konstruktiv-kritisch” zu begleiten. Auch das CorA-Netzwerk hatte die Einrichtung einer solchen Kompetenzstelle gefordert.
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