Eine Vielzahl von Unternehmen nimmt heutzutage die Möglichkeit in Anspruch, bei der Finanzierung von Projekten, insbesondere Bauvorhaben, auf staatliche Mittel zurückzugreifen. Diese staatlichen Zuschüsse werden von den Fördermittelgebern grundsätzlich aufgrund von Förderrichtlinien in Form eines Zuwendungsbescheids bewilligt. Dieser Bescheid enthält in der Regel eine Vielzahl von Auflagen, die bei der Verwendung der Fördermittel durch die Zuwendungsempfänger beachtet werden müssen. Eine der Auflagen verpflichtet die Zuwendungsempfänger üblicherweise zur Einhaltung des öffentlichen Vergaberechts, das nicht nur den transparenten und gleichberechtigten Wettbewerb bei der öffentlichen Auftragsvergabe gewährleisten, sondern zudem die sparsame und wirtschaftliche Verwendung der öffentlichen Mittel sicherstellen soll.
Die Wirksamkeit und Einhaltung dieser Auflage ist häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Fördermittelgeber und dem Zuwendungsempfänger im Rahmen des (Teil-)Widerrufs und der Rückforderung von Fördergeldern.
I. Ausgangslage bei der Rückforderung von Fördermitteln wegen Auflagenverstoßes
1. Rechtsgrundlage des (Teil-)Widerrufs und der Rückforderung
Der (Teil-)Widerruf und die Rückforderung von Fördermitteln richten sich grundsätzlich nach §§ 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 49a VwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen und die Fördergelder zurückgefordert werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht erfüllt hat. Diese Auflage ist regelmäßig der Kern der rechtlichen Auseinandersetzung.
2. Auflage und ihre Bestimmtheit
a) Wirksame Auflage
Bei einem rechtmäßigen Zuwendungsbescheid ist die wirksame Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts dann nicht erfüllt, wenn der Zuwendungsempfänger bei der Vergabe von Aufträgen, die mit öffentlichen Fördermitteln finanziert werden, das Vergaberecht nicht oder fehlerhaft anwendet. In diesem Fall liegt ein Auflagenverstoß im Sinne des § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG vor, sodass der Fördermittelgeber den Zuwendungsbescheid nach Ausübung seines Ermessens vollständig oder teilweise widerrufen und die Fördermittel zurückfordern kann.
b) Nichtige Auflage
Ist die Auflage jedoch nichtig, dann ist sie nicht wirksam Bestandteil des Zuwendungsbescheids geworden. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Fördermittelgeber gegen § 37 Abs. 1 VwVfG verstoßen hat. Danach müssen ein Verwaltungsakt und damit auch die Auflage inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
Inhaltlich hinreichend bestimmt ist eine Auflage nur dann, wenn die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass der Adressat sein Verhalten danach ausrichten kann. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung entsprechend der zu den §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln zu ermitteln. Es kommt bei der Auslegung maßgeblich darauf an, wie der Betroffene selbst nach allen ihm bekannten Umständen in einer verobjektivierten Weise den materiellen Gehalt des Bescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Bei der Auslegung sind sowohl die subjektiven Vorstellungen des Adressaten als auch der erlassenden Behörde unerheblich. Maßgebend ist entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte[1].
Enthält der Bewilligungsbescheid, den der Zuwendungsempfänger erhalten hat, Nebenbestimmungen in Form einer Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts, die nicht vollständig, klar, eindeutig und für ihn nicht transparent ist, ob und nach welchen Vergaberegelungen er sich bei der Vergabe der öffentlich finanzierten Aufträge richten soll, dann fehlt der Auflage die Bestimmtheit im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG.
Ist die Auflage in einer die Schwelle des § 44 Abs. 1 VwVfG überschreitenden Weise unbestimmt, so ist sie nichtig und unwirksam, was bedeutet, dass sie nicht wirksamer Bestandteil des Zuwendungsbescheids geworden ist und die Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts gegenüber dem Fördermittelgeber seitens des Zuwendungsempfängers nicht besteht.
Ein Auflagenverstoß wegen Verletzung der Vergabevorschriften kann dann mangels wirksamer, die Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts begründender Auflage nicht vorliegen, sodass der Tatbestand für den (Teil-)Widerruf nicht erfüllt und damit auch eine Rückforderung durch den Fördermittelgeber rechtswidrig ist.
Der Zuwendungsempfänger dürfte sich insoweit vor diesem Hintergrund grundsätzlich erfolgreich gegen einen (Teil-)Widerruf sowie eine Rückforderung zu Wehr setzen können, selbst wenn er offensichtliche und schwere Vergabeverstöße begangen hat.
II. Problem bei der Förderung mit EU-Mitteln
Problematisch wird es jedoch, wenn die bewilligten Fördergelder Mittel aus dem EU-Haushalt enthalten. Dies ist sehr häufig der Fall, weil eine Vielzahl von Maßnahmen aus den EU-Fonds wie insbesondere dem ESF-, EFRE- oder ELER-Fonds gefördert wird.
In diesen Fällen kommen die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 über den EFRE-, ESF-, Kohäsions-, ELER- sowie den EMFF-Fonds, für ältere Fördermaßnahmen die mittlerweile abgelöste „Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den EFRE-, ESF- und Kohäsionsfonds“ sowie die „Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft“ zur Anwendung.
Nach einem Urteil des EuGH sind Art. 1 Abs. 2 EG-Verordnung Nr. 2988/95 sowie Art. 2 Nr. 7 EG-Verordnung Nr. 1083/2006 im Hinblick auf den Begriff der „Unregelmäßigkeit“ dahin auszulegen, dass der Verstoß gegen nationale Rechtsvorschriften durch einen öffentlichen Auftraggeber, der einen Zuschuss aus den Strukturfonds erhält, im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags, dessen geschätzter Auftragswert unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt, eine „Unregelmäßigkeit“ darstellen kann, soweit dieser Verstoß dadurch einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der EU bewirkt hat oder bewirken würde, dass ihm eine ungerechtfertigte Ausgabe angelastet werden muss oder müsste[2].
Es wird davon ausgegangen, dass mit EU-Mitteln geförderte Maßnahmen dem EU-Recht unterliegen. Der Begriff der „Unregelmäßigkeit“ im Sinne der genannten Verordnungen ist daher so zu verstehen, dass er nicht nur jeden Verstoß gegen dieses Recht umfasst, sondern auch jeden Verstoß gegen nationale Rechtsvorschriften, die dazu beitragen, die ordnungsgemäße Anwendung des EU-Rechts im Bereich der Verwaltung von Vorhaben, die von EU-Fonds gefördert werden, sicherzustellen[3].
Ziel der Verordnung Nr. 1083/2006 ist es, einerseits die Grundsätze für die Verwaltung, Begleitung und die Kontrolle der von den Fonds finanziell unterstützten Maßnahmen und andererseits die ordnungsgemäße und effiziente Verwendung der Strukturfonds zu gewährleisten, um die finanziellen Interessen der EU zu schützen.
Aus dieser Verordnung ergibt sich gleichzeitig, dass es zuvörderst Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die erforderlichen finanziellen Berichtigungen vorzunehmen und darauf zu achten, dass die geförderten Maßnahmen im Einklang mit sämtlichen Vorschriften stehen, die sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene anzuwenden sind.
Eine Auslegung, dass Rückforderungen nur bei Verstößen gegen das EU-Recht und nicht auch gegen das nationale Recht zulässig sind, steht der Wirksamkeit der Intervention der betreffenden EU-Fonds entgegen und würde keine Gewähr für die vollständige Verwirklichung der vom Unionsgesetzgeber auf diesem Gebiet verfolgten Ziele bieten[4].
Dies wird durch die EU-Verordnung Nr. 1303/2013, die die Verordnung Nr. 1083/2006 (EG) abgelöst hat, bestätigt, die in Art. 2 Nr. 36 als Definition für die „Unregelmäßigkeit“ nunmehr ausdrücklich jeden Verstoß gegen das EU-Recht oder gegen das mit dessen Anwendung verbundene nationale Recht umfasst[5].
Dies führt nach Ansicht des Autors zu folgendem Schluss: Ist in Fällen der Förderung eines öffentlichen Auftraggebers mit EU-Mitteln, der Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte nicht oder fehlerhaft durchführt, die Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts nichtig und daher unwirksam ist, dann berührt dies im Ergebnis, im Gegensatz zur Konstellation der Förderung ohne EU-Mittel, die Zulässigkeit der Rückforderung der Zuwendung seitens des Fördermittelgebers nicht.
Obwohl die Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts im Zuwendungsrechts-Verhältnis nichtig ist und die Verpflichtung aus dem Zuwendungsbescheid an sich entfallen ist, darf der Fördermittelgeber die Zuwendung entsprechend den EU-Verordnungen sowie dem EuGH-Urteil vom öffentlichen Zuwendungsempfänger zurückfordern.
III. Rechtliche Beurteilung
1. Verstoß gegen nationales Vergaberecht ist eine „Unregelmäßigkeit“
Aus dem zitierten Urteil und vorgenannten Verordnungen ergibt sich, dass dem Fördermittelgeber im Falle der Förderung von öffentlichen Zuwendungsempfängern aus EU-Mitteln neben den nationalen Vorschriften eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung im EU-Recht zur Verfügung steht.
In der Vergangenheit war es stets erforderlich, dass im Verhältnis zwischen Fördermittelgeber und Zuwendungsempfänger bei Bewilligung durch das Zuwendungsrechts-Verhältnis in Kombination mit der Auflage zur Einhaltung des Vergaberechts eine Rechtsgrundlage geschaffen wurde. Anderenfalls war eine Verpflichtung gegenüber dem Fördermittelgeber nicht gegeben und eine Rückforderung nicht möglich.
Nunmehr verhält es sich so, dass selbst bei rechtsfehlerhaft formulierten Auflagen des Fördermittelgebers die Nichtigkeit der Auflage nicht dazu führt, dass eine Rückforderung mangels Rechtsgrundlage unzulässig ist. Vielmehr ist in den EU-Verordnungen unmittelbar eine Rechtsgrundlage festgelegt, die unabhängig von der Auflage im Zuwendungsbescheid eine Rückforderungsmöglichkeit bietet.
Diese strengen Regelungen und Auslegungen, die bei der Verwendung von EU-Mitteln aufgestellt werden, stehen nach Ansicht des Autors jedoch im Einklang mit den Zielen der Verordnungen und insbesondere mit dem Grundsatz des „effet utile, der die wirksame und effiziente Durchsetzung des EU-Rechts gewährleisten soll.
Die Ziele der Verwaltung, Begleitung und Kontrolle der EU-geförderten Maßnahmen sowie die ordnungsgemäße und effiziente Verwendung des Strukturfonds leiten sich aus den EU-Verordnungen und damit dem EU-Recht ab.
Das Effizienzgebot (effet utile) bedeutet, dass das EU-Recht dem nationalen Recht im Zweifel vorgeht, soweit nationale Vorschriften mit dem Zweck des konkreten EU-Rechts nicht vereinbar sind.
Würden Verstöße gegen nationale Vergabevorschriften keine „Unregelmäßigkeiten“ im Sinne der Verordnungen darstellen, könnten Fördergelder aus EU-Fonds, die durch das EU-Recht geregelt sind, trotz Vergabefehlern nicht zurückgefordert werden. Damit könnte keine ordnungsgemäße und wirksame Verwendung der Mittel aus den Strukturfonds gewährleistet werden. Die Verwaltung, Begleitung und Kontrolle dieser EU-geförderten Maßnahmen würde zumindest teilweise leerlaufen.
2. EU-geförderte Maßnahmen sind in der Regel EU-Beihilfen
Weiterhin ist zu beachten, dass es sich bei den meisten EU-geförderten Maßnahmen um solche Maßnahmen handeln wird, die den Tatbestand der EU-Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen. Das EU-Recht geht aber von einem einheitlichen Beihilfenbegriff aus. Das bedeutet, wenn eine Maßnahme mit einem noch so geringen Teil aus EU-Mitteln kofinanziert ist, dann muss dennoch die gesamte Förderung und nicht nur der auf EU-Mittel entfallende Teil zurückgefordert werden.
3. Das Effizienzgebot des „effet utile“
Der genannte Grundsatz des „effet utile“ führt darüber hinaus dazu, dass die Vertrauenstatbestände sowie die Jahresfrist zum Wegfall der Rückzahlungspflicht nach §§ 48 Abs. 2 – 4 und 49 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG als Verweisungsnorm wegen Unionswidrigkeit nicht anwendbar sind, da auch diese nationalen Normen eine wirksame und effiziente Einziehung der EU-Mittel verhindern würden.
4. Rückforderung von privaten Auftraggebern/Zuwendungsempfängern
Interessant ist außerdem die Frage, ob die genannten Folgen auch private, mit EU-Mitteln geförderte Auftraggeber/Zuwendungsempfänger betreffen.
Die angeführte Entscheidung des EuGHs spricht in seinem Leitsatz und der Begründung ausdrücklich von öffentlichen Auftraggebern, die bei Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte durch Nichteinhaltung des nationalen Vergaberechts eine „Unregelmäßigkeit“ im Sinne der genannten EU-Verordnung begehen.
Die einschlägigen EU-Verordnungen jedoch verwenden bei der Definition des Begriffs der „Unregelmäßigkeit“, der Voraussetzung für die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Form der Einziehung der rechtsgrundlos gezahlten Förderbeträge gemäß Art. 143 Abs. 1, 2, Art. 122 Abs. 2 der EU-Verordnung Nr. 1303/2013 ist, für dessen Anwendungsbereich ausdrücklich den Begriff des „Wirtschaftsteilnehmers“ in ihren Begriffsbestimmungen.
Die „Unregelmäßigkeit“ meint zunächst jeden Verstoß gegen das Unionsrecht oder gegen nationale Vorschriften zu dessen Anwendung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines an der Inanspruchnahme von Mitteln aus den ESI-Fonds beteiligten Wirtschaftsteilnehmers. „Wirtschaftsteilnehmer“ meint sodann jede natürliche oder juristische Person oder jede Einrichtung, die an der Durchführung der Unterstützung aus den ESI-Fonds beteiligt ist.
Der Begriff des „Wirtschaftsteilnehmers“ unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und privaten Auftraggebern. Vielmehr umfasst er seinem Wortlaut nach jede natürliche oder juristische Person oder Einrichtung. Ist nunmehr ein privater „Wirtschaftsteilnehmer“ an der Durchführung einer mit EU-Mitteln geförderten Maßnahme beteiligt und verstößt gegen nationales Vergaberecht, ist der Tatbestand der „Unregelmäßigkeit“ also erfüllt.
Da in diesem Fall eine durch einen „Wirtschaftsteilnehmer“ verursachte „Unregelmäßigkeit“ im Sinne des genannten Art. 143 Abs. 1, 2, Art. 122 Abs. 2, Art. 2 Nr. 36 der EU-Verordnung Nr. 1303/2013 vorliegt, dürfen die damit rechtsgrundlos ausgezahlten EU-Fördermittel eingezogen bzw. zurückgefordert werden.
Dass der EuGH in seiner Entscheidung bzw. seinem Leitsatz nur von öffentlichen Auftraggebern spricht, dürfte daher vermutlich nur daran liegen, dass die Vorlagefrage des betroffenen Mitgliedstaates im konkret entschiedenen Fall lediglich öffentliche Auftraggeber zum Gegenstand hatte und der EuGH daher über private, mit EU-Mitteln geförderte Auftraggeber nicht zu entscheiden hatte[6].
Weiterhin sprechen die „Leitlinien der EU-Kommission zur Festsetzung von Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge auf von der EU im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung finanzierte Ausgaben“ (COCOF-Leitlinien) für eine Anwendung der EU-Verordnungen als Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Fördergelder auch von privaten Auftraggebern/Zuwendungsempfängern.
In Ziffer 1.2.2 der Leitlinien wird ausgeführt, dass unabhängig von dem Vorhandensein eines grenzüberschreitenden Interesses (Binnenmarktrelevanz) bezüglich eines öffentlichen Auftrags, der nicht den EU-Richtlinien unterliegt, geprüft werden muss, ob die für den konkreten, EU-geförderten Auftrag gemeldeten Ausgaben den nationalen Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge entsprechen. Die Leitlinien der EU-Kommission stellen zwar nur eine Empfehlung dar. Damit wird jedoch ausdrücklich aufgezeigt, dass die COCOF-Leitlinien bei Finanzkorrekturen wegen „Unregelmäßigkeiten“ auch im Unterschwellenbereich, nötigenfalls in analog für die nationalen Vergabeverfahren, Anwendung finden, wenn EU-Mittel bewilligt werden.
Würden bei der Wiedereinziehung von EU-Mitteln aufgrund von „Unregelmäßigkeiten“ private und öffentliche Auftraggeber zudem unterschiedlich behandelt, weil die sich aus der EU-Verordnung ergebende Rechtsgrundlage lediglich öffentliche Auftraggeber umfassen würde, so entstünde unter Verstoß gegen das EU-Primärrecht, den Gleichheitsgrundsatz, eine nach Ansicht des Autors nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung.
Die Rückforderungsmöglichkeit eines mit EU-Mitteln geförderten privaten Auftraggebers reiht sich insoweit in die Ziele und Grundsätze des EU-Rechts, namentlich der ordnungsgemäßen Verwaltung, Begleitung und Kontrolle der Mittel aus EU-Fonds sowie der effizienten Durchsetzung des EU-Rechts, ein.
5. Gesamtschau
Unter Berücksichtigung dieser unter den Nummer 1 – 4 genannten Aspekte ist in der Gesamtschau folglich zweifellos erkennbar, wie das EU-Recht stringent, ordnungsgemäß und effizient im Zweifel zu Lasten des nationalen Rechts durchgesetzt wird und wie die einzelnen Regelungen nicht zuletzt durch Auslegung ineinandergreifen.
Die EU sowie der EuGH schaffen durch die Möglichkeit der Rückforderung von EU-Fördermitteln bei öffentlichen Aufträgen im Bereich unterhalb der EU-Schwellenwerte eine Verknüpfung zwischen nationalem und europäischem Recht ähnlich der „Binnenmarktrelevanz“ öffentlicher Aufträge im Unterschwellenbereich. Die Förderung der Wirtschaft innerhalb des EU-Binnenmarktes mit EU-Mitteln führt dazu, dass Rückforderungen, die zunächst nur nationalem Recht unterliegen, dem die Verwaltung und Kontrolle dieser Mittel regelndem EU-Recht unterworfen werden. Damit wird die Einziehung rechtsgrundlos gezahlter Fördergelder von Bedeutung für die EU und ihren Binnenmarkt, obwohl das „europäische“ Vergaberecht unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich keine Anwendung findet und Verstöße gegen nationales Vergaberecht durch den Fördermittelgeber mangels wirksamer Auflage rein nach nationalem Recht nicht beanstandet werden können.
IV. Praxistipp
Das EU-Beihilfen-, Zuwendungs- sowie Vergaberecht werden komplexer und strenger, um neben einem transparenten Wettbewerb die ordnungsgemäße und effiziente Verwendung insbesondere von EU-Mitteln zu gewährleisten. Sind Zuwendungsempfänger von EU-Mitteln in der Vergangenheit noch davon ausgegangen, dass sie selbst bei offensichtlichen Vergabefehlern noch die rechtliche Möglichkeit haben, sich gegebenenfalls auf wegen Unbestimmtheit nichtige Auflagen zur Einhaltung des Vergaberechts zu berufen, wird dies künftig nicht mehr erfolgreich möglich sein.
Es ist nicht abwegig, für die Zukunft zu erwarten, dass auch Fälle der EU-Förderung von privaten Auftraggebern/Zuwendungsempfängern gerichtlich zugunsten einer rechtmäßigen Rückforderung der Fördermittelgeber entschieden werden, obwohl entsprechende Auflagen zur Einhaltung des Vergaberechts in Bescheiden nichtig sind.
Soweit EU-Mittel bewilligt werden, muss folglich präzise auf die Einhaltung sämtlicher rechtlicher Regelungen, wie ausgeführt nicht nur der Auflagen im Bescheid, geachtet werden. Im Zweifel ist den Zuwendungsempfängern nicht zuletzt aus Haftungsgründen anzuraten, zwingend fachlichen Rat einzuholen, da sie insbesondere Verluste der EU-Fördermittel riskieren.
[1] VG Köln, Urteil vom 3.9.2015, Az. 16 K 3369/14.
[2] EuGH, Urteil vom 26.5.16, Az. C-260/14 und C-261/14.
[3] a. a. O.
[4] a. a. O.
[5] a. a. O.
[6] a. a. O.
Anm. der Redaktion: Im Mitgliederbereich des DVNW entwickelt sich übrigens gerade eine interessante Diskussion genau zu diesem Thema (hier). Noch kein Mitglied? Zur Mitgliedschaft geht es hier.
Michael Pilarski
Der Autor Michael Pilarski ist als Volljurist bei der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – NBank – in Hannover tätig. Als Prüfer, insbesondere der Vergaberechtsstelle, lag sein Schwerpunkt mehrere Jahre in den Bereichen Zuwendungs- und Vergaberecht. Er hat die Einhaltung des Zuwendungs- und Vergaberechts durch private und öffentliche Auftraggeber, die Förderungen aus öffentlichen Mitteln erhalten, geprüft und Zuwendungsempfänger bei zuwendungs- und vergaberechtlichen Fragestellungen begleitet. Nunmehr ist er in der Rechtsabteilung der NBank in den Bereichen Vergabe-, Vertrags- sowie Auslagerungsmanagement beschäftigt. Darüber hinaus sitzt er der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Lüneburg bei, ist zugelassener Rechtsanwalt und übernimmt Referententätigkeiten sowie Schulungen im Zuwendungs- und Vergaberecht.
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