Seit dem 18. April 2016 müssen Auftraggeber grundsätzlich schon zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung die Vergabeunterlagen vollständig elektronisch zum Abruf bereitstellen. Ausnahmeregelungen, die insbesondere technische Hindernisse betreffen, dürften für die breite Masse der Vergabeverfahren nicht relevant sein. Doch was bedeutet diese Pflicht im Einzelnen und wie weit reicht sie tatsächlich? Müssen in jedem Fall eine vollständige Leistungsbeschreibung, der Vertrag oder die Bewertungsmatrix für die Angebotsauswertung online gestellt werden? Ein Beitrag in drei Teilen.
In dem ersten Teil wurden die Fragen untersucht, was genau die vollständige elektronische Verfügbarkeit erfordert und etwaige Ausnahmen untersucht. In Teil 2 dieses Beitrages wurden die Regelungen in der VOB/A und der VgV untersucht.
4. Was gilt im Sektorenbereich?
Die Sektorenverordnung enthält teils ähnliche Vorschriften wie die VgV. So regelt § 41 Abs. 1 SektVO ebenfalls ohne Einschränkungen eine Bereitstellung der Vergabeunterlagen zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung. Eine Definition des Begriffs „Vergabeunterlagen“ gibt es hier zwar nicht. Aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 SektVO, der den Übergang in ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb regelt, kann man nur entnehmen, dass die Vergabeunterlagen bei Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb „die Bedürfnisse und Anforderungen des Auftraggebers“ angeben müssen. Ob hinsichtlich des Inhalts zwischen Vergabeunterlagen in ein- oder zweistufigen Verfahren unterschieden wird, lässt sich dieser Bestimmung nicht entnehmen.
Ebenso wie § 52 VgV regelt § 42 SektVO jedoch die Aufforderung zur Angebotsabgabe in zweistufigen Verfahren gesondert und bestimmt in Absatz 2 Nr. 1 als Mindestangabe einen Hinweis auf die veröffentlichte Auftragsbekanntmachung. Zumindest mittelbar wird also auch hier die Internetadresse, unter der die Unterlagen zum Abruf bereit stehen, noch einmal bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe mitgeteilt. Es ist davon auszugehen, dass die Anforderungen im Sektorenbereich nicht strenger sind, als im Anwendungsbereich der VgV. Wenn man sich insoweit an den Vorgaben im Bereich klassischer Vergaben orientiert, dürfte man wohl zumindest keinen Fehler machen.
Darüber hinaus sieht § 42 Abs. 2 Nr. 5 SektVO eine weitere, explizite Erleichterung vor. Bei zweistufigen Verfahren scheint es demnach zulässig, die Gewichtung der Zuschlagskriterien oder die Kriterien in absteigender Reihenfolge auch nur den ausgewählten Bewerbern mit Aufforderung zur Angebotsabgabe mitzuteilen. Diese Angaben müssen dann also offenbar noch nicht in den Vergabeunterlagen enthalten sein, die ab Auftragsbekanntmachung zum Download zur Verfügung stehen.
5. Fazit
Im Grundsatz gilt, dass die Vergabeunterlagen zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung oder dem Aufruf zur Interessenbekundung zum Download zur Verfügung stehen müssen. Wie weit der bereit zu stellenden Inhalt jedoch reicht und welchem Adressatenkreis gegenüber die jeweilige Internetadresse mitzuteilen ist, kann sich je nach Verfahrensgestaltung im einzelnen doch stark unterscheiden. Insbesondere bei zweistufigen Verfahren dürfte der Umfang der Vergabeunterlagen, die bereits zum Zeitpunkt der Auftragsbekanntmachung bereit gestellt werden müssen, mit dem Umfang der bestehenden Spielräume in den jeweiligen Verfahren korrespondieren.
Natürlich bleibt es dem Auftraggeber unbenommen, im Teilnahmewettbewerb bereits dieselben Unterlagen zum Abruf bereit zu stellen wie später im Rahmen der Aufforderung zur Angebotsabgabe, ohne insoweit zwischen ein- und zweistufigen Verfahren zu differenzieren. Dies kann insbesondere im Hinblick auf die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB sogar empfehlenswert sein. Eine Verpflichtung dazu lässt sich aus den Bestimmungen der VgV und der VOB/A jedoch nicht ohne weiteres ableiten. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Bedeutung wären allerdings klarere und für den Bereich der VgV und der VOB/A einheitlich formulierte Regelungen wünschenswert.
Anmerkung der Redaktion
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