Zum Nachweis der Eignung ist vom Auftraggeber die Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bieter zu prüfen. Dieser Nachweis kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in das Präqualifikationsverzeichnis (PQ-Verzeichnis) erfolgen. Eine solche von der zuständigen Stelle ausgestellte Präqualifikation kann weder von den Nachprüfungsinstanzen in Frage gestellt werden noch bedarf es darüber hinaus weiterer Eignungsnachweise, sofern der Auftraggeber solche nicht explizit verlangt.
§ 6 EG Abs. 3 Nr. 1, 2 VOB/A 2012 (§§ 6 EU Abs. 1, 2, 6b EU Abs. 1 VOB/A 2016)
Leitsatz
Sachverhalt
Der Auftraggeber schrieb eine vorgehängte hinterlüftete Fassade mit Faserzementplatten für einen Neubau im offenen Verfahren nach der VOB/A 2012 europaweit aus. Zuschlagskriterium war der niedrigste Preis. Gemäß Ziffer III.2.1) der Bekanntmachung vom 25.11.2015 zur Nr. 2015/S 228-414415 war es präqualifizierten Unternehmen gestattet, den Nachweis der Eignung durch den Eintrag in das PQ-Verzeichnis zu führen. Nicht präqualifizierte Unternehmen hatten zum Nachweis der Eignung dagegen mit dem Angebot das ausgefüllte Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung) vorzulegen. Des Weiteren wurden allerdings in Ziffer III.2.2) der EU-Bekanntmachung Anforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gestellt. U.a. wurden beispielsweise vergleichbare Referenzen gefordert. Vergleichbar sind danach nur Aufträge mit einem Nettoauftragswert von mind. 350.000 EUR.
Das preisgünstigste Angebot gab das Unternehmen B ab. Gegen die beabsichtigte Beauftragung von B richtete sich der Nachprüfungsantrag des Unternehmens A, dem späteren Antragsteller (ASt). Der ASt rügte die beabsichtigte Auftragsvergabe. Zur Begründung sprach er B die Eignung für den in Rede stehenden Auftrag ab. B könne insbesondere keine hinreichenden Referenzen vorlegen. Er beantragte bei der Vergabekammer, das Angebot von B auszuschließen.
Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Der Nachprüfungsantrag war zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Vergabekammer entschied, dass der Auftraggeber zu Recht den Bieter B für die streitgegenständlichen Fassadenarbeiten als geeignet beurteilt hat. Denn der Eignungsnachweis kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in das PQ-Verzeichnis gemäß § 6 EG Abs. 3 Nr. 1 und 2 VOB/A 2012 (§ 6b EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016) erfolgen. Bieter B hatte mit ihrem Angebot den verlangten Eignungsnachweis erbracht, indem er eine Kopie der PQ-Urkunde den Angebotsunterlagen beigefügt hatte. Darin wird dem Bieter bescheinigt, für den Bereich konstruktive Fassadenarbeiten präqualifiziert zu sein. Damit hat B die Forderung nach der Bekanntmachung erfüllt. Er war nicht verpflichtet, weitere Einzelreferenzen vorzulegen. Der Auftraggeber ist vielmehr an die von ihm in der Bekanntmachung geforderten Eignungsnachweise gebunden; er darf weder zusätzliche Nachweise fordern noch auf Verlangen auf Nachweise verzichten. Zudem kann eine von der zuständigen Stelle ausgestellte Präqualifikation nicht mit einem Nachprüfungsverfahren aberkannt werden.
Ungeachtet dessen hatte der Auftraggeber zwar den Bieter B nachträglich aufgefordert, für die letzten drei Geschäftsjahre den Umsatz des Unternehmens, drei Referenzen und die jahresdurchschnittlichen Beschäftigten anzugeben. Diese aus Sicht der Vergabekammer zusätzlichen, in der Bekanntmachung nicht verlangten Forderung ist B allerdings nachgekommen. Die Feststellung, ob ein Bieter die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit besitzt, um den Auftrag zufriedenstellend ausführen zu können, ist das Ergebnis einer fachlich tatsächlichen Prognose, welche der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums trifft. Grundlage der Prognose müssen gesicherte Erkenntnisse sein. Die unabhängig von dem PQ-Nachweis seitens B vorgelegten Unterlagen lassen aus Sicht der Kammer nicht den Rückschluss zu, dass der Auftraggeber bei der Eignungsprognose seinen Spielraum überschritten hat.
Rechtliche Würdigung
Die Begründung der Vergabekammer ist fehlerhaft. Die Vergabekammer verkennt, anders als vorliegend der handelnde Auftraggeber, den Inhalt der Bekanntmachung.
Zwar stellt die Vergabekammer unter Hinweis auf die einschlägige Vorschrift aus der VOB/A fest, dass der Bieter seine Eignung durch den Eintrag ins PQ-Verzeichnis vollumfassend nachweisen kann; es mithin darüber hinaus keinerlei weiteren Eignungsnachweise bedarf, wenn der Auftraggeber dies nicht eindeutig in der Bekanntmachung neben dem PQ-Nachweis verlangt hat. Vorliegend verkennt die Vergabekammer allerdings, dass sich die Reichweite des PQ-Nachweises lediglich auf die unter Ziffer III.2.1) der Bekanntmachung genannten Eignungsnachweise erstreckte. Zusätzlich waren, wohl auch aus Sicht des Auftraggebers, die explizit auftragsbezogenen Eignungsnachweise nach Ziffer III.2.2) der Bekanntmachung zu erbringen. Wenn auch hier die Eintragung in das PQ-Verzeichnis hätte ausreichend sein sollte, hätte dies hier angegeben sein müssen. Dies war, anders als z.B. in einer Bekanntmachung des Staatlichen Bauamts Schweinfurt vom 19.04.2016 zur Nr. 2016/S 076-133146, aber nicht der Fall.
Ungeachtet der fehlerhaften Auslegung der Bekanntmachung geht die Vergabekammer auf die darüber hinaus vorgelegten Unterlagen (hilfsweise) ein und befasst sich mit dem Inhalt dieser Unterlagen. Die seitens des ASt im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Argumente werden von der Vergabekammer soweit aus der Entscheidung ersichtlich allerdings nur kursorisch betrachtet und gewürdigt. Hier wäre eine weitergehende Auseinandersetzung zwingend geboten gewesen. Der Entscheidung lassen sich für die Vergabepraxis trotzdem zwei wesentliche Aussagen entnehmen:
Praxistipp
Auftraggeber sollten im Vorfeld des Vergabeverfahrens für sich klären, ob die (bloße) Vorlage eines PQ-Nachweises zum Nachweis der Bietereignung ausreichend sein soll. Ist dieser vereinfachte Eignungsnachweise gewünscht, sollte dies in der Bekanntmachung unmissverständlich unter Hinweis auf die einschlägige Regelung in der VOB/A klargestellt werden. Ferner sollen Auftraggeber darauf hinweisen, dass weitere Nachweise über den PQ-Nachweis hinaus nicht erforderlich sind.
Präqualifizierten Bietern ist zu empfehlen, lediglich den PQ-Nachweis vorzulegen und nicht darüber hinaus weitere Nachweise, wenn ein solcher nach den Angaben des Auftraggebers ausreichend ist. Alles andere kann beim Auftraggeber zu zusätzlichen (überflüssigen) Eignungsprüfungen führen bzw. Nachfragen produzieren. Dies gilt aus Bietersicht erst recht bei der Beschaffung von Bauleistungen, da hier ohnehin eine Pflicht des Auftraggebers zur Nachforderung von fehlenden Erklärungen und Nachweisen besteht (vgl. § 16a EU VOB/A 2016). Ein Ausschluss des Angebots kann ohne eine explizite Nachforderung also nicht erfolgen. Dies ist im Liefer- und Dienstleistungsbereich bekanntermaßen anders. Hier kann der Auftraggeber, muss aber nicht, Unterlagen nachfordern (siehe dazu u.a. § 51 Abs. 2 VgV 2016).
Der Autor Peter Michael Probst, M.B.L.-HSG, ist Fachanwalt für Vergaberecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Wirtschaftskanzlei LEXTON Rechtsanwälte in Berlin. Er berät seit über 20 Jahren öffentliche Auftraggeber und Bieterunternehmen umfassend bei allen vergabe-, zuwendungs-, haushalts- und preisrechtlichen Fragestellungen. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit veröffentlicht er regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
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