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Politik und Markt

Berliner Vergabegesetz – Kritik des FAIRgabe-Bündnisses

Ein Gastbeitrag von Juliane Kühnrich, Projekt „Berlin be fair“, WEED e.V.

Berlin hat seit Juli 2010 ein Vergabegesetz, durch welches sich der Berliner Senat zur ver­bind­lichen Aufnahme von öko­logi­schen Kriterien, der ILO-Kernarbeitsnormen und der Einhal­tung des Mindestlohns von 8,50 EUR in die öffent­­lichen Ausschreibungen ausgesprochen hat.

Das FAIRgabe-Bündnis Berlin ist ein Zusammenschluss der Berliner umwelt- und entwick­lungs­­­politi­schen Organisationen und Gewerkschaften, welches die Einführung und Umset­zung des Vergabegesetzes begleitet.  Nun ver­öffentlichte das Bündnis ein Positionspapier, in welchem es die Um­set­zung des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (BerlAVG) scharf kritisiert und als mangel­haft bezeichnet. Die Kritikpunkte beziehen sich vorwiegend auf fehlende Kontrollmechanismen, klare und verbindliche Vorgaben für Einkäufer und die Evaluation der Beschaffungspraxis. Berlin hat derzeit Schätzungen zufolge etwa 2.500 Vergabestellen.

Keine Kontrolle

Um auf den relevanten Handlungsebenen unterstüt­zende Strukturen für die Umsetzung öko-fairer Beschaffung zu schaffen, sieht das FAIRgabe-Bündnis dringenden Handlungsbedarf bei der Ein­führung von Instrumenten wie eine ressort­über­grei­fen­de Koordinierungsstelle und die Einrichtung eines Beirats zur aktiven Einbeziehung zivilgesell­schaft­lichen Know-hows sowie die Einrichtung der im § 5 des Vergabesetz ausdrücklich vorgesehenen Kontrollgruppe (zwischenzeitlich wurde diese am 14.Mai 2013 von der Wirtschaftssenatorin eingerichtet). Bisher findet eine Kontrolle der Einhaltung ökologischer und sozialer Kriterien in der Vergabepraxis nicht statt.

Mehr Schulungen

Das FAIRgabe-Bündnis setzt sich auch für den Ausbau des Schulungsangebots zu den ILO-Kernarbeitsnormen für öffentliche Einkäufer ein, um die Kenntnisse der Beschaffer in Berlin zu kritischen Produkten und den ILO-Kernarbeitsnormen zu erhöhen. Viele Vergabestellen sind bisher noch mit der Beurteilung der Angebote hinsichtlich ökologischer und sozialer Kriterien überfordert. Im Januar 2013 ist von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt eine Verwaltungsvorschrift heraus­gegeben worden, die klare Anforderungen an Produkte bezüglich ökologischer Kriterien stellt. Das FAIRgabe-Bündnis ist der Auffassung, dass ähnliche Vorgaben wie beispielsweise produktspezifische Verwaltungsvor­schriften zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen gem. § 8 des Vergabegesetzes genauso notwendig wären.

Zu hoher Schwellenwert

Kritik übt das FAIRgabe-Bündnis auch an der Anhebung der Wertgrenze von 500 EUR auf 10.000 EUR für Aufträge, für die die §§ 7 und 8 des BerlAVG Anwendung finden sollen. Die Wertgrenze wurde erst mit der letzten Änderung des BerlAVG am 05.06.2012 auf 10.000€ heraufgesetzt. Das FAIRgabe-Bündnis kritisiert, dass gerade die im niedrigschwelligen Bereich angesiedel­ten, leicht und unbürokratisch erfassbaren Produktgruppen wie Getränke, Nahrungsmittel, Papier usw. aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausgenommen wurden und befürchtet die „Zerstückelung von Aufträgen zur weiteren Umgehung des Gesetzes“. Aus diesem Grund fordert das FAIRgabe-Bündnis in seinem Positionspapier eine erneute Gesetzesänderung, in der die Wertgrenze wieder auf 500 EUR abgesenkt wird. Einige Berliner Bezirke haben bereits Selbstverpflichtungen unterzeichnet, auch für Aufträge ab 500 EUR ökologische und soziale Kriterien in die Ausschreibungen aufzunehmen.

Die Autorin Juliane Kühnrich ist Referentin für nachhaltige Produktion und öffentliche Beschaffung für das Projekt „Berlin be fair“ des WEED e.V. (World Economy, Ecology & Development) in Berlin.

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